Geldtransportfirmen:Angst vor brutalen Überfällen

DM-Rücknahme und Euro-Versorgung von Banken und Handel bescheren schwierige Wochen.

Helga Einecke

(SZ vom 24.08.2001) Kurz vor dem Lieferstart des Euro-Bargeldes an Banken und Handel klagen Geldtransportfirmen über erhebliche Schwierigkeiten.

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Ein Geldtransport ist kein Kinderspiel.

Sie berichten über eine Verdoppelung ihrer Kosten, ungenügende Absprachen mit ihren Abnehmern und mangelnde Polizei-Hilfe. Brutale Überfälle hätten dramatisch zugenommen.

Bereits die Aktion "Schlafmünzen"überschütte einige Geldtransporter regelrecht mit DM-Münzen, berichtet Dirk Uhlig von der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste.

Vor den Sammelstellen, den Landeszentralbanken (LZBs), bildeten sich Schlangen, es käme zu langen Lager- und Zählzeiten. Bei der am 1. September beginnenden Lieferung von Euro-Bargeld an die Banken ergebe sich eine Zweiteilung.

Die Kreditinstitute bestellten zunächst überwiegend Münzen, während das Papiergeld wegen der dafür hohen Versicherung erst gegen Jahresende rollen soll. Das stelle die Transporter vor neue Probleme. Uhlig forderte die Banken auf, ihre Bargeldbestellungen in Euro umgehend abzugeben.

Beim Handel bereiteten sich große Konzerne generalstabsmäßig vor, aber kleine Händler verließen sich voll auf ihre Hausbanken. Bei 75 Prozent der Banken stehe die Planung für die Euro-Ausstattung, während es beim Handel weniger als 50 Prozent seien.

Falschgeld palettenweise

Eine mögliche polizeiliche Unterstützung sieht Uhlig skeptisch. Viele Polizeibehörden sperrten sich gegen konkrete Zusagen. Dabei sei bei Überfällen auf Geldtransporte nicht nur der Schaden, sondern auch die Gefahr von Nachahmern groß.

Im ersten Halbjahr kam es nach Schätzungen des Verbandes bereits zu 13 Überfallen, genau so vielen wie im Gesamtjahr 2000. Die Brutalität und die Schadenshöhe nehme deutlich zu. Eine Folge davon seien Kündigungen und Prämienerhöhungen seitens der Versicherer.

Die Jahresbeiträge für die Geldtransporter schnellten von 20000 auf 100 000 Mark in die Höhe. Für einen kurzen Zeitraum von einem halben Jahr müssten die Geldtransporter mehr Fahrzeuge und Mitarbeiter vorhalten sowie Geldbearbeitungsmaschinen anschaffen.

Zu den weiteren Kostentreibern zählten ungelöste Details. So hätte die Bundesbank bei ihren LZBs sogenannte Abholkonten in Auftrag gegeben, mit denen einige LZBs noch nicht umgehen könnten.

Die Transportunternehmen müssten für das Bargeld Holzcontainer im Ikea-Stil zusammenbauen, was Zeit koste. Die Mitarbeiter erhielten Schulungen, damit sie Falschgeld erkennen.

Auf dem Falschgeld blieben die Transportunternehmen nämlich sitzen, falls sie das in den Kreislauf bringen würden. Von der Polizei sei bekannt, dass Falschgeld "palettenweise bereit stehe, um es unter die Leute zu bringen".

Außerdem klebe das Papiergeld zusammen, wenn es frisch von der Druckerei käme und müsse mittels Maschinen aufgefächert werden, die nicht nur Geld kosteten, sondern deren Entwicklung wegen einiger Probleme mit dem Magnetismus noch nicht abgeschlossen sei. Auch bei den Münz-Zählern gebe es wegen der europaweit 16 Prägeanstalten noch Schwierigkeiten.

Polizei soll stärker unterstützen

Als besonders gefährdet sieht Uhlig die 100 Zählzentren der Geldtransporter in Deutschland. Dabei handele es sich um "große Räumlichkeiten, in denen die Gelder LZB-gerecht aufbereitet werden", erklärt er. "Sie sind im Fokus derjenigen, die schlechtes im Sinn haben", begründet er seine Angst vor Überfällen auf diese Räume und fügt hinzu: "Wir fordern, dass uns die Polizei stärker unterstützt".

Schließlich seien bei jedem Castor-Einsatz 15.000 Polizisten im Einsatz. Wenn bei den Gefahren der Euro-Bargeldeinführung nicht rechtzeitig gegengesteuert würde, sei mit weiteren Überfällen zu rechnen.

Uhlig erwartet für seine Branche die stürmischsten und schwierigsten Wochen ihrer Geschichte. Der Verband vertritt 180 Mitglieder und damit rund 90 Prozent der Branche. Beschäftigt werden 8000 Mitarbeiter, darunter 6000 im Transport und 2000 in der Bearbeitung.

Infolge der Umstellung von DM auf Euro wird es rund 1000 Neueinstellungen geben. Der Umsatz der Branche erreichte im vergangenen Jahr 600 Millionen DM. Wegen der Euroumstellung dürften innerhalb des nächsten halben Jahres 100 Millionen DM zusätzlich in die Kasse kommen.

Einzelne Mitgliedsunternehmen rechnen in den ersten beiden Januar-Wochen mit dem 7-fachen Transportvolumen. Bäcker, Metzger und Wirte würden sich erst jetzt ihrer Rolle in dem Umtausch-Szenario bewusst.

Auch andere Dienstleister wie etwa Kinos würden erst langsam merken, was im nächsten Jahr auf sie zukommt. Durch die Euro-Einführung sei das drei- bis 70-Fache des heutigen Wechselgeldes nötig.

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