Geldpolitik:Billiges Geld schafft Ungleichheit

Die Politik der Notenbank lässt die Aktienkurse steigen. Davon profitieren am stärksten die reichen Anleger. Die Europäische Zentralbank steckt in einem delikaten Zielkonflikt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Experten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) formulieren es vorsichtig, doch gerade die Zurückhaltung mag die Brisanz ihrer Botschaft noch unterstreichen. "Die Vermögensungleichheit ist größer geworden seit der großen Finanzkrise. Ein Hauptgrund sind die steigenden Aktienkurse", heißt es in einem Aufsatz des BIZ-Quartalsberichts, der am Sonntag in Basel veröffentlicht wurde. "Es liegt somit die Vermutung nahe, dass die Geldpolitik zu dieser Ungleichheit beigetragen hat."

Die Europäische Zentralbank steckt in einem delikaten Zielkonflikt. Den muss sie lösen

Die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Notenbanken der Industriestaaten fluten die Finanzmärkte seit Jahren mit billigem Geld. Die EZB hat sogar einen Strafzins eingeführt, der Banken zwingen soll, ihre Einlagenüberschüsse als Kredit auszugeben. So soll die Wirtschaft in der Euro-Zone angekurbelt werden.

Die niedrigen Zinsen führen dazu, dass Anleger ihr Geld in die Aktienmärkte schleusen, was zu Kursgewinnen führt. Der Punktestand des Dax hat sich seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009 mehr als verdreifacht. Die Reichen wurden somit noch reicher, denn meist besitzen nur sie Aktien. Die anderen Teile der Gesellschaft bleiben häufig außen vor. Die BIZ betont, dass sie als Organisation nicht "notwendigerweise" hinter diese These stehe. Verantwortlich seien die drei Autoren, die bei der BIZ beschäftigt sind. So richtig distanzieren will sich die BIZ aber auch nicht, denn immerhin hat man den Aufsatz mit in den Quartalsbericht aufgenommen.

Die 1930 gegründete BIZ mit Sitz in Basel ist die globale Zentralbank der nationalen Notenbanken. Sie spielt unter anderem bei der Verwaltung der weltweiten Devisenreserven und Goldbestände der Zentralbanken eine wichtige Rolle. Deutschland ist bei der BIZ durch die Bundesbank vertreten. Die BIZ ist auch die Denkfabrik für die internationale Bankenregulierung. Der frühere Chefvolkswirt der BIZ, William White, hat die Finanzkrise 2007 bis 2010 schon Jahre vor ihrem Ausbruch vorhergesehen. Doch seine Warnungen wollte damals kaum jemand hören.

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass der EZB-Rat am Donnerstag den Strafzins sogar noch weiter erhöhen wird. Bei der EZB ist man sich auch dessen bewusst, dass die Niedrigzinsen verteilungspolitische Effekte haben: Die Geldpolitik begünstige die Eigentümer von Aktien, doch sie schaffe im Gegenzug auch "niedrigere Eigenkapitalkosten für Unternehmer, niedrigere Finanzierungskosten für Investitionen in Immobilienprojekte und niedrigere Kreditkosten für die Verbraucher", sagte EZB-Präsident Mario Draghi bei einer Rede in Washington. Diese Effekte könnten sich vorteilhaft auf die Konjunkturerholung auswirken.

Tatsächlich profitieren viele Häuslebauer etwa in Deutschland von den niedrigen Zinsen, doch fällt dieser immobiliengetriebene Vermögenseffekt in den Industriestaaten im Durchschnitt geringer aus, als es die Hausse am Aktienmarkt tut, so die BIZ-Autoren, deren Analyse auf einer Simulation beruht, in der Preisentwicklungen verschiedener Vermögensportfolien verglichen wurden.

Die Geldpolitik der EZB steht in diesen Wochen unter starker Kritik. Die europäischen Banken klagen über sinkende Gewinnmargen, die sich aus dem Negativzins ergäben. Zudem erhöhen manche Institute nun die Kreditzinsen für Kunden, um den fälligen Strafzins an die EZB zu kompensieren. Doch steigende Zinsen könnten die Kreditvergabe an die Wirtschaft, die die EZB gerne stärken möchte, schwächen.

Die EZB muss einen delikaten Zielkonflikt lösen. Die Zentralbank ist neben der Geldpolitik seit 2014 auch für die Bankenaufsicht zuständig. Die Profitabilität und damit die Stabilität der Banken ist gefährdet, je länger die Phase der Niedrigzinsen anhält, so die BIZ in einem früheren Bericht. Die EZB überlegt deshalb vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstag, wie man die negativen Folgen der geplanten erneuten Strafzinserhöhung für Banken begrenzen könnte.

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