Geldflut der EZB:Die Wut des Herrn Weidmann

Mehr als eine halbe Billion Euro bekommen die Banken der Eurozone von der Europäischen Zentralbank. Für schlappe ein Prozent - und für immerhin drei Jahre. Bundesbankpräsident Weidmann geißelt nun die Konditionen als "sehr generös".

Es sind keine guten Tage für Bundesbank-Chef Jens Weidmann: Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat sich in der Krise von den Prinzipien des einstigen Vorbildes Bundesbank weitgehend gelöst. Orientierte sich die Bundesbank noch allein an der Vorgabe Stabilität der Währung, spielt die EZB in der Krise der Eurozone längst die Rolle des Ausputzers.

So hat sich Bundesbankpräsident Jens Weidmann denn auch skeptisch über die jüngste Geldflut der EZB geäußert. Die Konditionen seien "sehr generös" geraten, sagte Weidmann dem Spiegel und fügte hinzu: "Das Programm vermittelt kurzfristig Ruhe, aber es ist eine Ruhe, die trügerisch sein könnte."

Die EZB hatte den kränkelnden Banken in der vergangenen Woche erneut eine Riesen-Geldspritze verpasst: Insgesamt liehen sich Europas Kreditinstitute die Rekordsumme von exakt 529,5 Milliarden Euro für außergewöhnlich lange drei Jahre. 800 Banken fragten Geld nach.

Damit pumpten sich die von der Schuldenkrise gebeutelten Banken bereits zum zweiten Mal binnen gut zwei Monaten billiges Geld von der Notenbank. Dem Magazin zufolge ist Weidmann vor allem besorgt mit Blick auf die Sicherheiten, die die Banken bei der EZB für Kredite mittlerweile hinterlegen dürfen.

Sinn lobt Weidmann

"Die Notenbanken des Eurosystems nehmen substanzielle Risiken in ihre Bilanz, die im Grenzbereich ihres Mandats liegen", sagte er. Weidmann wolle die Qualitätsmaßstäbe für die Sicherheiten schnellstmöglich wieder verschärfen, schreibt das Magazin weiter.

Der französische Zentralbankchef Christian Noyer sprach sich im Spiegel gegen eine vorschnelle Änderung der Konditionen aus. "Wir können das tun, wenn die Krise einmal vorbei ist." Noyer verteidigte die Politik der EZB: "In dieser Krise waren die Zentralbanken verpflichtet, neue Instrumente zu erfinden". Dem Ziel der Preisstabilität sei man trotzdem verbunden.

Beim ersten Geschäft mit dieser langen Laufzeit kurz vor Weihnachten hatten sich die Geschäftsbanken 489,2 Milliarden Euro zu günstigen Konditionen besorgt. Die EZB will mit der Geldflut und Zinsen auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent ein Austrocknen der Geldmärkte verhindern. Denn eine Kreditklemme würde die ohnehin schwache Konjunktur abwürgen.

Doch es geht nicht allein um die neuen Kredite für die Geschäftsbanken: Sorgen bereiten Weidmann auch die auf fast 500 Milliarden Euro angestiegenen Forderungen der Bundesbank gegenüber den anderen Euro-Notenbanken aus dem sogenannten Target-System. Sie sind Ausdruck der wirtschaftlichen Schwäche überschuldeter Länder wie Griechenland oder Portugal.

Würde die Euro-Zone zerbrechen, würde die Bundesbank-Bilanz damit belastet - und damit letztlich der deutsche Steuerzahler.

Über Target werden grenzüberschreitende Zahlungen zwischen Banken abgewickelt. Kauft zum Beispiel eine griechische Firma Waren in Deutschland, leitet ihre Geschäftsbank den Kaufpreis über die griechische und die deutsche Zentralbank an die Bank des Exporteurs weiter. Bei der Bundesbank entsteht dabei eine Forderung gegenüber der EZB, bei der Notenbank in Athen eine Verbindlichkeit. Weil das Krisen-Land im Gegenzug kaum noch exportiert, sind die Target-Salden gestiegen.

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, der seit Monaten auf die Risiken im Target-System hinweist, lobte Weidmann für dessen Warnung. "Er hat einen verantwortlichen Standpunkt eingenommen, und ich hoffe sehr, dass die Politiker es nun auch tun", sagte der Chef des Münchner Instituts. "Deutschlands Ersparnisse sind durch die Politik der EZB im Umfang von 500 Milliarden Euro in bloße Forderungen gegen die EZB verwandelt worden, die wir niemals fällig stellen können und die in der Luft hängen, wenn der Euro zerbricht."

Dies sei ein wesentlich größeres Hilfsprogramm als alles, was die Parlamente bislang beschlossen hätten. Darüber habe aber nur der EZB-Rat befunden, "in dem Deutschland so viel zu sagen hat wie Malta oder Zypern".

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