Geldanlage:Warum Anleger Deutschland Geld leihen - und dafür draufzahlen

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Bundeswertpapiere sind eine sichere Geldanlage: das kostet.

(Foto: dpa)
  • Bundeswertpapiere gelten als eine der sichersten Anlagen weltweit. Wer dem Bund Geld leiht, kann davon ausgehen, dass er es auch wiederbekommt.
  • Manche Beobachter halten die Situation aber für übertrieben - und rechnen mit einer starken Gegenbewegung.

Von Harald Freiberger

Wer gern ruhig schläft, darf nicht geizig sein. Sicherheit kostet bares Geld. Das war in der großen weiten Welt der Finanzanlage schon immer so. In diesen Tagen, da die Unsicherheit überhand nimmt, ist es wieder in extremer Form zu besichtigen.

Eine der sichersten Anlagen auf der Welt sind Bundeswertpapiere, also die Schulden des Bundes. Deutschland gilt als eines der wirtschaftlich solidesten Länder der Erde. Wer dem Bund Geld leiht, kann davon ausgehen, dass er es auch wieder bekommt. Doch das kostet eben: Bundesanleihen, die zwei Jahre lang laufen, notierten am Dienstag bei minus 0,52 Prozent. Der Verfall der Rendite hat sich in den vergangenen Tagen noch einmal beschleunigt. Investoren sind es schon seit einiger Zeit gewöhnt, dass sie keine Zinsen mehr bekommen, wenn sie dem Bund Geld leihen, sondern etwas drauflegen müssen. Aber so viel wie jetzt war es noch nie.

Je weniger der Bund gibt, desto attraktiver scheint er zu werden

"Es gibt wieder eine sehr ausgeprägte Flucht in Sicherheit", sagt Elmar Völker, Anleihenexperte bei der Landesbank Baden-Württemberg. Es ist die Gegenbewegung zu den Turbulenzen auf den Aktienmärkten. Je unsicherer die Zeiten, umso größer die Sehnsucht nach dem sicheren Hafen.

Eine Rendite von minus 0,52 Prozent bedeutet, dass ein Anleger, der 10 000 Euro investiert, dafür im Jahr 52 Euro zahlt. Technisch läuft es so ab, dass er beim Kauf einen höheren Kurs von 101 Prozent bezahlt, nach zwei Jahren aber nur 100 Prozent zurückbekommt. Macht aufs Jahr gerechnet einen Abzug von gut 0,5 Prozentpunkten.

Kaum noch eine Bundesanleihe bringt Zinsen. Einjährige Papiere notieren mit 0,47 Prozent im Minus, fünfjährige mit 0,26 Prozent, nur für zehnjährige gibt es ein mageres Plus von 0,25 Prozent. Es ist wie in neurotischen Paarbeziehungen: Je weniger der Bund gibt, umso attraktiver scheint er zu werden. Was sind das für Anleger, die sich dafür, dass sie ihr Geld sicher verwahren wollen, selbiges aus der Tasche ziehen lassen? Es sind meist professionelle Investoren, die das Geld nicht einfach als Festgeld auf der Bank liegen lassen können. Wenn sie es bei der Europäischen Zentralbank parken, zahlen sie auch einen Strafzins von 0,3 Prozent. Es bleiben nicht viele andere sichere Möglichkeiten, allenfalls noch kleinere, stabile Länder wie die Niederlande.

Die Lage ist gefährlich

"Investoren in Bundesanleihen sagen sich: lieber ein bisschen negative Rendite als höhere Verluste in riskanten Anlagen", sagt Robert Halver, Aktienmarktstratege der Baader Bank. Und die Berater könnten ihren Kunden im Anlagegespräch sagen: Wir haben in Bundesanleihen umgeschichtet, da brennt nichts an. "Der Kapitalschutzgedanke schlägt derzeit den Renditegedanken", sagt Halver.

Ein Grund für die Attraktivität der Bundesanleihen ist die grassierende Unsicherheit auf den Finanzmärkten, ein anderer ist die Europäische Zentralbank. Sie hat deutlich gesagt, dass sie die Käufe von Anleihen im März ausweiten will. Die Investoren erwarten, dass dies zu Kursgewinnen führen wird und kaufen. Mancher Experte fühlt sich an die Situation vor einem Jahr erinnert: Wenn das Ereignis eintritt, könnten viele Kasse machen. Im Mai und Juni 2015 war das der Fall, aus heiterem Himmel kam es zu einer Welle von Verkäufen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg binnen kurzen um einen Prozentpunkt, das sind Welten.

"Spekulieren viele Marktteilnehmer stark auf weiter fallende Renditen, kann sich das schlagartig in einer Gegenbewegung entladen", sagt Völker. Seiner Ansicht nach haben sich Investoren "übertrieben in sichere Häfen zurückgezogen". Die Lage der Konjunktur sei nicht so schlecht, um eine solche Panik zu rechtfertigen. Die Attraktivität von Bundeswertpapieren könnte bald kippen.

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