Geldanlage:Meer leer

Delikatessen locken deutsche Kunden

Die Meere sind überfischt, die Tiere werden zum Luxus. Was Naturschützer für eine Katastrophe halten, ist für Investoren ein Chance.

(Foto: Rolf Haid/dpa)

Anleger investieren verstärkt in die Fischindustrie. Sie hoffen auf enorme Gewinne - weil die Menschen jahrzehntelang viel zu viele Meerestiere gefangen haben.

Von Lukas Zdrzalek

Manche Menschen haben einen Lieblings-Fußballklub, andere einen Lieblingsmusiker, Gerd Häcker hat Lieblings-Geldanlagethemen. Auf eines ist er an einem Abend im bayerischen Dachau gestoßen, beim erweiterten Vorstandstreffen seines Fischereivereins. Damals, einige Jahre ist das jetzt her, musste der Club neue Fische in die Tümpel setzen, an denen seine Mitglieder angeln. Zehn- bis fünfzehntausend Euro kann das schon mal kosten, und dem Vermögensverwalter Häcker wurde auf einmal bewusst, wie viel Geld man mit Fischen verdienen kann. So kam ihm die Frage in den Sinn, wie er von diesem Geschäft profitieren kann. Bald wusste er: Es geht sogar ziemlich einfach.

Deutsche Sparer leiden unter der Niedrigzinsphase: Auf die klassischen, in der Bundesrepublik so beliebten Sparbücher gibt es kaum noch Zinsen, manchmal sogar überhaupt keine mehr. Viele suchen nach Alternativen. Vermögensverwalter Häcker meint, eine gefunden zu haben: Er macht in Fisch, kauft für seine Kunden Aktien von Firmen, die in der Meeresfrüchteindustrie tätig sind. Das ist ein überaus lukratives Geschäft, zeigt der Oslo Seafood Index, zu Deutsch der Osloer Meeresfrüchte-Index. Der Kurs ist seit 2011 um bis zu 600 Prozent gestiegen, der deutsche Leitindex Dax dagegen kommt auf gerade einmal 110 Prozent. Häckers Geschichte ist eine ziemlich kuriose, die gerade deshalb eine ernsthafte Lehre für Anleger bereithält: Manchmal müssen sie ihre Umgebung nur sehr genau studieren, um eine lohnende Anlageidee zu finden.

Häcker beginnt damals, nach dem Vorstandstreffen, noch spät am Abend zu recherchieren. Er findet die Firma Marine Harvest mit Sitz im norwegischen Oslo, mehr als 12 000 Mitarbeiter, Jahresumsatz umgerechnet drei Milliarden Euro, der weltweit größte Produzent von Atlantik-Lachs. Marine Harvest ist inzwischen Teil des Oslo Seafood Index, in dem noch neun andere Firmen notieren, die ihren Sitz etwa in Skandinavien und in Schottland haben. Darunter sind Unternehmen, die Fisch weiterverarbeiten wie die norwegische Lerøy Seafood Group, die wie Marine Harvest und die Scottish Salmon Company Meerestiere züchten. Wieder andere stellen Ausrüstung dafür her.

Der Boom der Fisch-Firmen erklärt sich ausgerechnet durch einen Mangel: den an Fischen. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Menschen viel zu viele Meerestiere gefangen, die Ozeane sind überfischt, wie Experten sagen. Manche Arten sind gar vom Aussterben bedroht, etwa der rote Thunfisch. Die Fangmenge wird deshalb bei etwa 90 Tonnen pro Jahr stagnieren, prognostiziert die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen - während die Nachfrage bis 2025 um 31 Millionen Tonnen steigen soll.

Das liegt erstens daran, dass die Weltbevölkerung wächst und immer mehr Lebensmittel gebraucht werden. Zweitens entsteht in vielen Schwellenländern wie China eine Mittelschicht, die sich nun häufiger Meerestiere leisten kann. "Drittens wollen viele Menschen besonders gesund leben. Da bietet sich eher Fisch als Fleisch an", sagt Häcker. Die Fangmengen stagnieren, die Nachfrage steigt: Die Fischfirmen füllen diese Lücke mit ihren Zuchttieren, für die sie obendrein auch höhere Preise verlangen können.

Eine hübsche Investitions-Erzählung ist das, die auch unschöne Seiten kennt: die Risiken. "Ein Virenbefall kann eine ganze Fischpopulation dahinraffen", sagt Häcker. Der Klimawandel kann zu steigenden, für die Meerestiere viel zu warmen Wassertemperaturen führen, der Zuchtbetrieb dadurch unmöglich werden - und so ein Unternehmen in die Krise stürzen.

Naturschützer kritisieren die Fischfarmen, weil sie die Umwelt verschmutzen. So können etwa die Extremente der Tiere, Futterreste und Antibiotika aus den Gehegen ins offene Meer gelangen.

Anleger müssen sich also überlegen, ob sie es vertreten können, in die Branche zu investieren. Beim Angeln, heißt es, soll man ja besonders viel Zeit zum Nachdenken haben.

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