Geldanlage:Gute Nacht, Tagesgeld

Es war einmal die Lieblingsanlage der Deutschen. Inzwischen aber wirft das Tagesgeld kaum mehr etwas ab. Gerade haben zwei große Direktbanken die Zinsen wieder deutlich gesenkt. Sie wollen die Anleger für Aktien begeistern.

Von H. Freiberger, F. Wilke

Es war keine erfreuliche Überraschung, die Deutschlands große Direktbanken an Ostern ihren Kunden beschert haben: Zum 1. April senkte die Consorsbank den Zins für neue Kunden beim Tagesgeld von 1,0 auf 0,6 Prozent. Dieser Zinssatz gilt allerdings nur sechs Monate lang, er ist ein Werbeangebot. Danach fällt der Zins auf jene dürftigen 0,01 Prozent, den auch Altkunden bekommen. Zwei Tage später zog der Marktführer ING Diba nach: Für Altkunden gibt es jetzt anstatt vorher 0,1 Prozent nur noch 0,01 Prozent (für Neukunden bleibt es bei 0,75 Prozent).

Damit pendeln sich auch die großen Direktbanken auf dem Nullzins-Niveau ein, das die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Zinspolitik seit Jahren vorgibt. Das Internetportal www.biallo.de ermittelt beim Tagesgeld unter 116 Angeboten von Banken nur noch einen Durchschnittszins von 0,16 Prozent. Viele Institute zahlen gar nichts mehr oder gerade noch 0,01 Prozent. Tagesgeld war lange die Lieblingsanlage der Deutschen. Doch inzwischen rentiert es sich kaum noch.

Einige Institute bieten zwar auch für Bestandskunden noch 0,4 bis 0,6 Prozent Zinsen (siehe Tabelle). Die Marktführer sind aber nicht darunter. Meist handelt es sich um kleinere Anbieter aus dem Ausland. Verbraucherschützer empfehlen, bei der Auswahl der Bank darauf zu achten, dass das Kundengeld nach der deutschen Einlagensicherung geschützt ist. "Das Tagesgeldkonto ist ein Produkt, das momentan sowohl Banken als auch Sparer unglücklich macht", sagt Peter Barkow, Geschäftsführer beim gleichnamigen Beratungs- und Analysehaus. Die amerikanische Notenbank hat den Leitzins zuletzt zwar mehrmals leicht angehoben, doch in Europa kann von einer Zinswende noch keine Rede sein. Schließlich fällt für die Banken weiterhin ein negativer Zinssatz von 0,4 Prozent an, wenn sie überzählige Spareinlagen bei der Europäischen Zentralbank parken. Das Geld der Kunden wiederum verliert auf den kaum noch verzinsten Tagesgeldkonten real an Wert, denn die Inflation liegt schon seit gut einem Jahr wieder bei deutlich mehr als einem Prozent.

Warum die Banken gerade jetzt in den Osterferien die Zinsen gesenkt haben, darüber lässt sich nur spekulieren. Dass sie es getan haben, kann Berater Barkow aber "gut verstehen, denn das Tagesgeldkonto ist für sie ein Draufzahlgeschäft". Zumal die Sparer in Deutschland weiterhin viel Kapital in Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen stecken. Allein 2017 waren es 81 Milliarden Euro und damit 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigen Zahlen, die Barkow im Auftrag der Comdirect erhoben hat.

ING Diba gibt an, dass sich der Zinssatz unter anderem nach dem Leitzins der EZB und nach dem Wettbewerb richte. Das Institut zählt in Deutschland und Österreich 9,1 Millionen Kunden, die 124 Milliarden Euro angelegt haben. 84 Prozent davon sind als Kredite weitergereicht, 16 Prozent stecken vor allem in kurzfristigen, sicheren Anleihen.

Mehr hätten die Banken davon, wenn die Sparer vermehrt in Wertpapiere wie Aktien oder Fonds investieren würden. Damit machen die Institute anders als mit Tagesgeldkonten keinen Verlust und verdienen an Gebühren mit. Deshalb bietet die Consorsbank ihren Kunden an, den aktuell nur sechs Monate gültigen Zins von 0,6 Prozent länger zu nutzen, wenn sie denn ein Depot eröffnen und beginnen, Wertpapiere zu kaufen. Auch die ING Diba ermutigt ihre Kunden dazu, in Fonds zu investieren. Tatsächlich empfehlen das nicht nur Banken, sondern auch Verbraucherschützer. Sie raten Sparern dazu, einen Teil ihres Vermögens in Indexfonds anzulegen, die den Aktien- oder Anleihemarkt nachbilden. Denn in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass damit auf lange Sicht deutlich mehr Rendite zu erwirtschaften ist. Welcher Anteil dabei auf schwankungsanfälligere Aktien entfällt, hängt davon ab, wie viel Risiko ein Anleger zu tragen bereit ist.

Anders als früher, stechen Direktbanken beim Zins für Tages- und Festgeld kaum mehr heraus. Einen anderen Markenkern lassen sie bislang jedoch unberührt: Das Girokonto ist bei Anbietern wie ING Diba, Consorsbank oder Comdirect weiter kostenlos. "Wenn Banken an der Gebührenschraube drehen, ist die Aufregung in der Regel größer als beim Tagesgeldzins", sagt Barkow. Jetzt hoffen die Institute, dass die Sparer reagieren und ihr Erspartes in Wertpapiere umschichten. Und damit vielleicht sogar sich selbst etwas reicher machen.

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