Geldanlage:Genug vom Sparen

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Die Deutschen gelten seit jeher als ein Volk von Sparern. Doch die Nullzinsphase, die seit zwei Jahren anhält, verändert ihr Anlageverhalten. Viele Bundesbürger haben es aufgegeben, Geld auf die hohe Kante zu legen, zeigt eine Studie der Bundesbank.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Deutschen gelten als sparwütig. Thorsten Hens, 54, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Zürich, hat dieses Phänomen untersucht. "Der Spardrang ist tradiert von den Eltern und Großeltern. Im Krieg mussten die Leute hamstern, um Essen zu kriegen. Man musste etwas ansparen, das jederzeit verfügbar war, um zu überleben: Geld, Zigaretten oder anderes", sagt Hens. "Diese Geschichten sind bis in die Enkelgenerationen überliefert." Dazu gesellt sich in Sachen Geld die große Furcht vor Verlusten. Ökonom Hens hat das Sparverhalten in 50 Ländern untersucht und herausgefunden: Vor allem die Deutschen vermeiden Risiken, wo es nur geht.

Doch vielleicht erlebt das Land allmählich eine Verhaltensänderung. Der Grund dafür ist der Nullzins, der Ersparnisse unter Berücksichtigung der Inflationsrate in vielen Fällen zu einem Minusgeschäft macht. Das geht wegen der lockeren EZB-Geldpolitik schon knapp zwei Jahre so.

Eine Umfrage der Bundesbank hat nun ergeben, dass die störrischen deutschen Sparer ihr tradiertes Verhalten langsam ändern. "Etwa 36 Prozent der Haushalte gaben an, dass sie wegen der niedrigen Zinsen weniger oder überhaupt nicht mehr sparen", sagt Philipp Marek, Ökonom im Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank. Immerhin 16,5 Prozent der Haushalte sprachen von Plänen, ihr Geld anders als bisher anzulegen.

Die Deutschen - anders anlegen? Das käme in einem Land, wo viele Bürger immer noch die griffigen Geldscheinchen dem virtuellen Kontoauszug vorziehen, einer kleinen Verhaltensrevolte gleich. Die deutschen Privathaushalte horten stolze 141 Milliarden Euro ihres Geldvermögens in bar, sei es unter der Diele, zwischen Buchdeckeln oder in einer schnöden Plastiktüte. Das entspricht einem satten Zuwachs von 40 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Alles andere als zerrüttet zeigt sich auch das Verhältnis zur D-Mark: Etwa eine Million 1000-Mark-Scheine sind 15 Jahre nach Einführung des Euro immer noch im Besitz der Bürger.

Die Umfrage der Bundesbank belegt, dass die Deutschen nun mehr Geld in Aktien und Investmentfonds stecken (plus 13 beziehungsweise plus 17 Prozent zwischen 2014 und 2016). Die Sparer meiden langfristige finanzielle Engagements. "Zwischen 2014 und 2016 büßten die Bestände langfristiger Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von über drei Monaten mehr als 30 Prozent ein, während das Volumen kurzfristiger Anlageformen wie Sichteinlagen (einschließlich Bargeld) um 22 Prozent zulegte", so das Umfrageergebnis.

Für die Bundesbankstudie "Private Haushalte und ihre Finanzen" werden seit 2010 in Deutschland lebende Privathaushalte zu ihrem Vermögen und ihren Schulden befragt. An der Sommerbefragung 2016, deren Auswertung nun abgeschlossen wurde, nahmen rund 2800 Haushalte teil. Das waren mehr als die Hälfte der angefragten Personen. Das Ergebnis zeige, so die Bundesbank, dass die andauernde Niedrigzinsphase zunehmend die Zinserwartungen der Bevölkerung beeinflusse: 96,5 Prozent der Haushalte rechnen damit, dass die Zinsen auf Sparguthaben für mindestens ein weiteres Jahr niedrig bleiben würden.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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