Geld im Alter:Wie man im Alter noch vorsorgen kann

Geld im Alter: Ab und zu entspannt in einem Café sitzen - das wünschen sich viele Rentner. Doch oft plagen sie Geldsorgen, weil die Rente und die Lebensversicherung nicht reichen.

Ab und zu entspannt in einem Café sitzen - das wünschen sich viele Rentner. Doch oft plagen sie Geldsorgen, weil die Rente und die Lebensversicherung nicht reichen.

(Foto: Jeff Sheldon/Unsplash.com)
  • Ältere Menschen sind bei der Geldanlage oft sehr vorsichtig, weil sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben.
  • Allerdings gibt es gute Möglichkeiten, sich auch als Senior abzusichern.

Von Simone Boehringer und Lea Hampel

Schon am Eingang der Messehalle verteilen junge Männer im Anzug Flyer: "Wir kümmern uns um Ihre Immobilie!" Im Hintergrund läuft Swing, an den Ständen gibt es Hustenbonbons und Salbenproben. Die Seniorenmesse "Die 66" füllt auf dem Münchner Messegelände zwei Hallen.

In denen wird von der Rollatoren-Tasche in türkiser Wildkatzen-Optik über Küchenmesser, VW-Busse, Lederjacken und Murmeltiersalbe alles geboten, von dem bestimmte Industriezweige glauben, dass Menschen über 60 es brauchen.

In einer Ecke der Halle 5.6. stößt man auf ein weiteres Thema. Hier haben sich 15 Aussteller aus der Rubrik "Finanzen & Versicherung" versammelt. Die Botschaft: Altersversorgung, Geldanlage, Immobilienkosten, diese Themen drängen. Je älter man ist, desto wichtiger werden die damit verbundenen Entscheidungen.

Dabei gelten Menschen über 60 als schwierige Zielgruppe: Bereits ab dem Alter von 40 Jahren, schätzen Marketingexperten, werden Kunden zunehmend kritischer, lassen sich weniger von Werbeversprechen und Verkaufstricks beeindrucken.

Zudem ist diese Generation heute in finanzieller Hinsicht mehrfach geschädigt: Kredite aufzunehmen ist für sie schwer. Banken sind bei älteren Kunden vorsichtig, besonders, wenn sie bereits in Teilzeit oder Rente sind und kaum noch regelmäßiges Erwerbseinkommen haben.

Viele der Kunden wiederum haben vor zehn, zwanzig Jahren schlechte Erfahrungen gemacht, nach dem Platzen der New-Economy-Blase Geld am Aktienmarkt verloren, manche in der Finanzkrise 2008 noch mal. Ihr Vertrauen in Menschen, die sie in Sachen Geld beraten wollen, ist gering. Zudem laufen ihre Lebensversicherungen derzeit zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt aus: in der Nullzinsphase, wo das Geld eher weniger wird denn mehr, wenn man nichts dagegen unternimmt.

Wem kann man im Alter schließlich noch trauen?

"Null Prozent Zins" steht auch auf einem Aufsteller in Halle 5.6; es ist der Stand der MLP Vermögensberatung. Viele, die hierher kommen, seien in Geldangelegenheiten verunsichert, sagt MLP-Berater Thomas Sickenberg.

Wem trauen, was tun, für wie lange? Vor allem Letzteres ist eine wichtige Frage. Denn viele Kunden unterschätzen, wie alt sie werden. Oft ist ihre Vermögensstrategie zu kurzfristig ausgelegt - es besteht die Gefahr, dass ihnen das Geld ausgeht, wenn sie noch Jahre vor sich haben. Sickenberg hat deshalb eine Drehscheibe mitgebracht. Auf der einen Seite wird das derzeitige Alter angezeigt, auf der anderen das wahrscheinliche Sterbealter. Macht Sickenberg den Test, sind die Besucher oft überrascht. Eine Frau, die jetzt 66 Jahre alt ist, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 59,5 Prozent älter als 90 Jahre und immerhin 15,9 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe dürften hundert Jahre alt werden.

Was also tun? Am Anfang steht die schonungslose Erkenntnis. "Es gibt schlicht keinen risikolosen Zins mehr, der das vorhandene Kapital erhält. Und das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben", erklärt Michael Reuss, Geschäftsführer bei Huber, Reuss und Partner, einem größeren Vermögensverwalter in Deutschland. "Wer eine positive Rendite will, muss ins Risiko gehen. Dazu gehört, Schwankungen nach oben und unten zu tolerieren", sagt auch Stefan Heine, Honorarberater bei der Quirin-Bank in Berlin seinen Kunden, von denen viele älter als 50 Jahre alt sind.

Im Alter noch Aktien kaufen?

Aber soll man noch mit 55 oder 60 plus am Kapitalmarkt einsteigen, womöglich Geld in Aktien investieren? Es gibt hier unterschiedliche Ansätze, vom Geldverwalter bis zum Verbraucherschützer sind sich die meisten Experten jedoch einig: Auch Risiken lassen sich managen.

Zunächst folgt die Bestandsaufnahme: Was ist noch an Erspartem vorhanden neben der gesetzlichen Rente? "Diesen Betrag sollte man idealerweise dreiteilen. Einen Teil zur sofortigen immerwährenden Verfügbarkeit, etwa in Form von Tagesgeld oder einem kleinen Anleihedepot, woraus vorhersehbare und unvorhersehbare Zusatzausgaben über die nächsten drei Jahre gedeckt werden können", schlägt Heine vor. Reuss rät eher zu Mischfonds, mit einer kleinen Aktienbeimischung, damit die Rendite nicht gar so mau ausfällt. Aber klar, die Flexibilität kostet: Die Renditen liegen beim Tagesgeld derzeit bei deutlich unter einem Prozent, die Inflation dagegen bei zwei Prozent.

Aktien? Am besten "vermeintlich langweilige Dividendenaktien"

Der zweite Teil des Ersparten gehört nach Meinung der Experten in den Aktienmarkt, am besten "mit einer Entnahmefrist von fünf Jahren oder mehr, damit die Anleger kurzfristige Schwankungen aussitzen können", so Heine. Auch bei Huber, Reuss und Kollegen raten sie Senioren meist "zu einer schrittweisen Erhöhung der Aktienquote", am besten "in vermeintlich langweilige Dividendenaktien, die kaum Kursgewinne, aber gute Dividendenrenditen bringen", so Vermögensberater Reuss. Zwischen drei und 4,5 Prozent liegen die Renditen derzeit bei vielen europäischen Standardwerten - und damit deutlich höher als die Inflation.

Solche Dividendenstrategien lassen sich allerdings zu deutlich geringeren Gebührensätzen auch in Exchange Traded Fonds (ETF) abbilden, die automatisch, ohne Fondsmanager in die stärksten Dividendentitel investieren - allerdings ohne Rücksicht auf die Branche, gibt Reuss zu bedenken. Wer etwa die riskante Bankenbranche oder auch die konsolidierende Telekommunikationsbranche meiden wolle, "sollte lieber aktiv gemanagte Fonds nehmen, in denen diese Risiken vom Fondsmanager aussortiert werden können", erklärt Reuss.

Wie so oft ist das eine Abwägungsfrage: Je größer das Vermögen, desto eher lohnt sich diese spezielle Auswahl. Für den kleineren Geldbeutel, also für Senioren, die stärker auf die Gebühren schauen müssen und einen längerfristigen Anlagehorizont haben, kann auch ein entsprechender ETF das passende Produkt sein.

Und wo sollten die Senioren den dritten Teil des Ersparten sinnvoll anlegen? Hier ist die Spannbreite der Empfehlungen so groß wie die Zahl der Vermögensberater. Die meisten Experten lassen sich nicht festlegen, von Spezialfonds, Unternehmensanleihen oder gar Anlagen in vorbörsliche Firmenbeteiligungen bis hin zu Rohstoffen, Wald und Grund reichen die Vorschläge. Selbst der Kauf einer Zweitimmobilie ist möglich, je nach Vermögen. "Es kommt natürlich auch darauf an, ob dieser dritte Teil für den späteren Eigenbedarf oder für die Enkel angelegt werden soll", sagt Quirin-Berater Heine. Oder auch einfach nur "zur Renovierung oder dem altersgerechten Ausbau der eigenen Immobilie", erklärt Hartmut Schwarz, Finanzreferent bei der Verbraucherzentrale Bremen.

Zu ihm kommen immer mehr Menschen, "die regelmäßig einen höheren Kapitalbedarf haben als ihr Einkommen, zumeist aus der Rente, hergibt". Gleichzeitig schmelzen die ohnehin nicht üppigen Reserven für Unvorhergesehenes, weil sie sich eben nicht ordentlich verzinsen lassen. "Die Negativzinsen und die wachsenden Bankgebühren haben den Druck für viele dieser Senioren erhöht", attestiert Schwarz.

"Viele Senioren wohnen nun in einer mühsam über 30 Jahre und mehr abbezahlten Immobilie. Nun stellen sie aber fest, dass das mietfreie Wohnen alleine nicht als alternative Altersvorsorge zur gesetzlichen Rente ausreicht. Für den Unterhalt oder gar die Renovierung der eigenen vier Wände bleibt sehr wenig oder gar kein Geld", berichtet Schwarz. Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von barrierefreien Zugängen oder Sanitäranlagen sei für diese Klientel oft so nicht möglich - falls nicht Kinder oder Enkel einspringen oder für Kredite bürgen.

Wenn dies nicht infrage kommt, gibt es nur die Möglichkeit, zu verkaufen oder die Immobilie zu verrenten . Eine solche Erkenntnis sorgt bei vielen Senioren aber erst einmal für einen Schock. Das Eigenheim an Fremde hergeben für ein lebenslanges Wohnrecht? Auch auf der Messe sind solche Szenarien Thema, und mancher Besucher, der die Werbebanner sieht, runzelt die Stirn und geht dann schnell weiter. Zum Glück ist der Stand für französische Salami nicht weit.

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