Geisterstadt Tiller in Oregon, USA:Eine ganze Stadt im Angebot

Geisterstadt Tiller in Oregon, USA: Die Grundschule von Tiller gibt es für 350 000 Dollar, inklusive sechs Klassenzimmern, Sporthalle und Spielplatz.

Die Grundschule von Tiller gibt es für 350 000 Dollar, inklusive sechs Klassenzimmern, Sporthalle und Spielplatz.

(Foto: Gillian Flaccus/AP)

3,5 Millionen Dollar für eine ganze Stadt? Das Örtchen Tiller im US-Bundesstaat Oregon steht zum Verkauf - samt Post, Schule und Supermarkt.

Von Kathrin Werner, New York

Für 3,5 Millionen Dollar ist fast die ganze Stadt zu haben. Dutzende leere Grundstücke und sechs Wohnhäuser sind im Paketpreis inbegriffen hier in Tiller, einem langsam sterbenden Städtchen im Bundesstaat Oregon an der Westküste der USA. Mit im Preis sind die Bürgersteige, eine Handvoll Feuerwehr-Hydranten, die Wasser-, Wald- und Bergbau-Rechte, ein kleines Kraftwerk direkt an der Stadtgrenze, die Tankstelle und der General Store im Zentrum. Es ist ein winziger Supermarkt wie aus dem Westernfilm, Hotdog-Grill, Getränkeautomat und der Restbestand an Chipstüten inklusive. Vor der Tür des Ladens weht noch die amerikanische Fahne, er ist erst seit Kurzem geschlossen. Im Fenster hängt ein Schild: "Closed".

Mehr als 100 Hektar Fläche hat Makler Garrett Zoller im Angebot hier in Tiller, die meisten davon sind voll mit dichtem, grünem Wald. Für zusätzliche 350 000 Dollar stehen auch die Grundschule samt ihrer sechs Klassenzimmer, der Sporthalle, dem Klettergerüst, der Rutsche und den Schaukeln zum Verkauf. Seit 2014 lernen hier keine Schüler mehr. Handy-Empfang gibt es in ganz Tiller nicht. "Mach diese Stadt zu deiner", wirbt der Makler. "Es ist eine außerordentliche Gelegenheit."

Es ist idyllisch hier im Süden des Bundesstaats Oregon. Durch das Örtchen plätschert der South Umpqua River, Rehe und wilde Truthähne trippeln durch die Gärten, im Frühling blühen die Obstbäume, die Wälder ziehen sich sanft an den Rändern des Kaskadengebirges hoch. Die Wälder haben einst den Wohlstand nach Tiller gebracht, Tiller war eine Holzfällerstadt. Erst kamen die Männer mit ihren Äxten in den Westen der USA, Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es in Tiller drei Sägewerke. Die Männer blieben und gründeten Familien, die Stadt baute die Grundschule, jemand eröffnete den Supermarkt und die Tankstelle. Seit 1902 gibt es hier eine Post, sie hat noch immer täglich vier Stunden geöffnet, das Grundstück unter ihr steht auch zum Verkauf im Paket für 3,5 Millionen Dollar, das rotgetünchte Holzhaus war einst das Zentrum eines lebhaften Ortes.

Zwei Menschen leben noch in der Stadt, 250 in den umliegenden Wäldern

Heute sind kaum noch Menschen in Sicht. Mit dem Niedergang der Holzindustrie Anfang der Neunziger kam auch der Niedergang Tillers, die Sägewerke schlossen, als die Umweltregeln schärfer und die Subventionen geringer wurden. Eine Familie nach der anderen zog weg. Die Alten starben. Inzwischen ist Tiller beinahe eine Geisterstadt.

Im Städtchen leben noch genau zwei Menschen: der alte Lehrer, der neben der alten Schule wohnt, und der Pastor der örtlichen Kirche, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Ihre Grundstücke stehen nicht zum Verkauf, genauso wenig wie die kleine Kirche. In den umliegenden Wäldern leben etwa 250 Menschen, die nach Tiller fahren, um zum Postamt oder in die Kirche zu gehen und bis vor Kurzem auch in den General Store.

Angeblich gibt es einen Kaufinteressenten

Tiller ist nicht die einzige Beinahe-Geisterstadt in den Vereinigten Staaten, ehemalige Kohle-und Kupferbergbau-Siedlungen und Goldgräber-Städte sind über das ganze Land verteilt. Auch Cahaba, die ehemalige Hauptstadt des Bundesstaats Alabama und einst das Zentrum des lokalen Baumwollhandels, verfällt. Es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel, der alle Geisterstädte des Landes auflistet. Sie sind Schauplätze von Gruselgeschichten und Westernfilmen. Doch meist verfallen diese Orte einfach über die Jahrzehnte, niemand kauft die Häuser auf, wenn die Menschen wegziehen - und sie stehen nie in ihrer rostigen Gesamtheit zum Verkauf.

In Tiller war das anders. Einer der beiden verbliebenen Einwohner des Städtchens, der bemerkte, wie es um ihn herum immer leerer wurde, kaufte den Wegziehenden die Grundstücke ab. Vor drei Jahre starb er, seine Hinterbliebenen wollen die 100 Hektar samt Post und Grundschule jetzt loswerden. Makler Zoller zufolge gibt es einen Kaufinteressenten, der aber anonym bleiben will.

Menschen aus der ganzen Welt hätten sich bei ihm gemeldet und nach Details erkundigt. Bislang sei erst ein Vorvertrag unterschrieben, der Interessent prüfe noch, ob sich der Kauf lohne. So lange nimmt der Makler weiter Angebote entgegen. Man könnte eine Hotelanlage bauen. Vor allem für Freisport-Freunde gebe es viele Möglichkeiten: Angeln, Jagen, Wandern, Fahrradfahren, Reiten und so weiter. "Ihre Vorstellungskraft", wirbt Zoller, "kann hier die Zukunft gestalten."

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