Geheimnisverrat bei Apple, Dell und Co.:Viel Geld für Code K48

Da helfen alle Verbotsklauseln nichts: Wenn das große Geld lockt, geben Geheimnisträger von Hightech-Konzernen wie Apple und Dell vertrauliche Infos weiter. Sogar das iPad war wohl betroffen.

Thorsten Riedl

Vor dem Gericht in San Diego erscheint Walter Shimoon kahl und in weißer Häftlingsmontur. Seinen Anwalt lässt er ausrichten, seine Ehefrau sei gerade im achten Monat schwanger. Sonst schweigt er zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Und die wiegen schwer.

Touchscreens schafften in diesem Jahr den Durchbruch auf dem Massenmarkt  - Apple iPad

Manager sollen vor dem Markteintritt des iPads Informationen zum Produkt preisgegeben haben.

(Foto: dapd)

Shimoon soll die geheimen Pläne von Apple an Investoren verraten haben, die mit diesem Wissen sichere Wetten auf die Aktien des Computerherstellers abgeschlossen haben. Der 39-Jährige war Teil einer Gruppe von Managern aus dem Silicon Valley, die durch den Geheimnisverrat ihr Salär verbessert haben, so die Anschuldigungen des New Yorker Staatsanwalts Preet Bharara.

Die Produktplanungen von Apple gehören zu den am besten gehüteten Geheimnissen in der IT-Industrie - zum Teil aus strategischen Gründen, zum Teil um durch Geheimnistuerei die Neugier möglicher Kunden anzufachen. Strategisch ist die Verschwiegenheit, weil ein Produkt ausreicht, um Millionengewinne für das Unternehmen zu generieren. Mit dem iPhone-Handy beispielsweise hat Apple es geschafft, etablierte Anbieter wie Nokia oder Microsoft zu bedrängen. Nur dieses Produkt allein, das es mittlerweile in der vierten Version gibt, verkaufte sich im abgelaufenen Quartal mehr als 14 Millionen Mal.

Geheimhaltungsvereinbarungen unterschrieben

Kein Wunder, dass sich Investoren brennend dafür interessieren, was Apple in der Mache hat - und das weiß niemand außerhalb des kalifornischen Konzerns besser als die Lieferanten des Unternehmens. "Designed by Apple in California. Assembled in China", so steht auf vielen der Geräte, zu deutsch: "Entworfen von Apple in Kalifornien, zusammengebaut in China".

Flextronics beispielsweise gehört zu diesen Unternehmen, die Geräte für Apple produzieren. Für das Unternehmen war der Angeklagte Shimoon das Bindeglied in Kalifornien. Er wurde von Apple über die neuesten Vorhaben informiert und sollte diese Informationen für die Planungen in Asien übermitteln. An sonst niemanden. Dafür unterschrieb er Geheimhaltungsvereinbarungen.

Shimoon war sich der Vertraulichkeit der Informationen offenbar bewusst. Laut Ermittlungsunterlagen erklärte er in einem aufgezeichneten Telefonat: "Bei Apple feuern sie dich, wenn du K48 außerhalb eines Treffens ohne K48-Manager erwähnst", sagte er. So "verrückt" seien sie bei Apple über das neue Gerät, das eine "ganz neue Kategorie" kreieren werde. Das Produkt K48 wurde erst vor wenigen Monaten vorgestellt: Es handelte sich um den Tabletcomputer iPad.

"Weit über jedwede gesetzmäßige Informationsgewinnung"

Auch in weiteren Fällen hat Shimoon nach Erkenntnissen von Staatsanwalt Bharara sein Wissen weitergegeben. Investoren gegenüber gab sich der Flextronics-Manager offenherzig. Nach Erkenntnissen der New Yorker Staatsanwaltschaft soll er etwa die internen Absatzplanungen für das iPhone 4 verraten haben. Für Dienste erhielt er 20.000 Dollar. Tätig wurde er über eine kalifornische Vermittlungsfirma namens Primary Global Research.

Dieses Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Investoren und Experten aus der Industrie zusammenzubringen. Auf diese Weise hätten Investoren und Analysten "einen strategischen Vorteil, wenn sie eine Investitionsentscheidung treffen", heißt es in der Selbstbeschreibung des Unternehmens.

Die Informationen seien allerdings "weit über jedwede gesetzmäßige Informationsgewinnung" gegangen, erklärt Staatsanwalt Bharara. So war Shimoon auch nicht der einzige Informant auf der Gehaltsliste von Primary Global Research.

Daniel Devore wird beschuldigt Geheimnisse seines Arbeitgebers Dell verraten und dafür 145.750 Dollar kassiert zu haben. Manosha Karunatilaka soll für mehr als 35.000 Dollar die Planungen des Chipherstellers TSMC weitergegeben haben, bei dem er beschäftigt war.

400.000 Dollar für vertrauliche Daten

Mark Anthony Longoria steht unter Verdacht Insiderinformationen des Chipproduzenten AMD preisgegeben zu haben. Er habe Umsatzdaten, durchschnittliche Verkaufspreise, Absatzzahlen und Gewinnspannen an Investoren mitgeteilt, heißt es in den Anschuldigungen. Dafür habe er mehr als 200.000 Dollar kassiert. Insgesamt flossen mehr als 400.000 Dollar für die vertraulichen Daten. Die Staatsanwaltschaft rechnet in den nächsten Tagen mit weiteren Festnahmen.

Unter den Beschuldigten befindet sich mit James Fleishman auch ein Angestellter von Primary Global Research. Gegen eine Kaution von 700.000 Dollar kam er auf freien Fuß. Sein Arbeitgeber hat ihn beurlaubt. Walter Shimoon hatte mit seinem Bemühen, aus der Haft entlassen zu werden, weniger Erfolg. Sein Antrag auf Freilassung gegen Kaution wurde abgewiesen.

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