Geben und Sparen:French Connection

Geben und Sparen: Soldaten vor dem Eingang des Eiffel-Turmes im Januar 2015. Die Ausgaben für Sicherheit wurden erhöht und lasten auf dem Haushalt.

Soldaten vor dem Eingang des Eiffel-Turmes im Januar 2015. Die Ausgaben für Sicherheit wurden erhöht und lasten auf dem Haushalt.

(Foto: Bertrand Guay/AFP)

Frankreich verstößt seit Jahren gegen den Stabilitätspakt. Mit ein paar Tricks will Finanzminister Sapin nun Disziplin zeigen.

Von Leo Klimm und Alexander Mühlauer, Paris/Brüssel

Michel Sapin, möchte man glauben, ist ein Magier der Finanzpolitik. Mit den Leitlinien für den Haushalt 2017, die er am Dienstag vorgestellt hat, löst der Pariser Finanzminister einen für deutsche Kleingeister fast unüberwindbar erscheinenden Gegensatz einfach auf: Sapin will im Superwahljahr nicht nur Steuergeschenke verteilen, sondern auch sparen.

Damit sollen zwei tendenziell widersprüchliche Versprechen eingelöst werden. Einerseits das an die Franzosen, sie würden nach Steuererhöhungen zu Beginn der Amtszeit von Präsident François Hollande pünktlich zur nächsten Wahl entlastet. Andererseits das Versprechen an die europäischen Partner, Frankreich werde nächstes Jahr die EU-Defizitregel von weniger als drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten. Ausgerechnet im Wahljahr hat Sapin einen großen Sparschritt von 3,3 auf 2,7 Prozent vor. "Unsere haushalterische Seriosität hat es uns erlaubt, bei unseren europäischen Partnern Ansehen zurückzugewinnen", so der Minister. Und er bestreitet, dass Zusatzausgaben etwa für ein Jobprogramm das Defizitziel von 2,7 Prozent bedrohen könnten. Dann schaltet er auf Wahlkampfmodus: Die Konservativen, die Steuersenkungen in viel höherem Ausmaß verheißen, seien die eigentliche Gefahr für Frankreichs Finanzen.

Egal ob Ex-Präsident Sarkozy oder Ex-Premier Juppé: Sie wollen einfach nicht sparen

Beim Etat 2017 geht es für Paris um finanzpolitische Glaubwürdigkeit gegenüber der EU-Kommission - und nicht zuletzt gegenüber Deutschland. Sapin legt größten Wert darauf, als seriöser Finanzminister von seinem Amtskollegen Wolfgang Schäuble geschätzt zu werden. Vor dem deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsrat an diesem Freitag ist sein Haushaltsplan daher auch ein Signal an den Partner, dass es Paris wieder ernst nehme mit dem EU-Stabilitätspakt.

Doch allen Beteuerungen zum Trotz stellt sich die Frage, ob man dem Magier Sapin glauben kann. Und was passiert, wenn sich nach der Präsidentschaftswahl im April - zu der Hollande wohl wieder antreten will - erweisen sollte, dass Frankreich das Versprechen nicht hält. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte ja bereits auf die Frage, warum seine Behörde so nachsichtig mit Paris umgehe, geantwortet: "Weil es Frankreich ist." Es sieht so aus, als hätte Sapin aus Brüssel nicht viel zu befürchten, zumal dort der Franzose Pierre Moscovici als EU-Kommissar über den Pakt wacht. Auch er war mal Finanzminister in Paris. Sein Nachfolger: Sapin.

Doch in seiner Rolle als Kommissar will Moscovici erst gar keine Zweifel zulassen. "Egal, ob im nächsten Jahr Wahlen sind oder nicht, Frankreich muss die drei Prozent respektieren", sagt der EU-Kommissar der SZ und sechs weiteren europäischen Blättern. Die Regierung in Paris muss den Entwurf für den Haushalt 2017 im Oktober in Brüssel einreichen. Bis Ende November werden die Zahlen geprüft. Moscovici ist die Kritik an der laxen Auslegung des Stabilitätspakts leid. "Ich habe genug davon, dass wir von allen Seiten attackiert werden - von denen, die mehr Flexibilität fordern, und von denen, die aufs Sparen dringen." Die Kommission habe noch nie eine Entscheidung gegen die Paktregeln getroffen. "Manche mögen Interpretationssache sein, das schon", räumt der Kommissar ein, "aber wir sind eine politische Kommission, wir lassen politische Prozesse in den einzelnen Ländern in unsere Entscheidung einfließen."

Was das für Frankreich bedeutet, wird sich zeigen. Anders als sein Chef Juncker mimt Moscovici den strengen Mahner: "Es darf keine weiteren Verzögerungen geben." Paris müsse den Pakt einhalten. "Es gibt keinen anderen Weg, auch wenn es Frankreich ist", sagt Moscovici.

In seiner Heimat wirft die Opposition Finanzminister Sapin einen für die Wahl geschönten Haushalt vor, in dem die Ausgaben um bis zu 20 Milliarden Euro zu niedrig angesetzt würden. Allerdings planen die konservativen Präsidentschaftsanwärter keineswegs, im Falle einer Regierungsübernahme das Haushaltsloch möglichst schnell zu schließen: Alle aussichtsreichen Kandidaten der Vorwahl - darunter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und Ex-Premier Alain Juppé - werben dafür, die Verschlechterung der Haushaltslage zuzulassen. Ihre Priorität ist, durch Senkung von Steuern und Abgaben die Konjunktur anzukurbeln - was, ohne Ausgabenkürzungen in gleicher Höhe, ein Staatsdefizit klar über der Drei-Prozent-Marke bedeuten würde. Der Zeitung Les Echos zufolge soll Sarkozy parteiintern schon erklärt haben, er werde nach der Wahl mit der EU-Kommission eine weitere Frist verhandeln.

Bis auf Weiteres sind jedoch Hollandes Sozialisten und speziell Sapin verantwortlich. Der Finanzminister greift tief in die Trickkiste, um glaubhaft zu machen, dass er alle Versprechen einlöst - die an die Wähler und die an die EU-Partner. Mit Blick auf die Wähler plant die Regierung, mehr Bürger von der Einkommensteuer auszunehmen als bisher. Statt ursprünglich geplanter zwei Milliarden Euro darf das mit Blick auf den engen Etat aber nur eine Milliarde kosten. Hinzu kommen Abgabenerleichterungen für Handwerker und Landwirte, die Senkung von Unternehmensteuern, die Erhöhung von Beamtenbezügen und ein groß angelegtes staatliches Jobprogramm, das vor der Wahl die Arbeitslosenzahl senken soll. Ein Kostentreiber in Frankreichs Haushalt sind auch die stark gestiegenen öffentlichen Ausgaben für den Schutz vor Terroranschlägen.

Und mit Blick auf die EU-Partner zeigt sich Sapin besonders eifrig bei buchhalterischen Tricks. So zieht er eigentlich erst 2018 fällige Steuerzahlungen von großen Unternehmen und auf Finanzprodukte bereits 2017 vor. Sehr zum Ärger der betroffenen Firmen und Banken. Umgekehrt verbucht die Regierung Mindereinnahmen für den Staat, also diverse Steuervergünstigungen, erst 2018. Bei alledem setzt sie ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Prozent im Jahr 2017 voraus. Die meisten Ökonomen erwarten eher 1,2 Prozent.

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