GDL-Streik bei der Bahn:Der Rechthaber

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Streik der Lokführer bei der Deutschen Bahn: GDL-Chef Claus Weselsky im Oktober im Leipziger Hauptbahnhof (Foto: dpa)

109 Stunden wollen die Lokführer nun streiken, das ist Rekord. Und es ist Beleg dafür, dass GDL-Boss Weselsky rücksichtslos versucht, die Rechte seiner Klientel durchzusetzen. Ein Kurs, der den Arbeitnehmern langfristig sogar schaden könnte.

Kommentar von Daniela Kuhr, Berlin

Es ist ein neuer Rekord: Ganze 109 Stunden wollen die Lokführer diesmal streiken. Das sind fast fünf Tage, in denen der Bahnverkehr lahmgelegt ist. Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, nennt denn auch prompt handfeste Gründe: Die Bahn wolle der GDL ein "Tarifdiktat" aufzwingen. Sie stelle die Koalitionsfreiheit infrage, und Grundrechte würden "mit Füßen getreten". Wer Weselsky in diesen Tagen reden hört, gewinnt den Eindruck: Hier fügt ein Arbeitgeber, noch dazu ein Staatskonzern, einer kleinen Gewerkschaft sehr großes Unrecht zu. Was Weselsky allerdings verschweigt: Die Bahn behandelt die größere Eisenbahngewerkschaft EVG ganz genau so.

Es geht hier somit nicht darum, eine kleine Gewerkschaft zu entmachten. Es geht darum, in diesem völlig verfahrenen Tarifkonflikt zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Die Bahn steht vor dem Problem, dass die GDL erstmals nicht nur für Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter verhandeln will - und umgekehrt die EVG diesmal auch für Lokführer Tarifgespräche führen will. Zu beidem wäre die Bahn sogar bereit. Das Einzige, worauf sie besteht, sind Absprachen, die verhindern, dass in einer Berufsgruppe unterschiedliche Regeln für Löhne, Schichten und Wochenarbeitszeit gelten.

Nach Vorstellung der Bahn dürfte also jede Gewerkschaft für ihre Forderungen kämpfen, und am Ende einigt man sich auf eine gemeinsame Regelung. Nur wenn das nicht gelingt, sollte die GDL bei den Lokführern und die EVG bei den Zugbegleitern das letzte Wort haben. Das aber lehnt die GDL ab, weil damit das Grundrecht, sich gewerkschaftlich vertreten zu lassen, eingeschränkt wird. Das ist zwar richtig, es ist tatsächlich ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit. Aber einer, bei dem viel dafür spricht, sich darauf einzulassen - einfach, weil es vernünftig wäre.

Nicht alles, was man darf, muss man auch durchsetzen

Offenbar hat Weselsky eines noch nicht erkannt: Nur weil jemand ein Recht hat, muss er es nicht auf Teufel komm raus auch durchsetzen. Ein Arbeitnehmer etwa darf vielleicht um 17 Uhr den Griffel fallen lassen. Aber er wird es nicht machen, wenn noch Dringendes zu erledigen ist. Und genauso wenig wird ein Mieter gleich beim ersten kleinen Mangel die Miete kürzen. Man reizt Rechte nicht bis zum Äußersten aus - wenn man an einem guten Verhältnis zum Vertragspartner interessiert ist.

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Selbstverständlich hat die GDL das Recht, für alle ihre Mitglieder Tarifgespräche führen. Anders als Weselsky es darstellt, spricht die Bahn ihr das auch gar nicht ab. Alles, was sie fordert, ist ein bisschen guter Wille zur Kooperation - von der GDL genauso wie von der EVG. Wem wäre auch damit gedient, wenn im Betrieb Zwietracht herrscht, weil die einen Kollegen längere Schichten haben als andere, die anderen dafür aber kürzere Wochenenden? Ein gutes Ziel, um dafür tagelang zu streiken, ist das jedenfalls nicht.

Man sollte mit Rechten verantwortungsvoll umgehen. Wer das nicht macht, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Gesetzgeber auf die Idee kommt, diese Rechte eines Tages zu beschneiden.

© SZ vom 05.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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