Gasstreit:Russlands doppeltes Risiko

Die Preispolitik des Gazprom-Konzerns gefährdet Weißrusslands Regime - und Moskaus Ansehen.

Frank Nienhuysen

Es ist die Zeit der Rückblicke, und sollte auch die weißrussische Führung das Jahr 2006 noch einmal durchforsten, müsste sie eigentlich auf ein Ereignis von Anfang April stoßen.

Pipelines

Auf für die Weißrussen wird das Gas num zum knappen Gut: Pipelines werden nahe der weißrussischen Stadt Neswisch verlegt.

(Foto: Foto: AFP)

Damals kündigte der russische Energiekonzern Gazprom bereits an, Weißrussland müsse von 2007 an dreimal so viel Geld für das russische Gas zahlen wie bisher - mindestens.

Es hätte also genug Zeit gegeben, in Ruhe miteinander zu verhandeln. Statt dessen klingt das Jahr nun mit lauten Drohungen über Lieferstopps aus, so dass auch manche Deutsche schon wieder um ihre warmen Winterabende zittern.

Größere Sorgen aber dürfte vor allem der in die Enge getriebene weißrussische Herrscher Alexander Lukaschenko haben. Beugt er sich dem Fiananzdiktat von Gazprom, könnte schnell das Fundament ins Wanken geraten, auf dem er seine Macht gebaut hat: die von Russland mit Freundschaftspreisen subventionierte Staatswirtschaft.

Eine deutliche Preiserhöhung könnte Lukaschenko daheim teuer zu stehen kommen, sein Handlungsspielraum im Gasstreit ist also gering.

Moskau ist einer der wenigen Verbündeten, die dem weißrussischen Diktator noch geblieben sind, eine offene Konfrontation mit Gazprom und dem dahinter stehenden Kreml kann Minsk nicht gewinnen.

Klammheimliche Sympathie

Ironischerweise müssten nun deshalb im Westen all jene, die das Ende der Lukaschenko-Ära herbeiwünschen, klammheimlich mit der russischen Preistreiberei sympathisieren.

Russlands doppeltes Risiko

Umweltpolitisch sind die niedrigen Tarife ohnehin nicht länger zu rechtfertigen. Denn während Energie fast überall in der Welt ein knappes Gut ist, können es sich die Weißrussen bisher erlauben, sie zu verschwenden.

Doch auch in Russland selber profitieren die Menschen und Unternehmen von dauerhaften Tiefpreisen für Gas. Nur langsam werden in den nächsten Jahren auch für sie die Preise erhöht, was den Verdacht nährt, dass es bei den scharfen Forderungen an Weißrussland eben doch um mehr geht als nur um die fällige Angleichung an den Markt.

Kompromiss

Am Ende wird Gazprom zwar wohl mit einem Kompromiss einverstanden sein, zugleich aber seine Kontrolle über das weißrussische Pipelinenetz stärken. Den Tarif kann es in den nächsten Jahren dann immer noch weiter erhöhen.

Für Russland selbst aber ist diese aggressive Gaspolitik langfristig riskant. Schon jetzt suchen Staaten wie die Ukraine, Georgien, Armenien und Weißrussland nach Alternativen, finden andere Partner oder setzen auf die Kraft neuer Atommeiler.

Auch die Europäische Union ist daran interessiert, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Aus gutem Grund wird Deutschland deshalb als EU-Ratsvorsitzender eine neue Strategie für Zentralasien erarbeiten. Dort nämlich gibt es Länder wie Turkmenistan, auf dessen Gasreichtum selbst Russland angewiesen ist.

Nicht jeden Winter

Noch muss Deutschland nicht fürchten, dass ihm das Gas ausgeht. Aber es wäre schön, wenn dies Politiker und Energieversorger nicht jeden Winter betonen müssten.

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