G-20-Initiative:Zur Schule gehen, arbeiten, Kinder kriegen

G-20-Initiative: Gruppenbild mit Herr: Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu begrüßt IWF-Chefin Christine Lagarde in Ankara.

Gruppenbild mit Herr: Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu begrüßt IWF-Chefin Christine Lagarde in Ankara.

(Foto: Adem Altan/AFP)

IWF-Chefin Lagarde verkündet in Ankara die Gründung der Women's 20. Es geht um Chancengleichheit und Wohlstand. Die Initiative will mehr Frauen in Arbeit und Spitzenjobs bringen.

Von Cerstin Gammelin, Ankara

Die Dame ist von hinten zu sehen, ihr leuchtend weißes Kurzhaar, die Träger des schwarzes Kleides und die elegante Halskette. Um sie herum haben sich sieben gleichfalls elegante Herren gruppiert, die nicken, gestikulieren oder notieren. Madame Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, hat am Samstagabend ihr Team zu einer abschließenden Besprechung in eine schattige Ecke der Terrasse des Tagungszentrums im Sheraton-Hotel zusammengerufen, bevor sie gleich hinausgeht in den großen Pressesaal und erklärt, welche Empfehlungen der von ihr geführte Weltwährungsfonds auf der gerade stattgefundenen G-20-Tagung den Finanzminister und Notenbankgouverneure der mächtigsten zwanzig Volkswirtschaften mitgegeben hat. Madame Lagarde ist das Gesicht des IWF - sie verkörpert die Macht der 188 Mitgliedsstaaten des Weltwährungsfonds und zugleich ein ganz großes Manko. In der Welt der finanzpolitischen Entscheider ist sie fast die einzige weibliche Chefin.

Damit sich das ändert, stellt sich Lagarde am Sonntagvormittag in Ankara noch einmal ganz vorne hin - um die Gründung der Women's 20 zu verkünden und zu feiern. W-20, das ist G-20 für Frauen, gegründet, um ein G-20-Versprechen zu erfüllen. Die G-20-Staaten, die vier Fünftel der Weltwirtschaft einschließen, hatten auf ihrer Tagung im vergangenen Jahr im australischen Brisbane beschlossen, mehr Frauen in Arbeit und Spitzenjobs zu bringen. Bis 2025 soll der Frauenmangel auf dem Arbeitsmarkt um ein Viertel reduziert werden, was zu geschätzt 100 Millionen neuer Jobs führen soll. W-20 nimmt die Herren jetzt in die Pflicht.

Ausgerechnet unter türkischer G-20-Präsidentschaft institutionalisieren weibliche Politikerinnen und Unternehmerinnen ihr neues Selbstbewusstsein. Lagarde wirbt in ihrer Ansprache offensiv dafür, konkret etwas zu tun. Die Gründung der W-20 sei "zeitgemäß", das Ziel sei eine riesige Herausforderung. Aber es gebe 3,5 Milliarden Gründe, warum Geschlechtergleichheit extrem wichtig sei. Sie sei heute hier, um zu erklären, wie das Ziel erfüllt werden kann.

Zuerst aber packt sie Zahlen aus. Würden in den USA genauso viele Frauen wie Männer arbeiten, stiege das Bruttosozialprodukt um fünf Prozent; in Japan um neun Prozent und um 27 Prozent in Indien. Würden mehr Frauen in sichere und gut bezahlte Jobs kommen, stiege das Pro-Kopf-Einkommen - in der Türkei etwa um 22 Prozent. In Agrarländern reduziere der Zugang von Frauen zu landwirtschaftlichen Berufen die Armut um vier Prozent -und damit den Hunger von 100 Millionen Menschen.

Den Zahlen folgt die Warnung. Alle sollten sich bewusst sein, dass Ziele setzen und erfüllen, "zwei total verschiedene Dinge sind". Entschlossen, nachhaltig und gemeinsam sei jetzt zu handeln, fordert Lagarde. Und genau deshalb mache W-20 den Unterschied. W-20 erinnere G-20 an das Versprechen und halte das Gremium in der Verpflichtung, es zu erfüllen. Der IWF werde W-20 unterstützen. Aus neuen Studien über die Rolle der Frauen in der Wirtschaft und gesetzliche Barrieren will sie Handlungsempfehlungen an die Mitgliedstaaten entwickeln lassen.

Lagarde sieht entschlossen aus, als sie drei "unerlässliche Voraussetzungen" aufzählt, die Frauen und Mädchen erfüllen müssen: zur Schule gehen und sich ausbilden lassen. Anfangen zu arbeiten. Und: Eine Familie haben. Lagarde redet noch lange. Sie hört sich so an, als plane sie schon ihre zweite Amtszeit. 2016 läuft die erste aus. In G-20-Runden in Ankara war zu hören, dass Madame Lagarde recht sicher damit rechnen kann, wiedergewählt zu werden. Es fehle nur noch, so erzählten Diplomaten, dass sie ihre Bereitschaft offiziell erklärt.

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