G-20:Handel, Steuern, Klima

Die globale Gemeinde versucht in Baden-Baden, das von US-Präsident Donald Trump geforderte "America first" in die G-20 zu integrieren. Das ist nicht einfach.

Von Cerstin Gammelin, Baden-Baden

Der Sonnenschein vor der Tür korrespondiert nicht wirklich mit der Stimmung des Gastgebers. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die globale Finanzelite an diesem Freitag und Samstag zu einem G-20-Treffen nach Baden-Baden eingeladen. Die Kulisse jedenfalls stimmt, es ist frühlingshaft warm, der Saal des Kurhotels glänzt. 1800 Gäste sind angemeldet, alles läuft reibungslos. Wenn nur die Neuen nicht wären.

Die Neuen, das sind der chinesische Finanzminister Xiao Jie und sein US-Kollege Steven Mnuchin. Beide Minister repräsentieren Schwergewichte in der Runde der G-20. Sie bestimmen maßgeblich mit, welche Weg die globale Gemeinde wählt, um das Wachstum anzukurbeln, Jobs zu schaffen, das Klima zu schützen, Finanzmärkte zu überwachen und freien Handel zu betreiben. In Baden-Baden sind es die beiden, die es den Unterhändlern sehr schwer machen, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu formulieren, in der die Finanzminister und Notenbankchefs sich wenigsten grundsätzlich auf ihre künftige Zusammenarbeit verständigen.

Schäuble, der als Gastgeber eher moderat bis moderierend auftreten muss, spricht am Freitag von "nicht einfachen Diskussionen mit den neuen Kollegen". Er sei trotzdem zuversichtlich, zu "guten Ergebnissen" zu kommen. Wenngleich es "eine Menge Arbeit" kosten werde, die Weltwirtschaft auf stabilem Kurs zu halten. Aber nach den bilateralen Gesprächen "mit den neuen Kollegen aus China und Amerika bin ich zuversichtlich, dass wir die Dinge voranbringen".

Was genau die Dinge sind, die vorangebracht werden sollen bei dem Treffen in Baden-Baden, das die Stadt nach eigenen Angaben immerhin 800 000 Euro kosten wird, lässt Schäuble im Vagen. Was auch daran liegt, dass sein Chefunterhändler zu gleichen Zeit mit den Kollegen aus den anderen G-20-Staaten zusammensitzt und versucht, auseinanderklaffende Interessen in interpretierbare Formulierungen zu binden. Am frühen Nachmittag wollte der erfahrene Sherpa eigentlich fertig sein - und dann den wartenden Reportern aus aller Welt die "Dinge" spezifizieren. Dazu kommt es jedoch nicht. Der Chefunterhändler bleibt unabkömmlich.

Aus G-20-Kreisen verlautet danach, dass es durchaus Fortschritte gibt. Der größte besteht darin, dass alle G-20-Staaten "bestätigen, dass sie weiterhin international kooperieren werden". Es ist ein Bekenntnis, das Sicherheit bringen soll. Dass es nötig ist, zeigt aber auch, dass die G-20, einst gegründet um globale Krisen gemeinsam zu verhindern oder zu bewältigen, selbst in der Existenzkrise steckt. Die Interessen der Länder, einst verbunden durch die Erfahrung der globalen Finanzkrise, driften auseinander. Die USA wollen ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik streng national ausrichten, sie wollen fairen Handel. China bietet sich dagegen als Verfechter des freien Handels an. Ebenso wie Japan und Deutschland. Schäuble beschreibt den Streit um die richtigen Worte in der Abschlusserklärung so: "Es gibt eine bisschen sensible Position über den freien Welthandel. Was das genau ist". Die Amerikaner pochen auf "fair", weil sich darin die nationalen Interessen besser unterbringen lassen. China, Japan und Deutschland drängen auf "frei", weil damit indirekt auch protektionistische Maßnahmen ausgeschlossen werden können. In allen bisherigen G-20.Treffen hatten die Minister sich verpflichtet, keine protektionistischen Maßnahmen zu ergreifen. Seit Trump im Weißen Haus sitzt, ist es mit dieser Selbstverständlichkeit vorbei. Schäuble hatte im Vorfeld angekündigt, das ganze Handelsthema den Staats- und Regierungschefs auf den Verhandlungstisch zu legen.

Die Chefs wollen sich im Juli in Hamburg treffen. Eine wichtige Rolle spielen in Baden-Baden auch Wechselkurse und Steuerpolitik. Einige Länder treibt die Befürchtung um, die vage formulierten Ideen zur Reform des US-Steuersystem könnten den Dollarkurs kräftig ansteigen lassen. Das hätte Auswirkungen auf viele Staaten, insbesondere ärmere, die hoch in Dollar verschuldet sind. Deren Schuldenlast würde stark ansteigen. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung bekräftigten alle G-20-Staaten, auch die USA, dann doch ihre Absicht, einen Abwertungswettlauf zur Erringung von Wettbewerbsvorteilen zu vermeiden. Sie wollten Wechselkurse nicht steuern, um sich einseitig Handelsvorteile damit zu verschaffen.

Für Klimaschutz war in Baden-Baden erst einmal keine Zeit. Die Abschlusserklärung sollte voraussichtlich kein weiteres Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen enthalten. Geben soll es dagegen ein Bekenntnis, die international vereinbarten minimalen Anforderungen zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung großer Konzerne umzusetzen.

Am späten Freitagnachmittag hatte sich auch der Himmel über dem Tagungszentrum zugezogen.

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