Panama Papers:Gemeinsam gegen Steuerbetrug

Panama

Hochhäuser in Panama: Das Land will sich nun auch zu mehr Transparenz verpflichten.

(Foto: Alejandro Bolivar/dpa)

Die 20 führenden Volkswirtschaften wollen gegen Briefkastenfirmen und Geldwäsche vorgehen. Sie rufen zum Austausch von Finanzdaten auf - doch reicht das?

Von Claus Hulverscheidt, Washington

Es war eine beeindruckende Runde, die Wolfgang Schäuble da auf die Schnelle zusammengetrommelt hatte - die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Generalsekretär des Industrieländer-Bündnisses OECD. Und auch ihre Botschaft war klar und unmissverständlich: Ganze zwei Wochen nach dem Bekanntwerden der Panama Papers machen die 20 führenden Volkswirtschaften der Welt (G 20) Ernst gegen Steuerbetrug, Briefkastenfirmen und Geldwäsche.

In der gemeinsamen Erklärung, die alle G-20-Finanzminister nach ihrem Routinetreffen in Washington veröffentlichten, werden alle Länder, Finanzzentren und Überseegebiete aufgefordert, sich am geplanten automatischen Informationsaustausch von Steuer- und Finanzdaten zu beteiligen. Außerdem sollen alle Staaten sogenannte Firmenregister erstellen, aus denen hervorgeht, wer die tatsächlich "wirtschaftlich Begünstigten" eines jeden Unternehmens sind, wer also zum guten Schluss die Gewinne einstreicht. Dies ist heute oft nicht ersichtlich, weil die wahren Besitzverhältnisse mithilfe von Briefkastenfirmen verschleiert werden. Hier für Transparenz zu sorgen sei "der Schlüssel" im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus, sagte Schäuble.

Ob den Ankündigungen der G 20 tatsächlich Taten folgen werden, bleibt allerdings in einer ganzen Reihe von Ländern abzuwarten. In China etwa sind Führungskader der Kommunistischen Partei offenbar selbst in Offshore-Geschäfte verwickelt, in Russland sind es enge Freunde von Präsident Wladimir Putin. Offen ist auch, ob Großbritannien tatsächlich bereit ist, seine Überseegebiete in vollem Umfang in den Datenaustausch einzubeziehen. Dass die USA die Steueroasen im eigenen Land vollständig schließen, ist ebenfalls höchst unwahrscheinlich.

Immerhin kündigte US-Finanzminister Jacob Lew am Rande des G-20-Treffens an, er werde die Aktivitäten einiger Bundesstaaten genauer durchleuchten lassen. In einer ganzen Reihe dieser Staaten lassen sich ebenso legal wie preiswert Briefkastenfirmen gründen, etwa in Wyoming und Nevada. Delaware wiederum bietet sich als eine Art Verschiebebahnhof für Unternehmensgewinne an mit dem Ziel, die Steuerlast erheblich zu drücken. In dem kleinen Staat an der US-Ostküste sind mehr als eine Million Firmen registriert, er hat damit mehr Firmen als Einwohner.

Die G-20-Minister kündigten in ihrer gemeinsamen Erklärung an, dass nicht kooperationswillige Staaten mit "Abwehrmaßnahmen", also Sanktionen, rechnen müssten. Das soll für solche Länder gelten, die bis zum G-20-Gipfel im Jahr 2017 keine ausreichende Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt haben. "Es wird einen Schlag mit dem Hammer gegen diejenigen geben, die ihre Steuern in dunklen Ecken verstecken", sagte der britische Finanzminister George Osborne. Bisher haben rund 100 Staaten angekündigt, sich am automatischen Austausch von Steuer- und Finanzdaten zu beteiligen. Er soll 2017 beginnen.

Zumindest in Panama zeigte die Drohung der G-20-Staaten erste Wirkung: Nach langem Zögern erklärte sich das mittelamerikanische Land bereit, Daten zumindest bilateral auszutauschen. "Panamas Weg zu mehr Transparenz ist unumkehrbar", erklärte Vizepräsidentin und Außenministerin Isabel de Saint Malo. Die panamaische Finanzkanzlei Mossack Fonseca steht im Mittelpunkt des jüngsten Skandals um Briefkastenfirmen und systematischen Steuerbetrug. Sie hatte Spitzenpolitikern, Sportstars und anderen mehr oder weniger Prominenten dabei geholfen, Geld in Steueroasen zu verschieben.

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Schäuble sagte, es sei in Washington gelungen, den Schwung aus der Veröffentlichung der Panama Papers zu nutzen, um mehr Dynamik in dieses Vorhaben zu bringen. International wachse das Bewusstsein, dass Steuerflucht und Geldwäsche die globale Wirtschaftsentwicklung behinderten. Die G-20-Staaten beauftragten die OECD sowie die internationale Anti-Geldwäsche-Arbeitsgruppe FATF damit, Vorschläge für den Datenaustausch über die Hintermänner und wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen zu erarbeiten. Sie sollen die von der OECD erstellte schwarze Liste der Steueroasen ergänzen.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International bezeichnete die G-20-Beschlüsse jedoch als "nicht weitgehend genug". Sie würden "als Hammerschlag angepriesen, seien aber nicht mehr als ein Wischer mit der Fliegenklatsche", hieß es. Der Datenaustausch unter den Behörden reiche nicht, vielmehr müssten die Informationen über die Nutznießer von Briefkastenfirmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Deutschland allein zu Hause

Der Tabu-Bruch des Bundesfinanzministers sorgt weltweit für Aufsehen. Wolfgang Schäuble (CDU) hatte kürzlich erklärt, der Erfolg der rechten AfD sei zu 50 Prozent auf die Geldpolitik von Mario Draghi zurückzuführen, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Es war die erste politische Kritik der Bundesregierung an der Notenbank, die dem Statut nach eine unabhängige Geldpolitik für die Euro-Zone als Ganzes machen muss. Aus der globalen Finanzelite springen Ökonomen und Finanzminister Draghi bei. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld sagt der SZ, die EZB habe wegen des Kampfes gegen die Deflation, "der noch nicht gewonnen ist", ein "ziemlich aggressives Instrumentarium ausgepackt". Er sehe "Spielraum für die Notenbank, um weitere Maßnahmen zu ergreifen". Speziell an die deutsche Adresse gerichtet ist seine Sorge, "dass zur Obsession wird, nur auf den Schuldenstand zu schauen und dann falsch zu kalkulieren: Wenn eine Regierung im Umfeld der extrem niedrigen Zinsen sich Geld leiht um in produktive Infrastruktur zu investieren, kann das die Schuldenstände stabilisieren, weil auch das Bruttosozialprodukt steigt." Auch IWF-Europa-Direktor Poul Thomsen lässt keinen Zweifel an der EZB: "Wir sind ganz klar der Ansicht, dass die Notenbank das Richtige tut."

Im US-Kongress gibt es zwar auch immer wieder Kritik an der Nullzinspolitik der Notenbank Fed. Die Auswirkungen auf die dortigen Sparer sind ähnlich wie in Europa. Zudem ist mit der Tea Party eine starke Bewegung am rechten Rand entstanden, die der AfD ähnelt. Aber niemals ist ein Kabinettsmitglied, der Finanzminister gar, auf die Idee gekommen, sich Aussagen der Kritiker zu eigen zu machen und Öl ins Feuer zu gießen. Schäuble hatte seinen US-Kollegen Jacob Lew jüngst gewinnen wollen, in einer gemeinsamen Aktion die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks zu einer Beendigung ihrer ultra-lockeren Geldpolitik zu drängen - offenbar erfolglos. Aus Lews Sicht wird global nicht zu viel zur Konjunkturbelebung getan, sondern zu wenig. Da die Mittel der Notenbanken begrenzt seien, müssten Staaten mit geringen oder gar keinen Haushaltsdefiziten mehr Geld in Konsum und Investitionen stecken und das Wachstum insgesamt ankurbeln, sagte Lew bei der IWF-Tagung. Länder wie China und Kanada hätten das zuletzt getan, andere nicht, gemeint ist: Deutschland. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman bezeichnet den Druck Schäubles auf Draghi als unerträglich. "Die deutschen Politiker beschimpfen die einzige Institution in Europa, die noch handlungsfähig ist und sich mit Macht gegen die Krise stemmt. Man sieht bei ihnen über die Jahre überhaupt keinen Lerneffekt."

Kritik an Schäuble kommt auch aus der Euro-Zone. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin sagt, sein Land habe schmerzlich lernen müssen, die Unabhängigkeit der Notenbank vollständig zu respektieren. "Ich hoffe, dass unsere deutschen Freunde sich an diesen Punkt erinnern." Cerstin Gammelin und Claus Hulverscheid

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