Fußball:Voll im Trend

VfB Stuttgart

Das Logo des VfB: Die Vereinsmitglieder haben sich mit deutlicher Mehrheit für die Ausgliederung der Profiabteilung entschieden.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Die Profiabteilung des VfB Stuttgart wandelt sich in eine Aktiengesellschaft. Daimler ist einer der ersten Investoren.

Von Anna Dreher

Die Mitglieder des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart haben sich knapp zwei Wochen nach dem Wiederaufstieg in die erste Liga dafür entschieden, die Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft, eine AG, auszugliedern. Einer der Investoren wird die Daimler AG sein. Die Zusage von Daimler hatte der VfB schon vor der Abstimmung am Donnerstag. Für 11,75 Prozent Anteile erhält der Klub 41,5 Millionen Euro vom Automobilkonzern. Der Vereinswert beträgt damit laut einer externen Bewertung 353 Millionen Euro. Insgesamt will der VfB Stuttgart mit dem Anteilsverkauf 100 Millionen Euro einnehmen und alles in allem in den nächsten Jahren maximal 24,9 Prozent an höchstens fünf Partner veräußern.

Der VfB folgt damit einem Trend in der Bundesliga. Mit den Stuttgartern verschwindet ein weiterer Klub aus der ohnehin schon kurzen Liste eingetragener Vereine (e. V.) in der Bundesliga, die trotz ihres offiziellen Vereinsstatus längst zu Unternehmen geworden sind. Aus der aktuellen Saison sind das der FC Schalke 04, der 1. FSV Mainz 05 und der SC Freiburg.

Die Stuttgarter hoffen auf eine "sportliche und finanzielle Aufwärtsspirale"

Ansonsten stehen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) wie beispielsweise Bayer 04 Leverkusen, die TSG Hoffenheim, der VfL Wolfsburg oder RB Leipzig in der Tabelle. Hinzu kommen Aktiengesellschaften (AG) wie der FC Bayern München, Eintracht Frankfurt und der Hamburger SV. Borussia Dortmund, Hertha BSC oder der 1. FC Köln sind in Kommanditgesellschaften auf Aktien (GmbH & Co. KGaA) organisiert, die es den Vereinen ermöglicht, ihre Anteile einem breiten Anlegerpublikum zu öffnen. Die GmbH ist in Vereinsbesitz und bestimmt die Geschäftsführung. Dadurch behält der Klub die Kontrolle, selbst wenn er wie Dortmund als einziger an der Börse notierter deutscher Profiverein mit 5,53 Prozent nicht mehr die Mehrheit der Unternehmensanteile hält.

International sind an den Börsen 30 Fußballvereine gelistet, darunter der italienische Champions-League-Finalist Juventus Turin, Olympique Lyon oder Ajax Amsterdam. Tottenham Hotspur ging als Pionier schon 1983 an die Börse, Manchester United folgte 1991 und hat seitdem mehr als zwei Milliarden Euro eingenommen. Die Aktien von Fußballklubs gelten in der Regel jedoch als spekulativ und riskant. Während der Wechsel zu AG oder GmbH mit der Hoffnung auf sportlichen Erfolg gleichgesetzt wird, zeigen zwei der erfolgreichsten Fußballklubs, dass es auch anders geht: Mit Real Madrid und dem FC Barcelona stehen zwei eingetragene Vereine an der Spitze. Vorn dabei ist aber auch Bayern München, eine Aktiengesellschaft, an der mit Adidas, Audi und der Allianz (zu je 8,33 Prozent) drei Unternehmen beteiligt sind. Die dahinter gelisteten englischen Klubs Manchester City und FC Arsenal sind als Limited Company (Ltd.) nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften.

Die Stuttgarter haben den Schritt zu einer AG mit einer deutlichen Mehrheit getan. 7664 Mitglieder stimmten für die "VfB Stuttgart 1893 AG": Das waren genau 84,2 Prozent und damit deutlich mehr als die erforderlichen 75 Prozent. Der Grund für die Entscheidung ist der gleiche, der auch bei den anderen Klubs zu einer Ausgliederung geführt hat. Sie hoffen auf eine finanzielle und sportliche Aufwärtsspirale. Die Logik dahinter: Geld ermöglicht Erfolg, Erfolg bringt neues Geld und das wieder Erfolg - so lautet die Gleichung, auf die sie nun auch beim schwäbischen Traditionsverein setzen und ohne die im Profifußball scheinbar nichts mehr geht.

Vereinspräsident Wolfgang Dietrich, 68, seit Oktober 2016 im Amt, betont, es gehe nicht allein um die reine Kapitalbeschaffung. Der Verein habe durch eine chaotische Transferpolitik und den damaligen Abstieg 100 Millionen Euro verloren und sei nicht mehr konkurrenzfähig im Vergleich mit den großen Klubs. "Es geht auch um professionellere, schnellere Arbeitsweisen und eine andere Position auf dem Spielermarkt. Die Branche weiß künftig, dass wir liquide sind", sagte der früher Software- und Sportmarketing-Unternehmer. "Nach meiner Auffassung ist die AG die perfekte Ergänzung zum e. V."

Ausgliederungen sind deutschen Vereinen offiziell seit Oktober 1998 möglich, vorausgesetzt sie besitzen mindestens die Hälfte der Stimmanteile plus einen weiteren Stimmanteil, festgelegt als 50+1-Regel. Erst wenn sich ein Investor mehr als 20 Jahre engagiert hat, darf er die Mehrheit der Stimmen übernehmen - wie es in Wolfsburg und Leverkusen der Fall ist.

"Mercedes hat nun wirklich keine Ambitionen, den Verein zu übernehmen."

In Stuttgart wird seit 15 Jahren über eine Ausgliederung nachgedacht. Mit dem direkten Wiederaufstieg in die erste Bundesliga war das Momentum für diesen Schritt so günstig wie selten - auch wenn es nach wie vor kritische Stimmen gibt. Für viele Fans sind Investoren gleichbedeutend mit einem Ende einer Tradition, die sie unbedingt bewahren wollen. Eine Übernahme des Vereins durch Geldgeber steht beim VfB jedoch offiziell nicht bevor. Die Daimler AG sieht sich als strategischer Partner ohne Gewinnerwartung. "Es ist doch ein Glücksfall, einen Investor zu haben, um den einen die halbe Fußballwelt beneidet", sagt Dietrich. "Mercedes hat nun wirklich keine Ambitionen, den Verein zu übernehmen, das muss niemand befürchten."

Viele erwarten, dass sich Kapitalgesellschaften in den nächsten Jahren gegenüber Vereinen weiter durchsetzen werden. In anderen deutschen Ligen wie der Handballbundesliga oder der Deutschen Eishockey Liga gibt es bereits ausschließlich Vereine in dieser Form. Die Vorteile liegen in den gegebenen Wettbewerbsstrukturen bei den Klubs. Ein gemeinnütziger Verein, der sich wirtschaftlich engagiert, kann genau diesen Status verlieren. Und: Bei einer Insolvenz der Profimannschaft leiden in der Regel alle Abteilungen. Eine Ausgliederung bietet neben einem größeren finanziellen Spielraum also auch den Vorteil, dass die Kapitalgesellschaften das Risiko einer Insolvenz verringern.

Für Wolfgang Dietrich war bei der Berücksichtigung aller Faktoren vor allem ein Bundesligist vorbildhaft: "Die Struktur beim FC Bayern finde ich perfekt. Das sind drei seriöse Anteilseigner, die dem Klub eine Mehrwert bringen, die sich gegenseitig nicht wehtun und die es nicht nötig haben, in irgendeiner Form Geld rauszuziehen." Gegen einen ähnlich großen sportlichen Erfolg wie den der Münchner hätte der VfB Stuttgart wohl auch nichts einzuwenden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: