Fußball in der VR-Brille:Im Pixelgestöber

TV-Sender experimentieren mit Übertragungen auf Virtual-Reality-Brillen. Ja, man ist dadurch manchmal mitten im Geschehen statt nur dabei. Doch wehe, wenn die Spieler abseits der Kameras unterwegs sind.

Von Helmut Martin-Jung

Der Ball kullert über die Seitenauslinie, direkt auf einen zu. Und kurz blitzt der Gedanke auf, ob man ihn vielleicht zurück spielen soll zu Philipp Lahm oder Thomas Müller - wäre doch mal lässig, so vor 75 000 Zuschauern in der Allianz-Arena. Doch das geht nicht.

Nicht bloß, weil man nicht einfach so neben dem neuen Bayern-Trainer Carlo Ancelotti in der Coaching-Zone auftauchen kann. Das Spielfeld ist auch etwa 20 oder 30 Meter weit weg und man selbst in einem fensterlosen Raum in den Katakomben der Arena - mit einer Computer-Brille vor den Augen und Kopfhörern auf. Alles virtuell also, dafür aber live, in 3D und mit 180-Grad-Blick.

Wie sowas geht? Die amerikanische Firma Next VR demonstrierte beim Auftaktspiel zur neuen Bundesliga-Saison in der Münchner Arena dem Bezahlsender Sky ihr System, das sie in der Heimat schon in verschiedenen Sportarten ausprobiert haben, zum Beispiel beim Basketball. Das Spiel in Virtual-Reality-Technik wird vom Sender Fox live in verschiedenen Ländern übers Internet gesendet - nicht allerdings in Deutschland.

Rund ums Grün hat Next VR insgesamt sieben Kameras postiert, immer direkt hinter der Werbebande, also möglichst nah am Geschehen. Warum, das erklärt Danny Keens von Next VR so: "Man kann mit den Kameras nicht zoomen, je näher man dran ist, desto besser."

InfoDie Technik hinter Next VR

Bezahlsender müssen etwas bieten fürs Geld, daher verwundert es nicht, wenn Sky Deutschland immer wieder Neuheiten ausprobiert und darauf testet, ob die Technik auch wirklich funktioniert und ob sie beim Zuschauer ankommt. Für den Test des Next-VR-Systems stellte die US-Firma an sieben Positionen Kamera-Systeme auf. Zwei Kameras des Herstellers Red sind dabei jeweils zu einem sogenannten Rig zusammengebaut. Ein solches Rig kostet etwa 80 000 Dollar. Sie alle werden über ein Glasfaserkabel mit dem Übertragungswagen verbunden. Dort laufen alle Signale ähnlich wie bei einer herkömmlichen Übertragung auf Monitoren auf, der Regisseur wählt aus, welches Bild gezeigt werden soll. Die Objektive der beiden Kamera erfassen zusammen einen Blickwinkel von 180 Grad. Man kann mit der VR-Brille zwar auch nach hinten gucken, doch dort findet sich nur eine virtuelle Werbefläche. Ab und zu blendet der Regisseur in das Live-Bild auch die Wiederholung einer Szene ein. Der Kommentator weist dann darauf hin, mal eben kurz nach oben zu blicken.

Ein volles Rundum-Erlebnis zu liefern, wäre zwar im Prinzip möglich. Es würde nach Einschätzung von Michael Davies, dem technischen Leiter von Fox TV, aber die Datenmenge beträchtlich steigern, dafür jedoch nur auf die Dauer langweilige Bilder des Publikums liefern. Um den Datenstrom zu berechnen, den die sieben Doppelkameras liefern, sind ein paar Racks mit Servern notwendig. Diese sorgen dafür, dass Bilder schon aufbereitet in den Ü-Wagen kommen. Von dort wird auch der Ton gesteuert, der sich mit der Perspektive ändert. Helmut Martin-Jung

Das zeigt sich dann auch während des Spiels. Am beeindruckendsten ist die Technik tatsächlich, wenn die Kicker ganz nah an der Kamera sind. Wie schnell das Spiel ist, wie intensiv um den Ball gekämpft wird, erst dann wird es richtig deutlich. Sind die Spieler dagegen weit von den Kameras weg, fällt die größte Beschränkung dieser Technik deutlich ins Auge: Die Auflösung der VR-Brille ist einfach noch zu schlecht.

Das Bild, das die in dem Versuch verwendete Samsung Gear VR anzeigt, wirkt, als säße man an einem Fernseher viel zu nahe dran. Die einzelnen Bildpunkte sind erkennbar, das Bild wirkt grießig. Verlagert sich das Spiel weg von den Kameras, die an einer Seitenlinie, an den beiden Torauslinien und hinterm Tor postiert sind, wird es daher schwer, die Spieler überhaupt noch zu erkennen. Inzwischen ist man eben auch die brillanten HD-Bilder gewöhnt, die bei Sportübertragungen längst Standard sind. Auch Fernseher mit noch höherer Auflösung, genannt UHD oder 4K, sind bereits auf dem Markt.

Es ist als spränge man in einer Sekunde mal eben von der Mittellinie neben das Tor

Ein anderes Problem, das sich bei VR-Übertragungen auftut: Wer bestimmt, was in der Brille angezeigt wird? Next VR versuchte es in München mit einem erfahrenen Fußballregisseur. Der saß wie sonst auch in einem Übertragungswagen draußen vor dem Stadion und wählte aus den Bildern der sieben Kameras das aus, was die Tester auf ihren Brillen schließlich zu sehen bekamen.

Fußball in der VR-Brille: Je näher, je besser: Eines der Kamerasysteme für 180-Grad-Bilder vom Bundesliga-Auftakt in der Münchner Arena.

Je näher, je besser: Eines der Kamerasysteme für 180-Grad-Bilder vom Bundesliga-Auftakt in der Münchner Arena.

(Foto: Sky/Tobias Kurig)

Doch weil man mit den Brillen viel intensiver im Geschehen ist, als beim gewöhnlichen TV-Gucken, dauert es auch etwas länger sich zu orientieren, wenn der Regisseur die Kamera wechselt. Es ist, als spränge man in einer Sekunde mal eben von der Mittellinie neben das Tor. Immerhin: Übel wird einem dabei anders als bei manchen VR-Spielen nicht.

Ob es aber tatsächlich einen Markt dafür gibt, sich ein ganzes Spiel mit einer auch noch recht schweren Brille anzusehen, darf man wohl bezweifeln. Was dagegen funktionieren könnte, wäre ein Zusammenschnitt wichtiger und für diese Technik geeigneter Szenen, das ein Anbieter wie Sky den Kunden als Zusatzschmankerl servieren könnte. Mit der Zeit wird die Auflösung der Brillen sicher auch steigen. Ob sich das Ganze dann aber auch lohnt - der Aufwand für die VR-Produktion ist ziemlich hoch - ist jedoch eine ganz andere Frage.

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