Fußball-EM 2012:Bangen mit den Streichkandidaten

Die Uefa entscheidet über die ukrainischen EM-Spielorte. Ein Votum gegen eine Stadt hätte auch für deutsche Unternehmen negative Folgen.

Johannes Aumüller

Christian Hoffmann kann mittlerweile ganz entspannt auf die Entwicklungen in der Ukraine blicken. Für das Hamburger Architekturbüro GMP verantwortet er den Umbau des Kiewer Olimpijskij-Stadions für die EM 2012 - und obwohl die Wirtschaftskrise dem Land zu schaffen macht, die politische Stabilität zu wünschen übrig lässt und die ständigen Berichte bezüglich der unbefriedigenden EM-Vorbereitung für Verunsicherung sorgen, darf sich Hoffmann sicher sein, dass das Kiewer Stadion-Projekt zu Ende geführt wird.

Fußball-EM 2012: In der Ukraine und in Polen (im Bild Warschau) wird derzeit viel für die EM 2012 gebaut.

In der Ukraine und in Polen (im Bild Warschau) wird derzeit viel für die EM 2012 gebaut.

(Foto: Foto: AFP)

Im Mai hat die europäische Fußball-Union Uefa die Landeshauptstadt als bisher einzige ukrainische EM-Spielstätte bestätigt. Die Fertigstellung des Olimpijskij ist sowohl für die ukrainische Politik als auch die ukrainische Gesellschaft das Prestigeprojekt schlechthin, die Kiewer Verantwortlichen hoffen sogar darauf, dass dort das Turnierfinale ausgetragen wird. "Das Projekt ist schon eine Herausforderung, wir merken derzeit aber gar nichts von irgendwelchen Einschränkungen", sagt Christian Hoffmann, der aber auch gesteht: "Nach der Entscheidung der Uefa im Mai war die Erleichterung bei uns schon groß."

Doch nicht alle deutschen Firmen, die sich derzeit in dem neben Polen zweiten Gastgeberland der EM 2012 engagieren, können in diesen Tagen so erleichtert sein wie Hoffmann. In allen weiteren Kandidatenstädten (Charkow, Donezk, Lemberg/Lwiw) sind deutsche Unternehmen in große Infrastrukturprojekte involviert oder an großen Infrastrukturprojekten interessiert. Aber ob in diesen Städten überhaupt EM-Spiele stattfinden, entscheidet sich erst bei der am Mittwoch beginnenden Tagung des Uefa-Exekutivkomitees auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira.

"Sollte die Uefa einer Stadt den Spielortstatus entziehen, wäre dies bedauerlich und negativ für die deutschen Firmen. Für die Ukraine wäre dies nicht gerade imagefördernd", sagt Karin Rau, Delegierte der Deutschen Wirtschaft in der Ukraine.

Die Wirtschaftsaktivitäten deutscher Unternehmen in der Ukraine sind grundsätzlich groß. Nach Zypern ist die Bundesrepublik der offiziell zweitgrößte Investor des Landes, wobei hinter den zypriotischen Anlagen oftmals russisches Geld steckt. Seit der Unabhängigkeit der Ukraine haben deutsche Firmen mehr als sechs Milliarden Euro investiert. Rund 1300 deutsche Firmen sind in der nach der Bevölkerung zweitgrößten ehemaligen Sowjetrepublik tätig. So kommt die enorme Präsenz vor der EM 2012 nicht von ungefähr, sondern verstärkt einen schon länger anhaltenden Trend.

Der Bedarf für viele Investitionen ist da. Wann immer die Inspektoren der Uefa in den vergangenen Monaten vor Ort waren, rügten sie die mangelnde Infrastruktur: Hotels, Flughäfen und Straßen gab es nicht, in zu geringem Maße oder in zu geringer Qualität. Das sollen nun ausländische Firmen ändern, oftmals deutsche. Beispielhaft zu sehen ist das in der westukrainischen 735.000-Einwohner-Stadt Lwiw, die unter Beobachtern als erster Streichkandidat gilt. Die Analyse des Verkehrsaufkommens erledigte eine deutsche Firma, den Bau der Rasenheizung fürs Stadion soll eine deutsche Firma übernehmen, und ein Münchner Architekturbüro hat nach einigen Gesprächen mit den Verantwortlichen vor Ort gute Chancen, den Auftrag für die zirka 20 Millionen Euro teure Sanierung eines Flughafenterminals zu bekommen; weitere Projekte sind angedacht.

Auf einigen Gebieten hat die Ukraine sogar so viel Nachholbedarf, dass zwischenzeitlich der Gedanke aufkam, ihr den Status als Gastgeberland zu entziehen und sich nach einem Ersatzkandidaten umzuschauen. Unter anderem galt als mögliche Lösung, dass zwei oder gar vier deutsche Städte die polnischen Städte ergänzen könnten, mancher Fan hierzulande träumte bereits von einem zweiten Sommermärchen. Doch diese Pläne sind vom Tisch, es geht auf Madeira nur noch um die Frage, wie viele ukrainische Städte EM-Ort werden - und aus deutscher Perspektive bleibt lediglich die Hoffnung auf ein wirtschaftliches Sommermärchen.

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