Fußball:Alles auf Angriff

Beijing's Ultras A Part Of Growing Football Culture In China

Fußball wird bei den Chinesen immer beliebter. Das zeigte sich beim Besuch von Bayern München. Im Bild Fans von Beijing Guoan nach einem Tor.

(Foto: Kevin Frayer/Getty Images)

Chinas Staatschef Xi Jinping will die WM in sein Land holen. Und die Wirtschaft investiert in den Sport - auch in Europa.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Bei seinem Staatsbesuch kürzlich in Großbritannien schnupperte Chinas Präsident Xi Jinping ein bisschen Luft der englischen Fußballliga. Xi besuchte das Etihad-Stadion in Manchester und traf dort auf Spieler und Ex-Profis der beiden örtlichen Rivalen Manchester City und Manchester United. Der Ausflug machte Fußballfan Xi sichtlich Spaß. Er ließ sich sogar zu einem Selfie mit City-Stürmer Sergio Agüero überreden.

In der heimischen Chinese Super League (CSL) weht indes ein anderer Wind. Die Besten der Besten spielen dort nur, wenn sie ihre Glanzzeit schon hinter sich haben. Dennoch hat die chinesische Liga Ende Oktober einen neuen Fernsehvertrag abgeschlossen, mit der sie in eine neue Dimension vorstößt. Für die Vermarktung ihrer TV-Bilder in den kommenden fünf Jahren kassiert die CSL umgerechnet fast 1,15 Milliarden Euro, also rund 230 Millionen pro Saison. Das ist zwar noch weit entfernt von dem, was in England oder Deutschland gezahlt wird. Doch im Vergleich zur laufenden Spielzeit, die mit geradezu mickrigen sieben Millionen Euro vergütet wird, ist es eine Steigerung von etwa 3200 Prozent. Verbandsfunktionäre schwärmten von einem "historischen Tag" und versprachen, die Talent- und Jugendförderung mit dem Geld zu professionalisieren.

Rechtekäufer war die China Sports Media Co Ltd., ein vergleichsweise unbekannter Sportrechtehändler aus der Volksrepublik, der zum Imperium des Medienmoguls Li Ruigang gehört. Mit seinem Investment setzt Li einen Trend fort, der sich seit einer Weile andeutet. Chinesische Unternehmer haben den Sport als zukunftsträchtige Anlage und als Vehikel für ihre Geschäftsinteressen entdeckt. Und sie sind bereit, viel Geld auf den Tisch zu legen, auch wenn, wie etwa bei der CSL, qualitative Mängel unübersehbar sind. "Die große Investition basiert auf unserer Überzeugung, dass der Wert der Liga wachsen wird. China hat große Ambitionen, seine Sportindustrie zu fördern und das Management und die Verwaltung des Fußballbetriebs in China zu reformieren", begründete Konzernchef Li den hohen Preis.

Der Preis für die TV-Rechte der Profiliga stieg um 3200 Prozent

Interesse an den Fernsehrechten hatte auch der Schweizer Vermarkter Infront. Der gehört seit Anfang des Jahres ebenfalls einem Chinesen: dem schwerreichen Immobilienmogul Wang Jianlin. Wang hatte für 1,2 Milliarden Dollar 68 Prozent an der Firma übernommen, die auch Spiele der deutschen Nationalmannschaft oder des DFB-Pokals weltweit vermarktet. Wie wichtig Wang der Kauf von Infront war, offenbarte der stolze Preis. Er zahlte das Doppelte von dem, was die Vorbesitzer einst für ihre Mehrheit investiert hatten.

Schon wenige Wochen zuvor hatte Milliardär Wang mit dem Einstieg beim spanischen Fußball-Erstligisten Atlético Madrid auf sich aufmerksam gemacht. Für 45 Millionen Euro sicherte er sich einen 20-prozentigen Anteil an dem Traditionsklub. "Wang Jianlin ist sich im Klaren darüber, dass die große der Zeit der Immobilien in China vorbei ist. Der Fußball aber entwickelt sich hierzulande. Deswegen investieren er und andere Geschäftsleute so entschlossen in den Sport", sagt der Journalist Liu Xiaoxin, Chefredakteur der Fußballzeitung Zuqiu Bao.

So stieg zum Beispiel Alibaba-Chef Jack Ma im vergangenen Jahr mit umgerechnet fast 200 Millionen Dollar beim chinesischen Serienmeister Guangzhou Evergrande ein, der seitdem den Beinamen Taobao trägt. Taobao ist das größte Onlineportal im Alibaba-Kosmos. Im kommenden Jahr wollen Ma und Klubchef Xu Jiayin den Verein als ersten asiatischen Klub an die Börse bringen. 2016 sollen dann endlich auch Gewinne erwirtschaftet werden. Denn trotz aller sportlichen Erfolge, darunter der neuerliche Gewinn der kontinentalen Champions League vor wenigen Tagen, verzeichnet Guangzhou im laufenden Jahr einen Verlust von umgerechnet rund 40 Millionen Dollar. Manche Beobachter halten die Investition von Ma deshalb für wirtschaftlich unsinnig, weil es wegen der unverhältnismäßig hohen Gehälter für ausländische Trainer und Torjäger fast unmöglich sei, ins Plus zu drehen. Doch es wird gemunkelt, wichtiger als eine profitable Rendite seien Ma die öffentliche Aufmerksamkeit und die Verbesserung von Beziehungen zu örtlichen Partnern und Parteikadern.

Alibaba-Chef Jack Ma stieg beim Meister Guangzhou Evergrande ein

Anfängliche Verluste nimmt auch Li Ruigang mit dem Erwerb der TV-Rechte in Kauf, wie er sagt. In einigen Jahren werde sich die Milliardeninvestition auszahlen. Das Onlineportal China Sports Insider hält den Kauf jedoch für ein reines Glücksspiel. Weil abgesehen von qualitativen Defiziten der Liga auch das Geschäftsmodell zum Weiterverkauf der Bilder riskant zu sein scheint. In China hat das Pay-per-View keinerlei Tradition, vergleichbare Versuche in anderen Bereichen sind gescheitert.

Doch eine Binsenweisheit besagt, dass wer reich werden will in China, einfach nur die Hauptnachrichten des Staatsfernsehens aufmerksam verfolgen müsse. Dort sieht und hört man, welche Schwerpunkte die Führungsriege der Kommunistischen Partei wirtschaftlich und politisch aktuell setzt. Man müsse sein Geld nur hinterher- werfen. Seit Staatspräsident Xi Jinping öffentlich von der Ausrichtung und dem Gewinn einer Weltmeisterschaft schwärmt, wird das unternehmerische Engagement im Sport und speziell im Fußball offenbar. Ma, Wang und Li stiegen alle in den Fußball ein, nachdem der Staatschef seine Träume formuliert hatte.

Auch die chinesische Rastar Group, ein Hersteller von Modellautos und Babysitzen, engagiert sich und kaufte vor wenigen Wochen die Mehrheit am spanischen Erstligisten Espanyol Barcelona. Offiziell heißt es, man wolle den Klub stärken. Doch nicht zuletzt soll - wie auch beim Einstieg von Wang Jianlin bei Atlético - der chinesische Fußball profitieren. Chinesische Spieler sollen leichter bei Klubs der europäischen Topligen unterkommen, um sich dort weiter zu entwickeln und schließlich die Nationalmannschaft zu stärken. Das gibt Präsident Xi neues Futter für seine Träume vom WM-Titel.

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