Fusion von Siemens und Alstom:Macron will Hersteller von ICE und TGV vereinen

Ein Jahr Schnellzugverkehr Deutschland - Frankreich

Man kommt sich schon sehr nahe am Gare de l'Est in Paris: links ein ICE, rechts der TGV.

(Foto: Maya Vidon/dpa)

In Frankreich macht sich die Regierung dafür stark, die Zugsparten von Siemens und Alstom zu fusionieren. Das sorgt für Ärger beim kanadischen Konkurrenten Bombardier.

Von Thomas Fromm und Leo Klimm, München/Paris

"C'est non!", sagte Emmanuel Macron noch vor drei Jahren, als er in einem Kämmerlein im Pariser Elysée-Palast saß und für Frankreichs damaligen Staatschef François Hollande die Wirtschaftspolitik seines Landes steuerte. 2014 war es Macron, der dafür sorgte, dass die Energiesparte des Industriekonzerns Alstom an den US-Multi General Electric ging - und das Bahngeschäft eigenständig blieb. Eine Zusammenlegung mit dem Erzrivalen Siemens aus München kam nicht in Frage.

Heute ist Macron Präsident und seine Verkehrsministerin sagt, "eine Konsolidierung wäre eine sehr gute Sache". Informierten Kreisen zufolge soll es gar die französische Regierung sein, die der deutschen Seite die Fusion angeboten hat, und wenn es so kommt, wie Beobachter glauben, dann könnte dieser Dienstag in die Geschichte der Zugindustrie eingehen.

Alstom war einst eine Ikone der französischen Industrie

In Paris trifft sich der Alstom-Verwaltungsrat, und in München kommt der Siemens-Aufsichtsrat zusammen und berät über ein Zusammengehen seiner Zugsparte mit Alstom. Schon ein Beschluss? "Alles offen", heißt es in München. Aber Alstom und München würden gut zusammenpassen, und Siemens-Chef Joe Kaeser habe lange mit vielen Beteiligten gesprochen. "Man muss angesichts der Konkurrenz am Ball bleiben", heißt es. Auch der kanadische Anbieter Bombardier, mit dem Siemens seit Monaten spricht, ist wohl noch nicht ganz raus - zumindest als Verhandlungsjoker spielt er noch eine Rolle. Außerdem: Wer möchte schon gerne allein bleiben?

Zufall? Während die Aufsichtsräte über Alstom sprechen, wird Macron in Frankreich eine Grundsatzrede halten, in der es um eine Vertiefung Europas und die deutsch-französische Zusammenarbeit geht. Wenn der Politiker dabei auch gleich die Übernahme von Alstom zulässt, dann soll das auch ein politisches Vertrauenssignal sein. Denn schließlich verschwände Alstom, einst eine stolze Ikone der französischen Industrie, damit als eigenständiges Unternehmen - Ende einer Ära.

Der München-Paris-Plan geht so: Siemens würde seine Zugsparte bei Alstom verankern und im Gegenzug etwas mehr als die Hälfte der neuen Gesellschaft besitzen, die ihren Sitz in Paris hätte und auch dort börsennotiert bliebe. Die Idee ist natürlich bestechend: zwei europäische Ikonen der Gleise - der ICE und der TGV - demnächst aus einer Hand, von einem deutsch-französischen Konzern, ein Projekt so binational wie der Airbus. TGV und ICE könnte man sich ganz gut als Geschwister vorstellen: Sie bauen mit ICE und TGV europäische Schnellzüge, aber auch U- und Straßenbahnen und S-Bahnen.

Die Welt der Züge ist seit 2015 eine andere geworden

Aber gerade deshalb würde es ohne große personelle Überschneidungen in Produktion und Verwaltung nicht gehen, und Überschneidungen bedeuten bei so etwas immer: Stellenabbau. Allerdings: Anders als 2014, als Siemens nur die Züge einbringen wollte, soll diesmal auch das deutlich ertragreichere Geschäft mit Signaltechnik zusammengeführt werden. Französische Interessen, also Jobs, sollten mindestens vier Jahre lang gewährleistet sein, schreibt die Zeitung L es Echos. Und nicht zuletzt soll Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge die künftige Siemens-Bahnsparte führen.

Der Druck ist groß. Seit im Sommer 2015 die chinesischen Staatskonzerne China North Rail (CNR) und China South Rail (CSR) zur CRRC fusionierten, ist die Welt der Züge eine andere geworden. Der Zug-Gigant bringt es auf etwa 30 Milliarden Euro Umsatz und ist auf großer Akquise außerhalb Asiens - in Europa und den USA. Beim Umsatz war Siemens im vergangenen Jahr mit 7,8 Milliarden Euro etwas größer als Alstom mit 7,3 Milliarden Euro. Für Siemens-Chef Joe Kaeser ist der Fall daher klar: Sein Konzern muss reagieren, um wenigstens auf den zweiten Platz der internationalen Zughersteller zu kommen.

Seit Monaten schon wurde über einen Zusammenschluss von Siemens mit dem kanadischen Wettbewerber Bombardier spekuliert. Die Verhandlungen schienen kurz vor Schluss, als vor einer Siemens-Aufsichtsratssitzung Anfang August Gerüchte über Gemeinschaftsunternehmen die Runde machten. Dann aber passierte: nichts. Der Gesprächsfaden mit den Franzosen wurde wieder aufgenommen, und keine zwei Monate später ist wieder einmal Aufsichtsratssitzung bei Siemens, nur der mögliche Partner ist ein anderer als vor ein paar Wochen. Nämlich Alstom.

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