Fusion der Zug-Hersteller:Siemens prüft Fusion mit TGV-Hersteller Alstom

ICE und TGV

Bald möglicherweise vereint in einem Herstellerkonzern: ICE und TGV.

(Foto: dpa)
  • Weil die Verhandlungen über eine Fusion der Bahnsparten mit Bombardier stocken, sucht man sich bei Siemens offenbar eine Alternative.
  • Jetzt soll laut Berichten bereits bei den deutschen und französischen Regierungen ein Zusammenschluss mit dem französischen Alstom-Konzern sondiert worden sein.

Von Thomas Fromm

Seit Monaten spricht Siemens mit dem kanadischen Bombardier-Konzern über einen neuen Champion auf dem Zugmarkt. Hinter den Kulissen wird verhandelt, durchgerechnet, abgewogen. Trivial waren die Konsultationen von Anfang an nicht. Entscheidungen im Aufsichtsrat wurden anberaumt, dann wieder vertagt. Jetzt dürfte wieder Schwung in die Konsultationen kommen, denn Siemens hat ein neues Ass aus dem Ärmel gezogen. Der mögliche neue Partner heißt: Alstom.

Der französischen Zeitung Les Echos zufolge habe bereits "ein Emissär der französischen Regierung" im Kanzleramt die Fusion der Bahnsparten von Siemens und Alstom sondiert. Das Kanzleramt habe "grünes Licht" für weitere Gespräche gegeben, auch die Regierung in Paris sei dafür. Siemens, so berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg, könnte seine eigene Zug-Sparte mit dem ICE bei Alstom, dem Hersteller des Schnellzugs TGV, einbringen und im Gegenzug die Mehrheit an dem französischen Konzern übernehmen. Börsenwert: knapp sieben Milliarden Euro.

Kaeser plant schon lange einen großen neuen Zug-Giganten

In München will man dies nicht kommentieren, nennt die Meldungen "Gerüchte". Man weist sie aber auch nicht zurück. Siemens hätte die Wahl - Frankreich oder Kanada, eine enge Verzahnung mit Alstom oder zwei deutsch-kanadische Gemeinschaftsunternehmen? Wer in diesem Fall die Wahl hat, hat nicht unbedingt die Qual, er hat vor allem einen besseren Stand in den Verhandlungen, weil er zwei potenzielle Partner an der Angel hat.

Dass Siemens-Chef Joe Kaeser der Meinung ist, dass es allerhöchste Zeit für einen großen neuen Zug-Giganten ist, ist kein Geheimnis. Denn seit im Sommer 2015 die beiden chinesischen Staatskonzerne CSR und CNR zum weltweit größten Schienenfahrzeug-Hersteller zusammengingen, geht in den Management-Etagen der verbliebenen Zugbauer die Angst um. Denn CRRC, so der Name des chinesischen Konzerns, der anderthalbmal so groß ist wie die Bahnsparten von Alstom, Bombardier und Siemens zusammen, will sich längst nicht nur auf China beschränken - der Konzern will nicht weniger, als den Weltmarkt aufzumischen. "Was auch immer die europäischen Bahnkunden und die Fahrgäste in der Zukunft wünschen - wir können es bieten", so lautete vor einiger Zeit die Ansage des CRRC-Managements an die Rivalen in der alten Welt - dort wurde die Botschaft sehr wohl verstanden. "Natürlich wird man eine starke Nummer zwei bauen müssen", hatte Joe Kaeser erst im August gesagt.

Das hieß: Wir werden reagieren. Die Idee, mit einem großen Partner die Nummer zwei zu werden, treibt den Siemens-Boss schon seit längerem um. Auch Alstom und Siemens beobachten sich nicht erst seit neuestem. Im Frühjahr 2014 boten die Münchner den Franzosen ein Tauschgeschäft an: Siemens wäre bereit gewesen, sein Schienenverkehrsgeschäft wie etwa den Bau von ICE-Zügen und Lokomotiven an Alstom abzugeben. Im Gegenzug hatte es Kaeser auf das Energie-Geschäft der Franzosen abgesehen. Damals war der US-Konzern GE dabei, Alstom zu schlucken.

Die Episode zeigt nicht nur, wie vehement verhandelt wird - es zeigt auch, dass die wenigen großen Spieler im Zuggeschäft nicht locker lassen. Bombardier und Alstom sind zwei sehr unterschiedliche Konzerne. Die Kanadier sind unter anderem im Geschäft mit Flugzeugen aktiv, Alstom dagegen hat sich auf Transportmittel für die Schiene konzentriert. Mit Bombardier wurde zuletzt über zwei Joint Ventures geredet, doch Themen wie Finanzierung, Mehrheitsverhältnisse und Kartellfragen hatten die Zug-Gespräche immer wieder gebremst. Siemens könnte es mit Alstom nun so machen wie im Windanlagen-Geschäft, das man mit dem spanischen Wettbewerber Gamesa zusammengelegt hat und an dem Siemens nun die Mehrheit hält. In beiden Fällen aber wird es darum gehen, die Kartellrechtler davon zu überzeugen, dass man zusammengehen muss, um eine Nummer zwei zu bilden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: