Führungskrise:Offener Bruch in der IG-Metall-Führung

In der Spitze der IG Metall ist es zum offenen Bruch gekommen. Vizechef Jürgen Peters beschuldigte den scheidenden Vorsitzenden Klaus Zwickel, eine Kampagne gegen ihn zu führen. Zwickels Kritik an ihm wegen des gescheiterten ostdeutschen Streiks für die 35-Stunden-Woche sei "böswillig".

Jonas Viering

(SZ vom 8.7.2003) "Man will meine Person beschädigen und nimmt dafür in Kauf, dass die IG Metall beschädigt wird", sagte Peters in Frankfurt. Er beharrte darauf, für die Nachfolge Zwickels zu kandidieren. Der bekräftigte daraufhin, die Tarifpolitiker um Peters hätten den Vorstand über das Streikkonzept "faktisch getäuscht".

Jürgen Peters

Jürgen Peters.

(Foto: AP)

Am heutigen Dienstag kommt es in der Frankfurter Zentrale der IG Metall zur Konfrontation. Peters verschärfte bereits am Montag den Ton. "Klaus Zwickel ist an einer Aufarbeitung nicht interessiert", sagte er über die historische Niederlage im Arbeitskampf. Der Vorsitzende wolle mit einer Kampagne nur verhindern, dass er, Peters, sein Nachfolger werde. Er verlangte, Zwickel solle seine Vorwürfe zurücknehmen. "Der Richtungsstreit ist offenkundig", sagte Peters über die IG Metall. Die "drohende innere Spaltung" der Organisation sei nur abzuwenden, wenn das im April vom Vorstand beschlossene Führungstandem mit Peters als erstem und dem baden-württembergischen Bezirkschef Berthold Huber als zweitem Vorsitzenden Bestand habe. Der Machtkampf zwischen dem als Traditionalisten geltenden Peters und dem Reformer Huber wird seit mehr als einer Woche offen ausgetragen.

"Nachhaltig geschwächt"

Peters erklärte, der gesamte Vorstand sei rechtzeitig über die möglichen Fernwirkungen der Arbeitsniederlegungen im Osten informiert worden. In einem 19-seitigen Papier, das Zwickel heute im Vorstand präsentieren will und das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bestreitet der Gewerkschaftschef die Darstellung von Peters. BMW hatte in Bayern 10000 Beschäftigte nach Hause schicken müssen, was die öffentliche Stimmung gegen den Streik entscheidend verstärkt und zu einem Aufstand der Auto-Betriebsräte gegen den Eskalationskurs geführt hatte. Der Vize spricht zudem gewunden von einer "Verkettung befristeter Streiks". Ursprünglich vereinbart war, nur tageweise in wechselnden Betrieben die Arbeit niederzulegen. Seine Kritiker werfen Peters vor, stattdessen Dauerstreiks veranstaltet zu haben.

In dem vertraulichen Zwickel-Papier wird die IG Metall als "nachhaltig geschwächt" beschrieben. "Die IG Metall droht, für fast alle in Politik und Medien letztlich zum zahnlosen Tiger zu werden." Befürchtet wird, dass die Distanz zwischen Betriebsräten und IG Metall wachsen werde. Auch die Gewerkschaften insgesamt gingen "aus dieser Tarifrunde noch stärker angeschlagen heraus", heißt es. Unter dem Punkt "Schlussfolgerungen" wird gefordert, "im Vorfeld von Tarifauseinandersetzungen die tatsächliche Stimmungslage der Mitgliedschaft und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Gesamtsituation einzuschätzen". Dies sei im Streit um die 35-Stunden-Woche nicht hinreichend geschehen. Und: "Was in der Politik gang und gäbe ist, was die IG Metall in Unternehmen immer wieder fordert, das erwarten die Mitglieder und die Öffentlichkeit nun auch von der IG Metall selbst": den Rücktritt der für den Streik verantwortlichen Funktionäre. Der Name Peters wird nicht genannt.

Das 39-seitige Papier, das die von Peters geführte tarifpolitische Abteilung in die Vorstandssitzung einbringt und das der SZ ebenfalls vorliegt, enthält durchaus selbstkritische Töne. Letztlich wird jedoch widrigen politischen Rahmenbedingungen sowie Kommunikationsfehlern die Schuld am Scheitern des Streiks gegeben. Zusätzlich wurde im Peters-Lager auch eine mangelnde Unterstützung der Gewerkschaftszentrale und Kritik aus dem Westen angeprangert. Das Fazit: Personaldebatten "wären zum heutigen Zeitpunkt das falsche Signal".

Geheimtreffen der verfeindeten Lager

Bereits am Montagabend gab es in Frankfurt Geheimtreffen der verfeindeten Lager um Peters und Zwickel. Im 41-köpfigen Vorstand wird ein Antrag aus den Bezirken Küste, Bayern oder Nordrhein-Westfalen erwartet, der Peters zum Rückzug seiner Kandidatur auffordert. Stattdessen soll Huber kandidieren. Dieser war Peters im April im Vorstand nur äußerst knapp unterlegen, nachdem Zwickel ihn selbst vorgeschlagen hatte. Seitdem war Huber offiziell nur Anwärter auf den Posten des Vize-Vorsitzenden. Peters will sich aber nur einem Votum des für Oktober geplanten Gewerkschaftstages beugen. Deshalb strebt das Lager um Zwickel bisher einen Rücktritt des kompletten Vorstands an. Dann müsste innerhalb weniger Wochen ein außerordentlicher Gewerkschaftstag eine neue Führung bestimmen. Der Ausgang gilt als offen.

(sueddeutsche.de)

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