Führungskrise bei Volkswagen:Willkür in Wolfsburg

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Der mächtige VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech demontiert seinen Vorstandsboss Martin Winterkorn - öffentlich und im Alleingang. Dem Unternehmen kann das nur schaden.

Kommentar von Caspar Busse

Es waren nur 28 Buchstaben, die die Welt des Volkswagen-Konzerns in seinen Grundfesten erschütterten. "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", ließ Ferdinand Piech am Freitagnachmittag über das Magazin Spiegel die Welt wissen. Damit demontiert der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende seinen Vorstandsboss und langjährigen Vertrauten Martin Winterkorn - und zwar öffentlich, nachhaltig, brutal.

Piech, der Enkel des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche, löste damit eine veritable Führungskrise bei VW aus. Wer wird künftig Nachfolger von Piech an der Spitze des Aufsichtsrats, wenn nicht von Winterkorn? Wie lange kann sich Winterkorn noch halten? Wer führt demnächst den Autobauer und löst die vielfältigen Probleme, die die Wolfsburger haben? Alles ungeklärt, auch wenn Piech nebulös sagt, die richtigen Leute seien bereits an Bord.

Autokonzern
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"Ich bin auf Distanz zu Winterkorn": Chefaufseher Piëch entzieht dem Volkswagen-Boss das Vertrauen. Es ist offen, wer das Unternehmen künftig führt - und wer den Aufsichtsrat.

Von Karl-Heinz Büschemann

Das Vorgehen von Piech ist durchaus befremdlich. Es ist die Art eines Gutsherren, der den Daumen über Mitarbeiter senkt oder eben nicht. Man könnte auch sagen: Willkür in Wolfsburg. In Einklang mit einer guten Unternehmensführung für große Börsenunternehmen steht das ganz bestimmt nicht. Der Aufsichtsratschef, dessen Familie zusammen mit den Porsches die Mehrheit an VW hält, hat seinen Vorstoß offensichtlich mit kaum Jemandem abgesprochen.

Die Mitglieder des VW-Aufsichtsrats, die sich zu Wort meldeten, zeigten sich zumindest ahnungslos. Betriebsratschef Bernd Osterloh gab Winterkorn sogar Rückendeckung. Mit ihm habe der Konzern "den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord", sagte er. Und Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachen - das Land hält 20 Prozent der VW-Aktien - zeigte sich "unangenehm überrascht".

Über die Frage, ob VW wirklich einen Führungswechsel braucht, kann man trefflich streiten. Vielleicht muss wirklich jemand Neues her, damit der Milliardenkonzern, der jedes achte Auto weltweit verkauft, die Probleme in den Griff bekommt und sich endlich für Zukunftstechnologien öffnet. Aber darüber muss der Aufsichtsrat hinter verschlossenen Türen diskutieren. Das ist der einzig richtige Weg.

Ein Alleingang, wie ihn Piech jetzt, übrigens zum wiederholten Mal, unternimmt, richtet dagegen Schaden an - für die alle Beteiligten, für das Unternehmen und am Ende auch für die immerhin 592 000 Beschäftigten des VW-Konzerns.

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