Früherer Chef von Hypo Alpe Adria Tilo Berlin:Ein Banker wechselt die Fronten

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Tilo Berlin setzt zum Befreiungsschlag an.  (Foto: dpa)

Überraschende Hilfe: Nach SZ-Informationen will der frühere Chef der Hypo Alpe Adria, Tilo Berlin, der BayernLB plötzlich bei ihrer Schadenersatzklage in Österreich helfen. Ganz uneigennützig kommt das Angebot nicht.

Von Klaus Ott

Der in Deutschland geborene und in Kärnten ansässige Geschäftsmann Tilo Berlin hat in der Finanzbranche Karriere gemacht. Von der Deutschen Bank führte ihn sein Weg über die Chefetage der Landesbank Baden-Württemberg bis zur Hypo Alpe Adria in Kärntens Hauptstadt Klagenfurt. Berlin, der Vorstandschef der Hypo war, hat aber keineswegs nur Geld im Kopf. In den Bergen oberhalb von Klagenfurt betreibt er nebenbei einen Bauernhof. Mit sein größtes Glück war es, als er von seinem Büro in der Hypo dorthin blicken konnte, wo der Hof liegt.

In seiner Bauernstube in den Bergen ist so mancher Deal eingefädelt worden. Darunter auch der Verkauf der Hypo Alpe Adria an die Bayerische Landesbank im Jahr 2007. Emissäre der beiden Institute kamen auf dem Hof mit dem Gastgeber zusammen, der später verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider saß mit dabei. Dieser Deal war der Beginn diverser Affären, die in Bayern und Österreich Minister und Bankvorstände ihre Jobs und die Steuerzahler viele Milliarden Euro gekostet hat.

Jede Menge Ärger

Auch Tilo Berlin hat jede Menge Ärger, vor allem mit der BayernLB, für die der Ausflug nach Österreich in einem Desaster endete. Doch jetzt setzt der Vermögensverwalter, der betuchte Klienten betreut, zu einer Art Befreiungsschlag an. Der frühere Hypo-Chef plant einen "Seitenwechsel". So steht es wörtlich in einem Brief, den ein Salzburger Rechtsanwalt diese Woche im Auftrag einer Firma von Berlin einem Anwalt der BayernLB geschickt hat. Das Schreiben ist eine kleine Sensation. Einer der heftigsten Gegner der weiß-blauen Staatsbank wäre plötzlich deren Partner. Sein Frontwechsel könnte der BayernLB helfen, einen Milliardenbetrag in Österreich einzuklagen. Die Landesbank trägt bei Gericht in Wien vor, sie sei bei der Übernahme der Hypo Alpe Adria über deren wahren Zustand getäuscht worden.

Was Berlin antreibt, ist vermutlich nicht pure Nächstenliebe. Der Weg, der in der Anwaltspost skizziert wird, würde auch dem Kärntner Vermögensverwalter und etlichen seiner teils prominenten Mandanten nützen. Berlin und reiche Investoren wie die Milliardärswitwe Ingrid Flick haben einst am Verkauf der Hypo Alpe Adria nach Bayern kräftig verdient; sie könnten ihre Gewinne behalten. Schadlos halten soll sich die BayernLB "letztlich", so steht es in dem Brief, am heutigen Eigentümer der Kärntner Bank, der Republik Österreich. Also an den Steuerzahlern. Das wäre eine Neuauflage der in manchen Kreisen beliebten Variante, Profite zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren. Dass dies sein Ziel sei, würde der langjährige Banker bestimmt bestreiten.

Berlin lässt seine Anwälte erklären, er sei bei den Deals rund um die Kärntner Bank selbst getäuscht worden. Gegen seinen Vorgänger als Hypo-Chef, Siegfried Grigg, hat Berlin deshalb inzwischen sogar eine Strafanzeige wegen Betrug stellen lassen. Der Kärntner Geschäftsmann wendet sich von den alten Partnern in seiner neuen Heimat ab. Das wirkt wie eine Flucht nach vorne, um den Affären zu entkommen. Die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt hat Berlin, Grigg und einen weiteren früheren Hypo-Chef, Wolfgang Kulterer, wegen fragwürdigen Geschäften zum Nachteil der Kärntner Bank angeklagt. Beschuldigt werden zudem ein anderer Ex-Bankvorstand und die Flick-Stiftung. Ob es zum Prozess kommt, bleibt abzuwarten. Berlin, Grigg und Kulterer weisen alles zurück.

Die Anklage in Klagenfurt hilft der BayernLB. Denn darin wird erwähnt, die Hypo Alpe Adria habe mehr Eigenkapital ausgewiesen, als tatsächlich vorhanden gewesen sei. Das stützt den Vorwurf aus München, man sei bei der Übernahme der Kärntner Bank betrogen worden. Diesen Verdacht hat auch die Münchner Staatsanwaltschaft, die deshalb gegen Berlin, Grigg, Kulterer und einen weiteren Ex-Vorstand der Hypo ermittelt. Für Vermögensverwalter Berlin ist das alles sehr unerfreulich, aber eine Anklage und ein Ermittlungsverfahren sind noch lange kein Urteil. Seine Anwälte haben in langen Schriftsätzen zusammengetragen, wie ihr Mandant selbst hinters Licht geführt worden sei, als er einst zusammen mit Investoren wie der Flick-Witwe bei der Hypo einstieg und die Aktien dann der BayernLB gewinnbringend verkaufte. Das war wohl Berlins größter und tollster Deal, und den würde er heute offenbar nur zu gerne rückgängig machen.

Kühle Reaktion aus München

In dem Anwaltsschreiben aus Salzburg heißt es dazu, Berlins Firma B & Co Beteiligungs GmbH habe ein "rechtliches Interesse" an einer Rückabwicklung und Aufhebung des Vertrags, mit dem eine andere Berlin-Firma ihre Hypo-Aktien an die Staatsbank in München veräußert hatte. Eine Rückabwicklung, mit der man das ganze Desaster nachträglich ungeschehen machen könnte, das wäre dem heutigen Landesbank-Chef Gerd Häusler und dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer am liebsten. Der Freistaat Bayern und seine Bürger haben wegen des Größenwahns von Häuslers und Seehofers Vorgängern 3,7 Milliarden Euro in Österreich verloren. Hinzu kommt, dass die Hypo Alpe Adria sich inzwischen weigert, der einstigen Muttergesellschaft BayernLB Kredite in Höhe von 2,3 Milliarden Euro zurückzuzahlen.

Mit einem Finderlohn darf Berlin aber nicht rechnen, falls er der BayernLB hilft, ihren Schaden ersetzt zu bekommen. In München reagiert man kühl auf den geplanten Seitenwechsel. Aus dem Umfeld der BayernLB ist zu hören, die Bank nehme "mit Interesse zur Kenntnis", dass der frühere Hypo-Chef die Schadenersatzforderungen aus München nun offenbar für gerechtfertigt halte. Sein Angebot, die Fronten zu wechseln, ändere aber nichts an den möglichen Ansprüchen gegen ihn. Die BayernLB behält sich also vor, auch von Berlin und dessen Investoren Geld zu fordern. Viel Geld.

© SZ vom 08.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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