Friedrich Merz im Mittwochsporträt:Das zweite Leben

´Zeit"-Konferenz Deutsches Wirtschaftsforum - Merz

Friedrich Merz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Friedrich Merz war eine Macht in der CDU, dann hörte er auf. Auch wegen Angela Merkel. Nun hat er als Aufsichtsratschef beim weltweit größten Vermögensverwalter Blackrock wieder Macht - diesmal über sehr viel Geld.

Von Stefan Braun, Berlin

Am Tag, als Angela Merkel als Parteichefin im Amt bestätigt wird, besucht Friedrich Merz ein Begräbnis. Während die Kanzlerin ihrer CDU in Essen zuruft: "Ihr müsst mir helfen!", lauscht ihr einstiger Gegenspieler der Trauermusik im Dom von Augsburg. Der Investmentbanker und Mäzen Kurt Viermetz ist gestorben, ein guter Bekannter von Merz und ein enger Freund von Theo Waigel. Also ist Merz hingefahren. Jetzt sitzt er im Auto, ist auf dem Weg nach München und will übers Handy erfahren, wie viele Delegierte Merkel diesmal gewählt haben. Auf Parteitage fährt er schon länger nicht mehr. Aber wie es seiner CDU geht - das wird ihn nie los lassen.

"Nächste Woche in Berlin? Frühstücken? Übers Leben reden? Mach ich gerne, einverstanden." Merz war immer offen, immer direkt. Er ist das auch im neuen Leben geblieben. Seit März arbeitet er für den weltgrößten Vermögensverwalter, das US-Unternehmen Blackrock. Das bedeutet Macht und Einfluss; immerhin verwaltet Blackrock für seine Kunden Anteile an allen Dax-Unternehmen. Arrogant oder überheblich aber soll ihn das nicht machen. Merz will das beweisen, bei sich bleiben. Also sagt er zu. Einfach so.

Ein Café in Berlin-Mitte. Eine Rückkehr dorthin, wo er Anfang der 2000er Jahre eine Macht war. Einer, der mal als größtes Talent seiner Partei galt. Der im Parlament berühmt war für seine scharfen Reden und in allem anders war als Angela Merkel. Er stammt aus dem Westen der Republik, er war immer wirtschaftsfreundlich, kämpfte für seine Bierdeckel-Steuerreform und betonte konservative Werte. Unvergessen sein Plädoyer für eine deutsche Leitkultur, das ihm größten Ärger einbrachte. Von fast allen Liberalen und Linken wurde er dafür politisch geprügelt, von Merkel gemaßregelt. Nur die Konservativen dankten es ihm. Aber die Zeiten waren im Herbst 2000 nicht so, dass er damit wirklich hätte punkten können. Was wäre wohl, wenn es den Politiker Merz heute noch gäbe? Nach Flüchtlingskrise, Terror-Anschlägen? Und angesichts der Sehnsucht vieler Christdemokraten nach starken Konservativen?

Merz sitzt am vereinbarten Morgen im Café, schmökert in der Zeitung, der Hemdkragen offen, die Hose leger. Als der Verfassungsschutzpräsident reinkommt, winken sich beide kurz zu. Man kennt sich noch immer. Dabei ist Merz schon ein bisschen älter geworden. Um die Augen des 61-jährigen haben sich einige Falten geschlichen. Entspannt wirkt er trotzdem - so entspannt wie vielleicht nie in seinem Politikerleben.

Eine Heuschrecke? Er lächelt und wirft die Arme in die Höhe: Nein, nun wirklich nicht!

Was damit zutun haben dürfte, dass das neue Leben mehr Raum lässt und mehr Luft zum Atmen. Seit zehn Jahren beherrscht nicht mehr die oft aggressive Aufgeregtheit der Hauptstadt sein Leben; 2005 nahm er das Angebot der amerikanischen Anwaltskanzlei Mayer Brown an, bei ihr Partner zu werden. Zuvor war er zum Stammsitz nach Chicago geflogen: "25 Grad Minus, zwei Meter Schnee - das werde ich nie vergessen." Das Klima in den Gesprächen freilich war so gut, dass er nach der Rückkehr dachte: "Du wärst bescheuert, wenn Du das nicht machen würdest."

Kehrt so einer nochmal zurück in die Politik?

Die ersten vier Jahre als Anwalt behielt Merz noch das Mandat als Abgeordneter, dann sagte er Adieu. Man könnte sagen: Merz bremste sanft ab, bevor er endgültig ausstieg. Und er hatte das Glück, unbeschadeter rauszukommen als die meisten seiner Mitstreiter, die in der Ära Merkel die Segel strichen. Obwohl Merz der einzige ist, dem Merkel tatsächlich ein Amt entriss, den Fraktionsvorsitz im Bundestag, wirkt er glücklicher, zufriedener als viele Weggefährten. In den berühmt-berüchtigten Anden-Pakt der Kochs und Wulffs trat Merz erst 2005 ein, also in dem Jahr, in dem er seinen Abschied nahm und Merkel Kanzlerin wurde. Als die Truppe vor wenigen Wochen gemeinsam Warschau besuchte, spürte Merz dankbar, wie heil er das neue Leben im Kontrast zu anderen erreicht hat.

Dabei hat sich eines auch nach elf Jahren nicht geändert: Es dauert gerade mal eine Minute, dann ist Merz bei der Politik. Argumentiert, erzählt, gestikuliert und redet so geschliffen wie eh und je. Leidet mit der CDU, analysiert Europa. Und hält vieles, was die Kanzlerin gemacht hat, für einen Fehler. Nur: Nach dem Ausstieg schwor er sich, keine Interviews und keine Talkshows mehr zu machen, nicht zu innenpolitischen Themen. Und nicht zu Merkel.

Dieses Gelübde will er auch an diesem Morgen nicht brechen. Obwohl klar wird, dass er an vielem, was die CDU heute macht, zweifelt; und obwohl klar ist, dass er mitbekam, wie die CSU, wie sehr vor allem Edmund Stoiber Ende 2015 und Anfang 2016 übers Land reiste, um Merkel zu stoppen. Merz freilich steckte da längst in seinem neuen Leben; er war schon bald ins internationale Board der amerikanischen Kanzlei gewechselt, war viel gereist - und griff zu, als man ihm im Frühjahr 2016 antrug, Aufsichtsratschef der deutschen Tochter von Blackrock zu werden.

Eine Heuschrecke? Merz lächelt und wirft die Arme in die Höhe. Nein, das sei Blackrock nun wirklich nicht. Keine Heuschrecke und auch nicht die größte Bank der Erde, was ihr manche salopp nachsagen würden. "Blackrock verleiht kein Geld, und Blackrock besitzt kein einziges Unternehmen komplett." Die Firma agiere vielmehr wie ein großer Treuhänder. Deshalb sei auch das Bild vom "Großaktionär" schief. Blackrock verwalte kein eigenes Geld, sondern das seiner Kunden.

Einfluss freilich hat Blackrock schon; selbstverständlich sei ein Unternehmen wie das seine mit den Dax-Konzernen im Gespräch und könne auch auf Aktionärsversammlungen Wirkung entfalten. Konkreter will Merz nicht werden, aber er lächelt beinahe genüsslich an dieser Stelle. Die Macht hinter der öffentlichen Zurückhaltung - die gefällt ihm natürlich.

Offiziell ist er Aufsichtsratschef, also der oberste Kontrolleur der Geschäftsführung. Dabei aber will er es nicht belassen, irgendwie klingt ihm das nach zu wenig. In Amerika, betont Merz, spreche man von einem active chairman, einem "aktiven Vorsitzenden". Entsprechend sei seine Rolle eine ganz andere. Eine Größere, heißt das.

Kehrt so einer noch mal zurück? Noch mal Politik? Berlin? Könnte das Motivation sein, sich noch einmal zu engagieren? Merz schüttelt den Kopf. Wohl kaum - und erst recht nicht, solange Merkel da ist.

Zu schlecht war jenes Erlebnis, das ihn im Jahr 2004 von ihr entfernt hat und noch heute ärgert. Im Frühjahr des Jahres hatte sie den Chef des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, in einer Nachtsitzung der CDU-Spitze zum Bundespräsidentenkandidaten ausgerufen - und dabei die eigene Truppe aus Sicht von Merz offen belogen. Auf die Frage, ob es nicht falsch sei, den Deutschen Köhler aus einem so prominenten Amt wie dem des IWF-Chefs herauszuholen, habe sie geantwortet, Köhler werde ohnehin keine Chance auf eine Verlängerung haben. Wenige Tage später erzählte Köhler der gleichen CDU-Führung, er sei gerade mittendrin gewesen in den Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung - für Merz das glatte Gegenteil dessen, was er von Merkel gehört hatte. "In dem Moment war klar, dass ich das alles nicht mehr mitmachen würde."

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