Flüchtlinge:Arbeitsplätze statt Mutti Teresa

Unternehmen gibt Flüchtlingen eine Chance

Arbeit statt Almosen: In Fürstenwalde arbeitet der Asylbewerber Hamza Ahmed aus Somalia in einer Fabrik für Windräder.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Gefühlt will gerade alle Welt nach Deutschland. Grund ist nicht unsere Hilfsbereitschaft, sondern der Arbeitsmarkt.

Kolumne von Thomas Fricke

So schnell geht das. Vor Kurzem standen die Deutschen noch böse da, weil wir die Griechen gequält haben. Jetzt will alle Welt zu uns - und die Kanzlerin lässt (fast) alle rein. Da staunt der Rest der Welt. Und feiert Mutti als barmherzigste aller Regierenden. Sind wir tief in uns doch bessere Menschen, als alle dachten - ein ganzes Land geführt von Mutti Teresa? Und vor allem netter als die, die jeden Flüchtling an der Grenze zu stoppen versuchen?

Nun sind wir im Schnitt natürlich ziemlich nett. Gut möglich allerdings, dass der doppelte Sympathieschub aktuell auch mit etwas viel Schnöderem zu tun hat: der - konjunkturell - gerade ganz guten Lage bei uns am Arbeitsmarkt. Das wirkt auf die Attraktivität, die wir ausstrahlen. Wo Flüchtlinge und andere Migranten hindrängen, scheint tatsächlich stark damit zu korrelieren, wie wenig Arbeitslose es dort gibt. Als Irland wirtschaftlich boomte, wurden dort allein von 1996 bis 2000 fast 25 Prozent mehr Jobs geschaffen, in Spanien waren es in diesem Zeitraum gut 15 Prozent. In den Jahren darauf wuchs die Bevölkerung um 27 bzw. knapp 16 Prozent - dank Zuwanderung (und teils höherer Geburtenraten). Ähnliches gilt für Ex-Vorbild Niederlande, wo Beschäftigung und Bevölkerung in dieser Zeit um gut zehn Prozent zulegten - anders als im stagnierenden Deutschland. Wer wollte schon zu uns, als wir fünf Millionen Arbeitslose hatten?

Nun haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Seit die Finanzblase geplatzt und die Arbeitslosigkeit hochgeschnellt ist, wächst die Bevölkerung in Irland kaum noch. In Spanien ist sie 2014 sogar erstmals gesunken. Jetzt ist in Deutschland die Arbeitslosigkeit zurückgegangen - und siehe da: mehr Babys, mehr Einwanderer.

Die Beschäftigungslage ist gut für die Willkommenskultur

In keinem der zehn Länder Europas, in denen 2014 die meisten Asylanträge je Einwohner gestellt wurden, lag die Arbeitslosenquote über acht Prozent, bei der Mehrheit sogar unter sechs. Das heißt nicht, dass es nicht auch andere, geografische oder kulturelle Gründe dafür gibt, wo Flüchtlinge hinwollen. Nur scheint der Arbeitsmarkt ein ziemlich gewichtiger zu sein. Das Schöne ist, dass die Beschäftigungslage auch förderlich auf die Willkommenskultur zu wirken scheint. Noch zu Hochzeiten der hiesigen Krise fand fast die Hälfte der Deutschen, bei uns lebten "schon so viele Ausländer", dass wir "keine weiteren" mehr aufnehmen können. Seitdem sind trotzdem mehr gekommen. Nur ist die Arbeitslosigkeit mittlerweile eben stark gefallen. Und da ist die Quote der Besorgten unter 20 Prozent gefallen - in auffällig ähnlich hohem Tempo (siehe Grafik). Kein Zufall.

Sollte unsere Beliebtheit bei anderen so konjunkturabhängig sein wie die Beliebtheit anderer bei uns, heißt das, dass Deutschland jetzt Glück hat, in konjunkturell guter Lage Leute aufzunehmen, die integriert sein können, bevor es mal wieder weniger gut läuft. Dann heißt das aber auch, dass es unsinnig wäre, via Quoten gleichmäßig Leute in EU-Länder zu schicken, die zweistellige Arbeitslosenquoten haben. In den Verteilungsschlüssel, den EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gerade vorgestellt hat, geht die Lage am Arbeitsmarkt potenzieller Aufnahmeländer zwar mit ein, aber nur mit einer Gewichtung von zehn Prozent.

Wenn sich zeigt, dass die Beschäftigungslage für Flüchtlinge ein so gewichtiger Beweggrund ist, heißt das noch etwas anderes: dass die meisten offenbar kommen, um zu arbeiten - und nicht, um Geld geschenkt zu bekommen. Ein Glück, das fände sonst auch Mutti Teresa nicht mehr so gut.

Die Kolumne "Frickes Welt" erscheint alle zwei Wochen, am Freitag, im SZ-Wirtschaftsteil.

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