Freihandelsabkommen mit Kanada:Bremst Ceta!

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Lachsfabrik in British Columbia: Fisch ist ein kanadischer Wirtschaftsexport (Foto: Abigail Saxton/Bloomberg)

Die EU will das Freihandelsabkommen mit Kanada möglichst schnell verabschieden. Doch Ceta muss erst genau geprüft werden. Sonst könnte es mehr schaden als nützen.

Kommentar von Silvia Liebrich

Für das europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta haben sich die Verhandler Zeit gelassen. Gut fünf Jahre haben sie um das 500 Seiten lange Vertragswerk (das Dokument als PDF) gerungen. Seit Anfang August liegt es auf dem Tisch und verursacht großen Ärger. So sind zwischen Brüssel und Berlin nicht nur Teile des Inhalts, sondern auch das Abstimmungsprozedere in der EU hart umkämpft. Ob je eine Unterschrift unter das Papier gesetzt wird, ist derzeit fraglich. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Wäre der Vertrag nur ein Jahr früher fertig geworden, das Abkommen wäre vermutlich längst in Kraft getreten, wie viele andere vor ihm - und die meisten Deutschen hätten kaum Notiz davon genommen.

Doch die Zeiten, in denen Abkommen dieser Art still über die Bühne gehen, sind vorbei, seitdem ein heftiger Streit um den geplanten Freihandelsvertrag zwischen den USA und der EU - kurz: TTIP - entbrannt ist. Tief sitzt die Angst in der Bevölkerung, dass solche Abkommen vor allem internationalen Konzernen nützen, gleichzeitig aber die demokratische Grundordnung untergraben könnten. Ein Verdacht, den Kritiker auch beim bereits ausgehandelten kanadischen Abkommen hegen, und das nicht zu Unrecht. Ceta ist keinesfalls der kleine harmlose Bruder von TTIP, wie es Wirtschaftsverbände und konservative Politiker glauben machen wollen.

Ceta ist Nagelprobe für TTIP

Der Pakt mit Kanada ist das umfangreichste Freihandelsabkommen, dass die EU bislang ausgehandelt hat, und in seinen Ansätzen mit dem amerikanischen vergleichbar. Deshalb ist auch die Debatte über Ceta so wichtig. Denn was in diesem Fall von den Parlamenten für gut befunden und abgenickt wird, kann später bei einem Vertrag mit den Vereinigten Staaten schlecht abgelehnt werden.

Die Wirtschaft in Europa verspricht sich viel von engeren Handelsbeziehungen mit Kanada. Europäische Autohersteller wollen mehr Fahrzeuge verkaufen. Im Gegenzug haben kanadische Schweine- und Rinderhalter durchgesetzt, dass sie ihr Fleisch leichter in Europa absetzen können. Auch der öffentliche Sektor wird geöffnet. So sollen sich nun EU-Firmen an Auftragsausschreibungen von Behörden in Kanada beteiligen können. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen, solange dies nicht etwa zu Lasten von Verbrauchern oder Arbeitnehmern geht. Die Parlamente brauchen deshalb Zeit, um den Vertrag genau in diesen Punkten gründlich zu prüfen.

Haben die EU-Länderparlamente ein Mitspracherecht?

Einer der wichtigen Knackpunkte beim Vertrag mit Kanada sind jedoch (wie beim amerikanischen Abkommen) die umstrittenen Sonderrechte für Investoren und private Schiedsgerichte. Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will die im Vertrag mit Kanada enthaltenen Klauseln so nicht absegnen, er verlangt, dass nachverhandelt wirdFreihandelsabkommen - Gabriel fordert Änderungen bei Ceta, und brüskiert damit EU-Handelskommissar Karel De Gucht, der eigentlich noch diese Woche den Abschluss der Verhandlungen verkünden wollte. De Guchts Eile ist jedoch schon allein deshalb inakzeptabel, weil noch nicht einmal geklärt ist, ob die EU-Länderparlamente ein Mitspracherecht haben. Muss jedes EU-Land dem Vertrag mit Kanada einzeln zustimmen und nicht nur die EU-Regierung, sinken die Erfolgschancen, dass der Vertrag überhaupt zustande kommt.

Damit ist eine wichtige Frage ungeklärt, die für die laufenden Gespräche mit den USA ebenfalls wichtig ist. Ceta wird deshalb auch zur Nagelprobe für TTIP. Umso wichtiger ist es, den Vertrag mit Kanada genau zu durchleuchten. Ein Handelsabkommen ohne Zustimmung des Volkes wird sich schwer durchsetzen lassen und hat wenig Chancen auf Erfolg. Ist der Vertrag erst einmal unterzeichnet, sind Korrekturen nicht mehr möglich. Ein voreilig abgeschlossenes Abkommen könnte am Ende mehr Schaden anrichten, als es nutzt.

© SZ vom 26.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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