Freihandelsabkommen Ceta und TTIP:Wie Deutschland den Investorenschutz umgehen könnte

  • EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kommt nach Berlin, um über die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA - Ceta und TTIP - zu verhandeln.
  • Ein neues Gutachten zeigt einen möglichen Ausweg für Deutschland, die umstrittene Investorenschutzklausel zu umgehen.
  • Demnach könnte die Bundesregierung nach internationalem Recht einen Vorbehalt einlegen - und so "die Geltung einzelner Vertragsbestimmungen für sich ausschließen".

Von Michael Bauchmüller und Silvia Liebrich, Berlin/München

Warum die Verhandlungen so schwierig sind

Wenn es im Freihandel so etwas wie eine Höhle des Löwen gibt, dann ist es dieser Tage ganz gewiss Berlin. An diesem Montag trifft Cecilia Malmström hier ein, die neue EU-Handelskommissarin. Sie wird fortan über die Abkommen mit Kanada und den USA verhandeln müssen, Ceta und TTIP. Nirgends gibt es dagegen derartigen Aufruhr wie hierzulande. Dass Ceta nicht noch von der alten Kommission rasch abgeschlossen wurde, liegt auch an der Bundesregierung, die sich in letzter Minute querstellte - vor allem wegen Bedenken gegen die umstrittenen Investitionsschutzklauseln.

In beiden Verträgen, Ceta mit Kanada und TTIP mit den USA, will die EU entsprechende Klauseln verankern, sie sollen Investoren vor staatlicher Willkür im jeweils anderen Wirtschaftsraum schützen. Im Abkommen mit Kanada ist das schon weitgehend ausgehandelt. Den Kritikern schwant Böses: Auf Basis der Handelsabkommen könnten Unternehmen aus Kanada oder den USA künftig die Europäer vor internationale Schiedsgerichte zerren und dort Schadenersatz fordern.

Wie Deutschland die Investorenklausel umgehen könnte

Aber vielleicht gibt es einen Ausweg, von dem Malmström noch nichts weiß. Das potenzielle Hintertürchen hat dieser Tage ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages geöffnet, es liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Deutschland könnte danach einfach nicht mitmachen. Nach internationalem Recht könnte die Bundesregierung einen Vorbehalt einlegen - und so "die Geltung einzelner Vertragsbestimmungen für sich ausschließen", heißt es im Gutachten, etwa die umstrittene Investorenklausel. Grundsätzlich sei das bei Ceta und TTIP möglich.

Voraussetzung sei allerdings, dass das Abkommen nicht in der alleinigen Verantwortung der EU liege, sondern auch Kompetenzen der Mitgliedsstaaten berühre. Einem solchen "gemischten Abkommen" müssen auch die nationalen Parlamente zustimmen, jeder einzelne EU-Staat müsste es ratifizieren. Ein Gutachten für das Wirtschaftsministerium war kürzlich zu genau diesem Befund gekommen; allerdings sieht Brüssel das bisher anders.

Zudem wird der Investorenschutz nicht überall so heiß diskutiert wie hierzulande. Einige EU-Staaten legen sogar Wert darauf. Per Hintertür könnten am Ende alle mitmachen - jeder auf seine Art. "Über diesen Weg sollte man nachdenken", sagt Dirk Wiese, Rechtsexperte in der SPD-Fraktion. "So ließe die Ratifizierung die Vorteile des Abkommens zu, während die Nachteile gleichzeitig umgangen werden könnten."

Welche Probleme ein eigener Weg aufwirft

Allerdings dürfte Malmströms Geschäft durch die neue Option noch schwieriger werden. Zum einen müsste auch Kanada dem Vorbehalt zustimmen; deutsche Unternehmen könnten dann in Kanada so wenig auf Investorenschutz pochen wie kanadische hierzulande. Zum anderen könnte Brüssel immer noch darauf bestehen, dass ausgerechnet der Investitionsschutz alleinige EU-Kompetenz ist. Eine Frage, bei der auch die Bundestags-Juristen vorsichtig werden: Das müsse wohl letztlich der europäische Gerichtshof klären.

Dabei wirft Berlin für die neue Kommissarin auch so schon genügend knifflige Fragen auf. Ein von der Universität Bremen veröffentlichtes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das kanadische Abkommen teilweise in Konflikt mit dem deutschen Grundgesetz und auch mit EU-Vorschriften steht. So werde etwa die im Grundgesetz festgeschriebene Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht genügend berücksichtigt, heißt es in der Studie, die von der Bürgerrechtsorganisation Attac in Auftrag gegeben wurde. Auch Sozial-, Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsstandards seien nicht ausreichend verankert. Am Ende, so schließen die Gutachter, könnten damit Bundesverfassungsgericht und EuGH bei Ceta das Sagen haben.

Was die Bundesländer fordern

Auch die Bundesländer fordern mehr Gehör. Sie finden, sowohl TTIP als auch Ceta seien keine reinen Handelsabkommen. Die neuen Regeln könnten Landesgesetze tangieren oder gar außer Kraft setzen. Deshalb wollen sie über den Bundesrat mitentscheiden. "Wir würden es wie wohl alle Bundesländer begrüßen, wenn die rechtliche Ausgestaltung der Abkommen eine Beteiligung der Länder über den Bundesrat ermöglicht", heißt es im Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg. Eine Reihe anderer Länder sieht das ähnlich.

Malmström will sich das alles anhören an diesem Montag, erst bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), später bei DGB-Chef Reiner Hoffmann. Denn ohne Berlin, das weiß die Kommissarin, steht es um ihre Handelsverträge schlecht.

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