Frauenförderung:"Ritt auf der Schnecke"

Der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei deutschen Unternehmen nimmt nur langsam zu, zeigt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Besonders bedenklich ist die Situation in Westdeutschland.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Trotz aller Anstrengungen in der Familienpolitik nimmt der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland nur noch langsam zu. Im Westen der Republik ist seit 2010 überhaupt kein nennenswerter Anstieg mehr zu verzeichnen. Eine Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben sei in weiter Ferne, heißt es im "Führungskräfte-Monitor 2017" des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach ist zwischen 1995 und 2015 der Anteil angestellter Frauen mit Führungsaufgaben in Privatunternehmen insgesamt nur um zehn Prozentpunkte auf 30 Prozent gestiegen. Gemessen am Bildungsanstieg bei den Frauen sei das eine enttäuschend niedrige Zahl, sagte die DIW-Forschungsdirektorin für Gender Studies, Elke Holst. Der Zuwachs von Frauen in Führungspositionen gleiche dem "Ritt auf einer Schnecke".

Auffallend ist zunächst vor allem, wie deutlich sich die Arbeitskultur im Osten Deutschlands noch immer von der im Westen unterscheidet. Die Tatsache, dass sich bei Frauen in leitenden Positionen überhaupt noch etwas bewege, sei der Dynamik in Ostdeutschland geschuldet, sagte Holst. In der DIW-Studie wurden Frauen betrachtet, die in der Privatwirtschaft entweder Tätigkeiten mit umfassenden Führungsaufgaben übernehmen, sonstige Leitungsfunktionen ausüben oder hoch qualifizierte, meist akademische Tätigkeiten. Derzeit liegt hier der Frauenanteil in Ostdeutschland bei 44 Prozent und stieg zwischen 1995 und 2015 um 19 Prozentpunkte an. Im Westen dagegen liegt der Zuwachs nur bei acht Prozentpunkten, der Frauenanteil in Spitzenjobs liegt bei 27 Prozent. Er hat sich in den letzten sieben Jahren nicht mehr nennenswert verändert.

Im EU-Vergleich belegt Deutschland damit mit Italien und Zypern die letzten drei Plätze. Grundlage des Führungskräfte-Monitors sind Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Nach der Untersuchung des DIW waren Ende 2016 in den Vorständen der 200 größten Unternehmen Deutschlands nur acht Prozent der Posten von Frauen besetzt. Die Mehrheit der Führungskräfte arbeitete 2015 über 40 Stunden pro Woche. Jeder fünfte Mann mit Leitungsjob war laut der Studie mehr als 50 Stunden pro Woche im Dienst. Bei Frauen in Spitzenjobs war das mit zwölf Prozent deutlich seltener. Im Vergleich zu 2005 aber sind überlange Arbeitszeiten bei beiden Geschlechtern rückläufig. 22 Prozent der Frauen in Leitungsfunktionen arbeiteten 2015 in Teilzeit.

Der Anteil von Führungskräften mit Migrationshintergrund ist seit 2010 besonders bei Frauen angestiegen. 2010 lag er noch bei elf Prozent, fünf Jahre später bei 27 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 34-jährigen liegt der Frauenanteil mit 36 Prozent in Spitzenjobs am höchsten. 73 Prozent Frauen in leitender Position lebten 2015 in Haushalten ohne Kinder bis 16 Jahre. Bei Männern waren es 65 Prozent.

Erstmals abgefragt wurden 2015 auch, wie stark führende Frauen und Männer sich für Politik interessieren. 38 Prozent der Frauen in leitenden Positionen gaben an, sehr stark an Politik interessiert zu sein, bei den Männern waren es 58 Prozent. Beide Geschlechter beschäftigten besonders die Themen Frieden, Ausländerfeindlichkeit sowie Umweltschutz, Klimawandel und der soziale Zusammenhalt. Weibliche Führungskräfte neigten vor allem den Grünen zu (39 Prozent), männliche der SPD (44 Prozent). Würde man in die Studie Selbständige, Landwirte und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst einbeziehen, könne dies anders aussehen, sagte Studienautorin Holst.

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