Frauenförderung:Angst vor der Rolle rückwärts

Frauen auf dem Global Summit in Warschau beklagen die Politik rechter Parteien: Polen etwa fördert Familien, in denen Mütter zu Hause bleiben - mit entsprechenden Folgen: Frauen kündigen ihre Arbeit.

Von Alexandra Borchardt, Warschau

Irene Natividad darf so etwas, und dürfte sie es nicht, täte sie es trotzdem: mitten in Warschau, wo die neue konservative Regierung eine Politik der geschlossenen Grenzen propagiert, Angela Merkel für deren Flüchtlingspolitik loben. Merkel sei eine großartige Führungsfigur, sagte die Gründerin und Präsidentin des Global Summit of Women vor 1000 Frauen aus 74 Ländern. "Eine starke Führungskraft zu sein, hat nichts damit zu tun, geliebt zu werden. Es heißt, Risiken einzugehen", fügte sie hinzu.

Der Global Summit, von teilnehmenden Führungskräften aus Politik und Wirtschaft gerne als Davos der Frauen bezeichnet, ist der internationalste aller Wirtschaftskongresse mit weiblichem Fokus. Er tagt in jedem Jahr woanders; meist in solchen Ländern, die sich dem Thema besonders geöffnet haben. Nicht allerdings dieses Mal, denn die neue polnische Regierung propagiert ein anderes Frauenbild als jene, mit der Natividad den 26. Summit ausgehandelt hatte. Eins von "Kinder, Küche, Kirche", beschrieb es die Präsidentin des polnischen Arbeitgeberverbands, Henryka Bochniarz. Man munkelte, dass die kurzfristige Absage der polnischen Premierministerin Beata Szydło bei der Eröffnungsveranstaltung damit zu tun hatte, dass sie sich nicht inmitten so vieler "Karrierefrauen" blicken lassen wollte.

Und tatsächlich klangen an den Tischen zwischen all der Euphorie, die ein solches Netzwerk-Ereignis voller inspirierender Persönlichkeiten üblicherweise auslöst, in diesem Jahr Sorgen durch, dass Frauen künftig möglicherweise wieder härter für Gleichstellung kämpfen müssen. Ein Grund sind die erstarkenden rechten Parteien und Bewegungen von Trump bis AfD, die - auch wenn sie von Frauen geführt werden - Vielfalt verachten. Hinzu kommt eine männlich geprägte Kultur in der IT- und Gründerszene. Auch das konservative Frauenbild vieler Migranten stimmte einige deutsche Teilnehmerinnen nachdenklich. Zudem hätten viele junge Frauen wenig Lust, ihre Kraft auf Kosten des Privatlebens in die Karriere zu stecken, beobachtet eine Siemens-Managerin: "So wie du möchte ich mich nicht aufarbeiten, sagen die mir dann."

Tatsache ist auch: Das Thema Frauenförderung löst bei vielen Männern und auch Frauen einen gewissen Überdruss aus. Immerhin gebe es eine deutsche Kanzlerin, eine Fed- und eine IWF-Chefin, bald womöglich eine amerikanische Präsidentin, heißt es dann. Und als nächste UN-Generalsekretärin sei auch noch eine Frau im Gespräch. Die übrigens ist Unesco-Chefin Irina Bokowa, die auf dem Summit geehrt wurde und der es sichtlich unangenehm war, dass Natividad sie als potenzielle Ban Ki-moon Nachfolgerin vorstellte.

Folge des üppigen polnischen Betreuungsgelds in einer Firma: "Jede zweite Frau hat gekündigt."

Für Natividad, 67, die schon für Geraldine Ferraro Wahlkampf machte und selbstverständlich Hillary Clinton unterstützt, sind all das Gründe, erst recht weiterzumachen. Frauen seien zentral für das weltweite Wirtschaftswachstum. Das sehen mittlerweile ziemlich alle internationalen Organisationen so. Deshalb müsse man welche wählen, befördern und die Quote unterstützen, wolle man in diesem Jahrhundert etwas erreichen. "Frauen gelangen nicht auf natürlichem Weg an die Spitze", so Natividad. "Sie brauchen einen Plan!"

Denn so weit, wie sich das für die Skeptiker anfühlt, ist die Welt noch nicht. Es gebe in den Ländern der UN fünf Premierministerinnen und elf Präsidentinnen, sagte Natividad. In Europa würden lediglich drei Großkonzerne von Frauen geführt, in den Fortune 500 seien es 23. Zwar hätten 26 Länder Frauenquoten für Aufsichtsräte, aber in der Besetzung von Vorstandsposten schlage sich dies noch nicht nieder.

Und nun kommen die Rückschläge. Polens neue Regierung zum Beispiel gewährt Familien, in denen die Mutter zu Hause bleibt, ein im Verhältnis extrem großzügiges Kindergeld. Paula Marshall, Vorstandschefin des amerikanischen Backwarenkonzerns Bama, der Ketten wie McDonald's mit Brötchen beliefert, schilderte, wozu das in dessen polnischem Werk geführt hat: "Jede zweite Frau hat gekündigt."

Auch da steht Deutschland politisch auf der anderen Seite, und Staatssekretärin Elke Ferner, prominenteste Vertreterin der deutschen Delegation, ist stolz darauf: Ein Programm der Bundesregierung zum Wiedereinstieg in den Beruf wurde in Warschau als bestes Praxis-Beispiel ausgezeichnet.

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