Frauen in der IT-Branche:Google sagt Betriebsversammlung wegen rechter Drohungen ab

Sundar Pichai

Google-Chef Sundar Pichai sagte eine Diskussionsrunde ab, weil sich Mitarbeiter bedroht fühlten.

(Foto: AP)
  • Auf einer großen Versammlung sollten Google-Mitarbeiter offen über Frauenförderung diskutieren.
  • Doch dann tauchten Namen und Fotos von Mitarbeitern auf rechten Blogs auf, Nutzer posteten herabwürdige Kommentare und Drohungen.

Von Valentin Dornis

Die Mitarbeiter sollten offen diskutieren, Meinungen austauschen. Doch dann kam alles anders. Wenige Stunden vor Beginn sagte der Internetkonzern Google am Donnerstag eine Mitarbeiterversammlung ab, bei der es um Frauenförderung und Genderthemen gehen sollte. Der Grund: Angestellte fühlten sich bedroht durch bekannte Vertreter der neurechten Szene in den USA. In einer E-Mail an die Mitarbeiter teilte Google-Chef Sundar Pichai mit, die Veranstaltung werde nicht stattfinden. Es hätten sich mehrere Mitarbeiter gemeldet, die sich "Sorgen um ihre Sicherheit machen und fürchten, sie könnten öffentlich geoutet werden, wenn sie in der Versammlung Fragen stellen".

Anlass für die Diskussionsrunde war ein umstrittenes antifeministisches "Manifest", das ein inzwischen gefeuerter Google-Mitarbeiter veröffentlicht hatte. Andere Google-Angestellte hatten sich in den vergangenen Tagen ebenfalls zu dem Papier geäußert - mit dem Ergebnis, dass sie nun Anfeindungen von Rechts erhielten: Mehrere Screenshots aus internen Google-Foren waren auf rechten Internetblogs aufgetaucht. Sie zeigten Meinungsbeiträge der Mitarbeiter, inklusive deren Klarnamen. Auch Milo Yiannopoulos, eine der bekanntesten Figuren der rechtsradikalen "Alt-Right"-Bewegung, mischte mit.

Auf seiner Facebookseite postete er ein Bild. Darauf zu sehen: Die privaten Twitter-Accounts von acht Menschen, die offenbar bei Google arbeiten und sich kritisch über das Manifest geäußert haben sollen. Unter dem Beitrag schrieben hunderte Nutzer abfällige und herabwürdigende Kommentare zu den gezeigten Personen, auch Gewaltdrohungen waren darunter.

Mit seiner Facebookseite erreicht Yiannopoulos mehr als zwei Millionen Fans. Bekannt wurde er unter anderem als Autor des rechten Internetportals Breitbart. Nachdem er in einem Interview darüber gesprochen hatte, dass einvernehmlicher Sex zwischen 13-jährigen Jungen und erwachsenen Männern vertretbar sei, musste er dort zurücktreten. Seitdem ist er als freier Provokateur im Internet unterwegs, unter anderem verkauft er Produkte mit der Aufschrift "Feminismus ist Krebs" und "Atombomben auf Mekka". Parolen, die in der "Alt-Right"-Szene Beifall finden - ähnlich wie das Manifest des geschassten Google-Mitarbeiters.

James Darmore, so der Name des Entwicklers, hatte das Papier vor einigen Tagen in ein internes Forum gestellt. In dem zehnseitigen Memo versuchte er darzulegen, warum Google mit seinen Programmen zur Förderung von Frauen und Minderheiten einen Fehler begehe. Ein Argument, das besonders provozierte: Frauen seien biologisch nicht so geeignet wie Männer, in der IT-Branche zu arbeiten. Deshalb sei es nur natürlich, dass bei Unternehmen wie Google weniger Frauen arbeiten. Alle Versuche, das zu ändern, seien eine Art positive Diskriminierung der Männer.

Nachdem dieses Manifest zunächst intern für viel Aufregung gesorgt hatte, die schließlich auch nach außen drang, entschied das Management von Google, James Darmore zu entlassen. Sein Text sei "beleidigend und nicht okay", begründete der Google-Chef diesen Schritt. Darmore habe die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Diskriminierung überschritten.

Die Diskussion soll in sicherem Rahmen nachgeholt werden

In ultrakonservativen Kreisen wird der Entwickler seit seiner Entlassung nun gefeiert als wäre er ein Märtyrer. Sein Rausschmiss wird gewissermaßen als Beleg für seine Thesen gewertet (er hatte Google unter anderem vorgeworfen, das Unternehmen sei eine "ideologische Echokammer", in der abweichende Meinungen unterdrückt würden). Darmore betonte mehrfach, er ordne sich keiner antifeministischen oder gar rechten Szene zu. Die ersten Interviews nach seinem Rausschmiss gab er allerdings nicht klassischen Medien, sondern Youtube-Stars, die sich als antifeministisch bezeichnen und eine große Fangemeinde in der neurechten Bewegung in den USA haben. Auch das nährte Zweifel an seinen Motiven.

In einer Rundmail erklärte Google-Chef Sundar Pichai, eine große Mehrheit der Mitarbeiter habe die Entscheidung unterstützt, Darmore vor die Tür zu setzen. Außerdem kündigte Pichai an, dass die abgesagte Diskussionsrunde zu Genderthemen nachgeholt werde, damit Befürworter und Kritiker ins Gespräch kommen können - allerdings in einem anderen Rahmen, in dem sich die Mitarbeiter "sicher fühlen können, wenn sie offen sprechen".

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