Frauen in Chefpositionen:Allein unter Männern

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Topetagen von Firmen sind reine Männerdomänen. Dabei braucht die Wirtschaft mehr Frauen an der Macht. Wie Regine Stachelhaus. Ein Porträt zum Tag der Siegerinnen.

Alina Fichter

Regine Stachelhaus ist der Beweis dafür, dass mehr möglich ist, als die meisten in Deutschland glauben. Mutter sein und dennoch eine steile Karriere zu machen, zum Beispiel. Und als Topmanagerin nicht abzustumpfen oder bissig zu werden, obwohl sich gerade Frauen den Weg nach oben ganz schön erkämpfen müssen.

Regine Stachelhaus ist seit 2008 Chefin der deutschen Unicef. Dort tut sie, was ihr wirklich wichtig ist: "Hilft man Kindern, verändert sich die Welt nachhaltig." (Foto: Foto: dpa)

Stachelhaus ist eine gut aussehende Dame Mitte fünfzig, elegant und gerne etwas figurbetont gekleidet. Sie tritt höflich und besonnen auf und schwäbelt mit weicher, fast sanfter Stimme. Was sie sagt, klingt allerdings sehr entschieden.

Regine Stachelhaus, des Kinderhilfswerks Unicef, hat den Sprung ganz nach oben geschafft. Acht Jahre lang stand sie der deutschen Tochter des Computer-Herstellers Hewlett-Packard (HP) vor. Damit gehört sie zu den mickrigen sechs Prozent Frauen, die bis ins Topmanagement vordringen - ihr Anteil ist seit Jahrzehnten verschwindend gering. Nur eines der 100 größten Unternehmen wird von einer Frau geleitet:

Mit mehr Bankerinnen hätte es keine Finanzkrise gegeben

Die Führungsebene ist eine Männerdomäne. Dabei bekennen sich inzwischen selbst Männer wie der Hypo-Vereinsbank-Chef Theodor Weimer dazu, dass mehr Frauen ganz oben der deutschen Wirtschaft gut täten. Manche sind gar überzeugt, dass es mit mehr Bankerinnen nicht bis zur Finanzkrise gekommen wäre. "Frauen denken nachhaltiger", sagt auch Stachelhaus.

Frauen, die es so weit bringen wie sie, bleiben dann allerdings häufig kinderlos. Der Spagat zwischen Job und Familie gelingt ihnen nur selten, zumal Betreuungseinrichtungen in Deutschland rar sind. "Tragisch" nennt Stachelhaus das. Sie hat einen mittlerweile erwachsenen Sohn und legte stets Wert darauf, sich jede Woche ein paar Stunden für ihn freizuschaufeln.

Gerade deshalb ist sie jungen ambitionierten Frauen, die weder auf Kinder noch auf Karriere verzichten wollen, ein Vorbild. Dass Stachelhaus vor drei Jahren den gut bezahlten Managerjob für den Chefposten beim Kinderhilfswerk Unicef sausen ließ, macht sie für viele noch sympathischer.

Tatsächlich ist es auch heute noch so, dass Frauen an die sogenannte gläserne Decke, also eine unsichtbare Grenze stoßen, sobald sie über die mittlere Führungsebene hinausstreben.

"Als zierliche Frau wird einem weder Durchsetzungskraft noch Entscheidungsfreude zugetraut", sagt Stachelhaus, und man erkennt an ihrem Tonfall, wie sehr ihr das widerstrebt. "Frauen sind vielleicht weniger aggressiv im Auftreten", sagt sie. Sie seien jedoch häufig geradliniger in der Entscheidungsfindung.

Die Frage, ob auch weibliche Eigenschaften karrierehemmend wirken könnten, wird viel diskutiert. Dabei wird oft angeführt, dass sie sich weniger profilieren wollen und dass sie durch ihr hohes Einfühlungsvermögen zu stark auf andere eingehen, anstatt ans eigene Fortkommen zu denken.

Andererseits können unterschiedliche Herangehensweisen dem Unternehmen auch nutzen: "Kreativ arbeiten und Neues schaffen kann nur, wer ganz verschiedene Perspektiven in einem Team vereint", sagt Stachelhaus. Und dazu gehörten eben auch Frauen - auf allen Ebenen.

"Sexy Bluse", heißt es da plötzlich

Das sehen nicht alle so. Deswegen musste sich Stachelhaus auf dem Weg nach oben so einiges gefallen lassen. Dass sie als Managerin aufgefordert wurde, Kaffee zu servieren, zum Beispiel.

Oder anzügliche Bemerkungen: "Sexy Bluse", hieß es da plötzlich mitten in der Konferenz - mit dem Ziel, die Dame, die da so knallhart verhandelte, aus der Ruhe zu bringen. Am Anfang wurde Stachelhaus noch rot. Aber bald kannte sie diese Machtspielchen und ließ sich davon nicht abhalten, die Karriereleiter weiter emporzuklettern.

Währenddessen führte ihr Gatte zu Hause das Regiment. Er hütete Sohn Moritz - und die Nachbarskinder gleich mit: Bekochte sie und tobte mit ihnen im Wald, spielte Verstecken oder Raumschiff. "Das war das Beste für die Kinder", sagt Stachelhaus, sie selbst habe da viel von ihrem Mann gelernt: "Ich hätte wohl statt zu spielen die Wäsche gewaschen." Moritz studiert inzwischen Betriebswirtschaft in München.

Umso weniger kann Stachelhaus verstehen, weswegen sie von Nachbarn oder Bekannten immer wieder gefragt wurde, wie sie Moritz nur an ihren Mann "ausliefern" könne. "Als ob es einem Kind schadet, wenn die Mutter nicht rund um die Uhr zur Verfügung steht", empört sie sich.

Es komme doch viel mehr auf die Qualität der Zeit an, die man gemeinsam verbringe. Das haben andere europäische Länder längst verstanden: In Frankreich oder Skandinavien sind Krippen auch für Kleinkinder selbstverständlich.

Hierzulande geben nur "Rabenmütter" ihre Schützlinge in fremde Hände - den Begriff gibt es in kaum einer anderen Sprache.

"Um einen Mentalitätswandel anzustoßen, sind Vorbilder nötig", sagt Elke Holst, Geschlechterforscherin am Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Vorbilder wie Stachelhaus.

Ihre Kolleginnen sollten es besser haben

Anstoß zur Veränderung könnte auch sein, dass sich der Fachkräftemangel in Deutschland immer weiter zuspitzt und gut ausgebildete Frauen teilweise zu Hause bleiben, weil Betreuungsmöglichkeiten fehlen. Das sei eine Verschwendung von Arbeitskräftepotential, sind sich Experten einig.

Weil ihre Kolleginnen es mal besser haben sollten, gründete Stachelhaus bei HP eine Kindertagesstätte für Babys und Kleinkinder. Und sie rief ein Mentoring-Programm ins Leben, um Frauen den Austausch über Vereinbarkeits- und Karrierefragen zu ermöglichen. Natürlich setzte sie sich auch immer wieder für mehr Frauen in Führungspositionen ein. Für so viel Engagement wurde sie 2005 zur Managerin des Jahres gekürt.

Ende 2008 wechselte sie an die Spitze von Unicef. Als Managerin hatte sie alles erreicht; jetzt tue sie, was ihr wirklich wichtig ist: "Wenn man Kindern hilft, verändert man die Welt nachhaltig", sagt sie.

Nach einem Spendenskandal unter ihrem Vorgänger ließ Stachelhaus die Satzung ändern, um eine strengere Kontrolle zu ermöglichen. Zudem legt der Geschäftsbericht inzwischen die Spendenverwendung offen. Experten sagen, Unicef habe in kürzester Zeit einen Quantensprung in Sachen Transparenz geschafft.

Ein Tag für Siegerinnen

Zum fünften Mal findet an diesem Montag der Victress Day in Berlin statt, der Tag der Siegerinnen also. Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist es, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. "Die oberste Ebene in Firmen ist viel zu stark von Männern dominiert", sagt Sonja Fusati, eine der Initiatorinnen. Ihr Team ist überzeugt davon, dass Firmen erfolgreicher würden, wenn mehr Frauen in Leitungspositionen arbeiteten: "Durch verschiedene Sichtweisen entsteht eindeutig das beste Produkt." Nur wenn das weibliche Potential genutzt werde, sei Deutschland zukunftsfähig.

Das sehen offensichtlich viele andere genauso: Die Veranstaltung zieht seit ihrer Entstehung im Jahr 2005 die deutsche Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur an. Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutierte schon mit TV-Moderatorin Ulla Kock am Brink, in diesem Jahr kündigen sich Jette Joop und Til Schweiger an. Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg ist Schirmherr. Ein paar Vorträge auf der Tagung sollen den Frauen und Männern Impulse geben, wie die Situation für Frauen und Unternehmen verbessert werden könnte. Herzstück der Veranstaltung ist aber die Abendgala: Dort werden sechs Preise an Frauen verliehen, die es geschafft haben, einer Firma vorstehen oder ambitionierten Nachwuchsmanagerinnen als Vorbild dienen. "Regine Stachelhaus ist auf jeden Fall eine Kandidatin für die kommenden Jahre", sagt Sonja Fusati, weil sie bewiesen habe, dass Karriere und Familie sich nicht ausschlössen.

© SZ vom 14.09.2009/afi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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