Französischer Regierung droht Strafprozess:Crédit Lyonnais wird zum Albtraum

Kalifornien will klagen, die USA verlangen die Auslieferung des früheren Bankchefs und jetzt wird auch noch der Fall Adidas aufgerollt: Die Schatten der Vergangenheit des Crédit Lyonnais werden immer länger.

Von Gerhard Bläske

(SZ vom 16.10.2003) — Die kalifornische Staatsanwaltschaft hat Paris eine Frist bis Ende der Woche gesetzt: Unterzeichnet die französische Regierung nicht bis dahin die Vereinbarung vom 3. September, nach der sie durch ein Teilschuldgeständnis und die Zahlung von 575 Millionen Dollar einen Strafprozess vermeiden kann, droht eine Anklage gegen die Bank.

Dem Institut könnten dann der Entzug der Banklizenz und höhere Zahlungen bevorstehen.

Frankreich akzeptiert Geldstrafe

Die Regierung ist Rechtsnachfolgerin des zum Zeitpunkt der Vorfälle staatlichen Crédit Lyonnais. Der Bank wird vorgeworfen, 1991 trotz des Verbots für ausländische Banken, Beteiligungen von mehr als 25 Prozent an US-Versicherungen zu erwerben, unter Einschaltung der Versicherung Maaf als Strohmann die kalifornische Assekuranz Executive Life samt deren Bestand an Junk Bonds (Ramschanleihen) übernommen und später an den Geschäftsmann Francois Pinault weiter gereicht zu haben.

Obwohl sich der Crédit Lyonnais auf ein eigenmächtiges Vorgehen der damaligen US-Tochter Altus Finance beruft, akzeptierte Frankreich die Geldstrafe. Justizminister Dominique Perben verzögert aber die Unterzeichnung und verlangt Garantien über die Einstellung jeder weiteren juristischen Verfolgung.

Die Affaire hat jedoch erhebliche Weiterungen. Dem Geschäftsmann und Chirac-Freund Francois Pinault droht eine Buße in Milliardenhöhe. Außerdem verlangte die USA die Auslieferung des früheren Crédit-Lyonnais-Chefs Jean-Yves Haberer, was Frankreich ablehnt.

Dagegen muss sich sein Nachfolger Jean Peyrelevade in den USA verantworten. Er trat als Crédit-Lyonnais-Chef zurück, um freie Hand für seine Verteidigung zu haben. Ihm wird nicht vorgeworfen mitgewirkt, sondern von der Angelegenheit schon 1993 erfahren zu haben, ohne die US-Aufsichtbehörden informiert zu haben. Die Behörden sind erst 1998 auf den Fall gestoßen. Peyrelevade bestreitet den Vorwurf, obwohl Dokumente veröffentlicht wurden, die ihn belasten.

Belastende Dokumente im Fall Adidas Doch nun droht dem Institut und damit möglicherweise den Steuerzahlern Ungemach von einer anderen Affaire aus der gleichen Zeit. Im Rahmen der Ermittlungen zu Executive Life stieß die US-Justiz auf Dokumente, die den Crédit Lyonnais im Fall Adidas belasten.

Der Crédit-Lyonnais hatte den Sportartikel-Hersteller Anfang 1993, zusammen mit anderen Investoren für zwei Milliarden Francs von der BTF-Holding des Geschäftsmanns und kurzzeitigen Ministers Bernard Tapie gekauft und Adidas eineinhalb Jahre später für 4,4 Milliarden Francs an den Unternehmer Robert Louis-Dreyfus weitergegeben.

Dieser verkaufte das Unternehmen im November 1995 für elf Milliarden Francs an der Börse. Die 361 Altaktionäre der Tapie-Holding, die sich zusammengeschlossen haben, wollen nun in den USA gegen ihre damalige "Enteignung", wie sie es nennen, klagen.

Nach US-Gesetzen durften Banken nicht mehr als 20 Prozent an Unternehmen mit einer Tochtergesellschaft in den USA besitzen. De jure hielt sich der Crédit Lyonnais daran, de facto aber soll er diese Bestimmung über die als Strohmänner eingesetzten Fonds umgangen haben.

Könnte die US-Justiz dies beweisen, würde sich die Situation der Bank juristisch verschlechtern und es drohten neue Millionenbußen. Bernard Tapie beteiligt sich an der Klage nicht, könnte aber in den USA aussagen müssen. Er verlangt übrigens auch eine Entschädigung.

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