Frankreich:Kleine Reform, großer Streit

Der Konflikt um die Arbeitsreform wächst sich aus - inzwischen geht es auch um die Versammlungsfreiheit.

Von Leo Klimm

Der Konflikt um die Arbeitsreform in Frankreich wächst sich aus - inzwischen ist es auch ein Streit über die verfassungsmäßige Versammlungsfreiheit: Weil es bei früheren Umzügen gegen die Reform zu Ausschreitungen kam, drohen Regierung und Polizei CGT-Chef Philippe Martinez und seinen Mitstreitern von anderen Gewerkschaften mit dem Verbot einer Demonstration in Paris am Donnerstag. Um die Lage diesmal unter Kontrolle zu behalten, wollen die Behörden allenfalls eine "statische Versammlung" genehmigen, eine Steh-Demo ohne Marsch über die Boulevards. Die Gewerkschaften lehnen das ab. Ihnen zufolge wäre diese Form des Protests auch "viel gefährlicher". Vor allem vermuten sie einen Versuch der sozialistischen Regierung, den missliebigen Widerstand gegen die Neufassung des Arbeitsrechts zu brechen.

Premierminister Manuel Valls sagte jüngst, er wolle "jetzt schnell vorangehen und dieses Gesetz verabschieden lassen". Der Dissens mit der CGT und den übrigen Reformgegnern sei nicht zu überwinden. "Der Entwurf wird weder zurückgezogen noch in seiner Grundausrichtung verändert noch wird es eine Neufassung der zentralen Artikel geben", so Valls. Das Gesetz liegt derzeit im französischen Senat; dort wird es von der konservativen Mehrheit noch verschärft werden. Am 5. Juli kommt der Entwurf zurück in die Nationalversammlung, wo ihn die Regierung in die Kompromissfassung zurückversetzen wird, die sie mit der gemäßigten Gewerkschaft CFDT ausgehandelt hat. Unklar ist, ob Valls wie bei der ersten Lesung wieder keine eigene Mehrheit hat und für die Annahme auf einen Notparagrafen zurückgreifen muss.

Wichtigster Streitpunkt mit den linken Reformgegnern ist der Plan, Arbeitszeit-Vereinbarungen der Sozialpartner auf Betriebsebene Vorrang einzuräumen vor Tarifverträgen und der gesetzlichen 35-Stunden-Woche. Die CGT befürchtet, dies gebe den Arbeitgebern zu viel Druckpotenzial. Zudem wendet sie sich gegen Referenden in Unternehmen, mit denen Gewerkschaften überstimmt werden könnten. Das Gesetz sieht auch die Erleichterung betriebsbedingter Kündigungen vor: Kleine Firmen sollen sie aussprechen können, wenn ihr Umsatz in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen sinkt. Für große Firmen gelten längere Fristen. Aufgegeben hat die Regierung ihr ursprüngliches Vorhaben, Abfindungen für gekündigte Mitarbeiter zu deckeln.

Valls und Arbeitsministerin Myriam El Khomri hoffen, durch die Flexibilisierung des Arbeitsrechts den Unternehmen eine verbreitete Furcht vor unbefristeten Anstellungsverhältnissen zu nehmen und so die Arbeitslosigkeit zu senken. Ökonomen bewerten die Erfolgsaussichten jedoch zurückhaltend: Das arbeitgebernahe Institut COE-Rexecode erwartet die Schaffung von "mindestens 50 000 Jobs". Das links geprägte Institut OFCE rechnet mit keinem positiven Effekt.

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