Frankreich: G-20-Präsidentschaft:Solo für Sarkozy

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kämpft für eine neue Weltfinanzordnung. Doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Erstens lassen ihn die Partner im Stich. Zweitens fragen sich alle: Nimmt Sarkozy den Mund mal wieder zu voll?

Claus Hulverscheidt

Schluss mit der Nahrungsmittel-Spekulation! Kampf den Finanzmarktzockern! Weg mit freien Wechselkursen! Her mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung! Die Überschriften, unter die der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Arbeit der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in diesem Jahr gestellt hat, könnten hochtrabender kaum sein.

Nicolas Sarkozy TV interview

Nicolas Sarkozy während eines TV-Interviews auf dem Channel 1.

(Foto: dpa)

Nicht einmal seine eigenen Berater bestreiten noch ernsthaft, dass Sarkozy am Ende den Mund wieder einmal zu voll genommen haben könnte. Wie schwer es wird, auch nur einige seiner ambitionierten Ziele zu erreichen, dürfte sich bereits beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den G-20-Staaten an diesem Freitag und Samstag in Paris erweisen.

Natürlich wollen die Partnerländer den stolzen Präsidenten nicht düpieren. Deshalb haben Deutschland, die USA, Brasilien, Indonesien, Südafrika und die anderen bereits vereinbart, viele strittige Punkte in eine Arbeitsgruppe auszulagern. Diese soll vom deutschen Staatssekretär Jörg Asmussen geleitet werden und in den kommenden Monaten Vorschläge für ein stabileres Weltwährungssystem erarbeiten.

Sarkozys Finanzministerin Christine Lagarde hat dafür im Vorfeld bereits das griffige Schlagwort "Bretton Woods II" geprägt und erklärt, sie könne sich ein Ende des Systems freier Wechselkurse und die Einführung von Schwankungsbreiten für einzelne Währungsrelationen vorstellen.

Allein der Begriff löste in Washington und Berlin Unbehagen aus, denn weder die amerikanische noch die deutsche Regierung hat ein Interesse an einem radikalen Wechsel des Währungssystems, wie er 1944 in Bretton Woods in den Wäldern New Hampshires verabredet worden war. "Die Franzosen haben ihre Vorstellungen, andere haben eine andere", heißt es vieldeutig in G-20-Kreisen.

Auftrag von Asmussen

Stattdessen soll Asmussens Arbeitsgruppe ein Konzept austüfteln, das dazu führt, die Dominanz des US-Dollar innerhalb des Weltwährungssystems zugunsten des Euro und des chinesischen Renminbi abzubauen und eine allzu interessengeleitete Wechselkurspolitik einzelner Regierungen zu verhindern.

Dabei wird es auch um die Frage gehen, wozu ein Land wie China eigentlich Devisenreserven in der unvorstellbaren Höhe von 2,8 Billionen Dollar ansammelt. "Die Frage ist: Was wollen die damit?", heißt es in den Kreisen. Ein weiterer Punkt sind die schwankenden Zu- und Abflüsse von Auslandskapital, die Schwellenländern wie Brasilien und der Türkei die Inflationsbekämpfung massiv erschweren.

Wie verhält sich die Bundesregierung?

Noch völlig offen ist, ob die G-20-Staaten Maßnahmen zum Abbau der gravierenden weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte verabreden werden - und ob das eine Mehrheit überhaupt für notwendig erachtet. Vereinfacht gesagt stehen auf der einen Seite Länder wie Deutschland und China, die mehr Waren und Dienstleistungen anbieten, als sie auf dem heimischen Markt verkaufen können. Auf der anderen Seite sind etwa die USA, wo Staat, Bürger und Firmen permanent mehr ausgeben, als sie erwirtschaften.

Sarkozy will daher fünf Kriterien zur Messung der Ungleichgewichte einführen: die Entwicklung der Leistungsbilanzsalden, der Grad des politischen Einflusses auf die realen Wechselkurse, der Stand der nationalen Währungsreserven, die Entwicklung von Haushaltsdefizits und Schuldenstand eines Landes sowie die jeweilige private Sparquote.

Die Bundesregierung trägt diesen Kriterienkatalog offiziell mit, will aber erreichen, dass ein Land nur dann zu Reformen gedrängt werden kann, wenn es gleichzeitig gegen mehrere Kriterien verstößt: So wäre beispielsweise der immense Außenhandelsüberschuss Deutschlands kein Anlass für eine Abmahnung, derjenige Chinas aber sehr wohl. Grund: Aus Sicht der Bundesregierung sind die deutschen Exporterfolge Ausdruck der hohen Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen, während China seine Rekordausfuhren nicht zuletzt staatlich manipulierten Wechselkursen zu verdanken hat.

Auch für die Frage der jüngsten Preissteigerungen bei Rohstoffen und Nahrungsmitteln ist noch kein Patentrezept der G-20-Staaten in Sicht. Dass die hohen Kosten gerade für viele Entwicklungsländer ein riesiges Problem darstellen, ist unstrittig. Schon bei der Frage aber, ob Spekulanten den Preisanstieg verursacht oder zumindest verschärft haben, gehen die Meinungen weit auseinander.

Experten schätzen, dass 29 Länder die drohende Nahrungsmittelknappheit ohne externe Hilfe nicht werden bewältigen können. So sei etwa der Mais-Preis allein im Januar in Mosambik um 20 und in Bolivien um 40 Prozent gestiegen. Eine Milliarde Menschen - also jeder sechste Erdbewohner - würden inzwischen wieder als unterernährt eingestuft.

Lagarde stimmte ihre Landsleute am Donnerstag in einem Radio-Interview bereits darauf ein, dass die Erfolge des französischen G-20-Vorsitzes überschaubar bleiben könnten. Als Beispiel nannte sie den Streit über die wirtschaftlichen Ungleichgewichte: "Einige Länder", so die Ministerin, "wollen nicht, dass sie als Vertreter einer bestimmten Politik identifiziert werden." Darauf, Deutschland zu nennen, verzichtete sie.

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