Frankreich:Freundliche Rücksicht

Der Pariser PSA-Konzern spart mit Kritik an den deutschen Skandalkonzernen, aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Denn er will nach der Übernahme von Opel vom guten Ruf deutscher Wertarbeit profitieren.

Von Leo Klimm, Paris

Carlos Tavares könnte Schadenfreude empfinden angesichts der Skandale, die seine deutschen Rivalen erleben. Doch nein - der Kartellverdacht und die Dieselaffären bei der Konkurrenz sorgten ihn, sagt Tavares, sehr sogar. "Mich beschäftigt die Häufung der Vorfälle und ihre Folgen für die Industrie", sagt der Chef des Pariser PSA-Konzerns, zu dem die Marken Peugeot und Citroën gehören.

"Wir haben mit der Sache nichts zu tun", beteuert Tavares am Mittwoch mit Blick auf die Kartellaffäre in Deutschland. Als ein Opfer womöglich unlauterer Praktiken der deutschen Hersteller sehe er sich aber auch nicht. Natürlich müsse das EU-Wettbewerbsrecht durchgesetzt werden. Er wolle jedoch "nicht aggressiv und mit juristischen Mitteln" gegen die Konkurrenz vorgehen. Stattdessen warnt der PSA-Chef vor einem erheblichen Imageschaden für die gesamte europäische Autoindustrie.

Die freundliche Rücksicht, mit der Tavares die deutschen Autoskandale kommentiert, lässt erahnen, wie heikel der Komplex aus Dieselbetrug und Kartellvorwürfen auch für den Pariser Hersteller ist. Das mag zum einen daran liegen, dass Frankreichs Justiz inzwischen wegen des Verdachts auf Motoren-Manipulationen gegen PSA ermittelt. Ungelegen kommen die Skandale bei der deutschen Konkurrenz aber auch aus anderem Grund: Mit der laufenden Übernahme von Opel, die vor Jahresende abgeschlossen sein soll, holt sich Tavares selbst einen deutschen Hersteller in den Konzern. Opel ist von Betrugs- und Kartellvorwürfen bisher zwar weitgehend ausgenommen. Tavares fürchtet dennoch, dass das einst hohe Ansehen leidet.

"Da wir dabei sind, eine deutsche Marke zu kaufen, haben wir nichts zu gewinnen an diesem Imageschaden", sagt Tavares. Sein Übernahmeplan basiert gerade auf der Idee, nach der - dringend nötigen - Sanierung von Opel teilzuhaben am Markenversprechen von Qualität und Zuverlässigkeit, an dem die deutschen Opel-Konkurrenten so gut verdienen. Und Skandal hin oder her: Tavares schwärmt von der "Germanitüde", die Opel für sich nutzen solle, und von der "deutschen Dimension", die PSA mit der 2,2 Milliarden Euro teuren Übernahme des krisengebeutelten Herstellers aus Rüsselsheim gewinne.

Abseits aller Sorgen ums Image ist eine andere diffizile Frage für Tavares ebenso wie für Opel, wie deutsch - und wie selbständig - das künftige Tochterunternehmen wirklich sein darf. Auch hier kündigt sich ein heikler Balanceakt an.

"Die Sanierung von Opel wird nicht aus Paris gesteuert, sondern aus Rüsselsheim", versichert Tavares. Zugleich macht er selbst sehr klare Vorgaben an die Opel-Führung: In drei Jahren muss der kleine Hersteller mitsamt der britischen Tochter Vauxhall rentabel sein. 2026 muss er dann eine beachtliche operative Gewinnmarge von sechs Prozent schaffen. Dafür, sagt Tavares, gebe es Hilfe aus Paris: Die Konzernmutter PSA, die mit der Beinahe-Pleite 2013 selbst "eine Nahtoderfahrung" durchlebt habe, stehe als "Benchmark", als ständige Vergleichsgröße, zur Seite. Hundert Tage gibt er der Opel-Führung ab Vollzug der Übernahme, um einen Sanierungsplan vorzulegen. Der PSA-Chef macht außerdem klar, dass er die in Rüsselsheim entwickelten GM-Patente, die in Opel-Fahrzeugen stecken, "so schnell wie möglich durch PSA-Technologie ersetzen" will.

Der Konzern, in den Opel so eingegliedert werden soll, macht dem deutschen Zukauf bereits vor, was erwartet wird: Für das erste Halbjahr 2017 präsentierte PSA am Mittwoch eine Rekordmarge von 7,3 Prozent. Gewinn und Umsatz steigen, obwohl der Absatz im Kernmarkt Europa schwächelt.

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