Frank Stronach:Der listige Steirer

Viel geschafft - manches vermasselt: Frank Stronach hat aus dem Nichts einen der größten Autozuliefererkonzerne der Welt geschaffen. Nun greift er nach Opel.

Man muss fair sein zu de Leit!" Das Postulat, fair zu sein zu den Leuten, trug der kleine, stets braungebrannte weißhaarige Herr lange vor sich her wie der Pfarrer die Monstranz bei der Fronleichnamsprozession.

Stronach, AP

Frank Stronach - einer der beiden weltweit bekanntesten Steirer

(Foto: Foto: AP)

Frank Stronach, Gründer des kanadisch-österreichischen und weltweit agierenden Autozuliefererkonzerns Magna, bringt diesen und andere Sätze zudem in einem putzigen, sympathischen Idiom vor: Englisch spricht der Ausnahme-Unternehmer mit steirischem Einschlag, und wenn er Steirisch spricht, klingt kanadisches Englisch durch.

Stronach kultiviert das regelrecht, als wäre er lieber Clown denn Industrieboss geworden. Fair zu sein, das allerdings unterliegt bei ihm ganz eigenen Regeln: Gerade hat Magna seinen Beschäftigten in Österreich einen Gehaltsverzicht von 20 Prozent abgepresst - wegen der Krise und in "demokratischer" Abstimmung, wie es heißt. Kritiker sprechen schlichtweg von Erpressung Abhängiger.

Hohe Verluste

Und jetzt will Frank Stronach Opel haben. Die Magna-Belegschaft ist höchst unsicher: Zockt uns da einer ab? Oder dient beides doch dem Überleben des Riesen Magna? Denn auch der bislang sehr erfolgreiche Konzern, der mit fast allen Autoherstellern dieser Welt im Geschäft ist, hat in der Krise Federn lassen müssen.

Im ersten Quartals 2009 verbuchte er einen Verlust von 199 Millionen Dollar, während sich der Quartalsumsatz im Vergleich zum Vorjahr auf 3,6 Milliarden Dollar nahezu halbierte. Schwer zu sagen, was Stronach selbst in seinem bald 77 Jahre währenden Leben als fair erfahren und verstanden hat. Er ist immerhin einer der beiden weltweit bekanntesten Steirer: Berühmter ist nur noch die "steirische Eiche", der einstige Film-Muskelprotz und kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger.

Gespür für Autos

Stronach stammt aus Kleinsemmering bei Weiz, dem blühenden Apfelland der Steiermark. Er hieß noch Franz Strohsack, als der gelernte Werkzeugmacher in den fünfziger Jahren mit, wie die Legende sagt, nur 200 Dollar in der Tasche ins ferne Kanada auswanderte. Der "Steirerbub" hat - ganz nach dem Klischee des amerikanischen Traums - mit vielerlei Jobs, so auch als Tellerwäscher, die Basis für sein Imperium geschaffen.

Er muss ungemein fleißig gewesen sein und viel Gespür für Autos gehabt haben. Aus einer kleinen Ein-Mann-Werkstatt machte er in wenigen Jahren einen kleinen Zulieferer, den er später in Magna umbenannte. Schon in den 60er Jahren begann er in kleinstem Stil für General Motors zu produzieren, jenem maroden Großkonzern, dem er nun Teile der Tochter Opel abkaufen will. Heute beschäftigt Magna mehr als 70000 Menschen an 326 Standorten in 25 Ländern.

Glück in der Niederlage

Selbst als gerissener, harter Geschäftsmann hat Stronach seine sympathisch steirische, wiewohl teure Naivität nicht verloren. Als er nach Jahrzehnten als gefeierter Sohn des Landes nach Österreich heimgekehrte, warf er sich als Sponsor für den Erstligaverein Austria Wien ins Fußballgeschäft, wurde für Jahre Boss der österreichischen Bundesliga. Irgendwie muss er sich in der Sportart geirrt haben, denn Schlittenfahren mit Funktionären und Trainern war seine Lieblingsdisziplin. Heute hält er sich seinen eigenen Klub.

Mehrfach verloren

Gescheitert ist Stronach auch mit dem Plan, im Süden Wiens in einer riesigen futuristischen Kugel ein Amüsierzentrum aufzuziehen. Nun versucht er mit einer koffeinhaltigen Limonade, die als "Frank's Energy Drink" firmiert, gegen den Branchenriesen Red Bull anzutreten.

Im niederösterreichischen Ebreichsdorf zog er eine Art Disney-Dorf hoch: In pseudoklassizistischen Bauten zwischen gestriegeltem Rasen residiert seine Europazentrale. Hier nahm er auch eine eigene, ruinöse Trabrennbahn in Betrieb. Rundherum hat er ein plastifiziertes Wohnareal gruppiert, in dem Wirtschafts- und politische Größen Österreichs seltsame Neuschwanstein-Villen bewohnen.

Stronach und die Politik, das ist ein eigenes Kapitel. Er selbst scheiterte bei dem Versuch, Abgeordneter in Kanadas Parlament zu werden. Später befeuerte er den politischen Ehrgeiz seiner Tochter Belinda, die es immerhin zur Arbeitsministerin brachte. Dafür gab sie die Chefposition im Magna-Konzern auf, die der Patriarch lieber ihr als seinem Sohn anvertraut hatte. Er engagierte hoffnungsfrohe und abgehalfterte Politiker fast aller austriakischen Parteien.

Karl-Heinz Grasser, den rechtsradikalen Emporkömmling und einstigen Intimus des FPÖ-Bosses Jörg Haider, holte er als eine Art Kommunikationschef nach Ebreichsdorf. Direkt vor dem Hinauswurf bei Magna wegen durchschlagender Erfolglosigkeit machte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel das vermeintliche Wunderkind Grasser zum Finanzminister der nationalkonservativen Regierung in Wien.

Übernahme zum Markterhalt

Frank Stronach ist ein Musterbeispiel für den schönen Spruch von Friedrich Torbergs Tante Jolesch, es möge einem "alles erspart bleiben, was am Ende noch ein Glück gewesen ist".

Denn nach dem Ende des Daimler-Chrysler-Fusionsabenteuers kam er - zum Glück - bei der Übernahme von Chrysler nicht zum Zuge. Jetzt versucht er es mit bescheideneren Anteilen von Opel. Das soll dem Erhalt des eigenen, erodierenden Marktes dienen. Die Lieferungen an General Motors machen immerhin nahezu ein Fünftel des Magna-Geschäfts aus.

Selbst als großer Autoproduzent mit anderen Herstellern zu konkurrieren, behagt Stronach nach Kennermeinung jedoch nicht wirklich - obwohl er in Granz längst komplette Fahrzeugreihen für andere Hersteller montiert, darunter für Mercedes und BMW.

Ob es nach einer möglichen Übernahme bei Opel fair zugehen wird? Stronachs Verhältnis zu Mitbestimmung, Arbeitnehmerrechten und Gewerkschaften ist schlüssig mit der Überzeugung des Magna-Gründers beschrieben, er wisse doch selbst am besten, was für seine Leute gut sei.

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