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Für ForumSZ-WIR Seite 02 vom Montag, 1. August 2016

Friederike Welter ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn und Lehrstuhlinhaberin in Siegen. Wegen ihrer Forschung ist Welter in den Kreis der Wilford L. White Fellows aufgenommen worden.

In Deutschland schauen immer alle auf das amerikanische Silicon Valley. Dabei ist der deutsche Mittelstand genauso innovativ.

Von Friederike Welter

Wer Rang und Namen hat, reist seit geraumer Zeit ins US-amerikanische Silicon Valley, um das Erfolgsgeheimnis großer Internetunternehmen und sogenannter Start-ups im Bereich der Informations-und Kommunikationstechnologien zu erkunden. Dahinter steht die Sorge, die deutschen Unternehmen würden sich auf ihren Erfolgen ausruhen, die sie in der Vergangenheit weltweit mit ihren innovativen Produkten und Technologien erzielt haben. Dahinter steht aber auch die Befürchtung, die deutsche Wirtschaft könne aufgrund fehlenden Innovationspotenzials international ins Hintertreffen geraten.

Erst Anfang dieses Jahres hat das "Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands" die Innovationsintensität und -ausgaben der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als zu gering bezeichnet. Die hier herangezogenen Indikatoren nehmen aber ausschließlich technologische Innovationen in den Blick. Für KMU bieten auch und gerade nicht-technologische Innovationen Ansatzpunkte, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder zu steigern.

Auch wurde in dem Gutachten gefordert, dass Deutschland mehr Anstrengungen unternehmen müsse, um dem Rückgang der Gründungsraten entgegenzuwirken. Beide Aspekte sind durchaus richtig: So steht außer Zweifel, dass seit fünf Jahren die Gründungszahlen im gewerblichen Bereich kontinuierlich sinken. Dafür entwickelt sich jedoch der Anteil der freiberuflichen Existenzgründungen positiv:

Erst im vergangenen Jahr ist die Gesamtzahl zum vierten Mal in Folge gestiegen. Ursächlich hierfür ist unter anderem der strukturelle und technologische Wandel, der dazu führt, dass viele Gründer heutzutage mit einem sehr viel kleineren Betriebsumfang starten können, als es beispielsweise für eine industrielle Fertigung erforderlich ist. Da Kleinstunternehmen in der Innovationsberichterstattung komplett ausgeblendet werden, besteht ein blinder Fleck in der Innovationsstatistik.

Neugründungen − gleich, ob im gewerblichen oder freiberuflichen Bereich − sorgen für Wettbewerbsdruck und zwingen bestehende Unternehmen dazu, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Gelingt es diesen Gründungen zudem, marktreife innovative Produkte und Dienstleistungen zu generieren, müssen etablierte Unternehmen kontinuierlich innovieren, um gegenüber den jungen Unternehmen konkurrenzfähig zu bleiben.

Doch lässt sich daraus wirklich zwingend die Konsequenz ableiten, dass dem Rückgang der Gründungsraten wirtschaftspolitisch entgegengewirkt werden muss? Warum vertraut man nicht auf die nachweislich hohe Innovationsbereitschaft der Unternehmen, die natürlich aufgrund der unterschiedlichen finanziellen und personellen Ausstattung zwischen den verschiedenen Unternehmensgrößen differiert? Zum Mittelstand zählen nicht nur kleine und mittlere Unternehmen, sondern auch große Familienunternehmen, solange sie noch von der Familie geführt und mehrheitlich im Familienbesitz sind.

Die Unternehmen agieren unterschiedlich, aber alle haben die Konkurrenz fest im Blick

Im vergangenen Jahr hat eine repräsentative Umfrage des IfM Bonn unter mittelständischen Unternehmen aufgezeigt, dass sie ihre Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit fest im Visier haben. Schließlich sehen sie sich − gleich welcher Größe und Branche − einer hohen Wettbewerbsintensität ausgesetzt. Durchaus unterschiedlich sind dagegen die Unternehmensstrategien, auch wenn alle prinzipiell versuchen, innovative Produktentwicklungen in ihren angestammten Märkten zu realisieren oder sich durch Qualität hervorzuheben.

Dabei setzen unterschiedliche Gruppen im Mittelstand unterschiedliche Prioritäten: So verfolgen eher größere Familienunternehmen, die den Generationenwechsel zum Teil bereits vollzogen haben, vorrangig Produkt- oder Verfahrensneuerungen. Eher junge und kleinere Unternehmen arbeiten an ihrer Marktpositionierung oder der Erschließung neuer Märkte für ihre Produkte und Leistungen.

Der Erfolg vieler großer Familienunternehmen gründet darauf, dass sie individuelle Lösungen für ihre Kunden zu schaffen suchen beziehungsweise die Technologieführerschaft innerhalb ihrer Branche anstreben. Auch fällt die hohe Investitionsbereitschaft in Forschung und Entwicklung auf: 2012 investierten die großen Familienunternehmen beispielsweise im Durchschnitt 3,3 Prozent ihres Jahresumsatzes in den Bereich Forschung und Entwicklung (F & E). Jedes dritte Unternehmen wies in diesem Jahr sogar eine durchschnittliche F & E-Quote von vier Prozent auf. Zum Vergleich: Im Durchschnitt investierten zu diesem Zeitpunkt die Unternehmen in Deutschland lediglich 1,9 Prozent ihres Jahresumsatzes in F & E.

Neben der eigenen Forschung kooperieren die großen Familienunternehmen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie mit den Unternehmen entlang der eigenen Wertschöpfungskette. Dadurch können sie nicht nur finanziellen und personellen Aufwand reduzieren, sie erhalten auch Zugang zu neuem Wissen und verteilen das Risiko auf mehrere Schultern. Ein Grund im Übrigen, warum auch KMU gerne Kooperationen schließen. Allerdings bedeutet eine solche Zusammenarbeit auch mehr Abstimmungsaufwand, als wenn F & E hausintern stattfindet.

Hinzu kommt, dass unter Umständen die Verwertung der Ergebnisse nicht ausschließlich einem Unternehmen zur Verfügung steht. Gerade die industriellen Mittelständler entwickeln daher ihre Produkte vielfach selbst − oder in Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden. Dabei zeigen sie sich durchaus offen für Innovationen entlang der Wertschöpfungskette.

Unter den KMU war zwar infolge der weltweiten Banken- und Finanzkrise die Quote derjenigen gesunken, die erfolgreich Produkt-, Prozess- oder nichttechnologische Innovationen hervorbringen. Seit 2012 ist hier jedoch eine leichte Trendwende erkennbar, was eine Umfrage jüngst bestätigte.

All dies belegt: Der deutsche Mittelstand ist innovativ, wenn auch nicht unbedingt mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten − und er sucht aktiv nach Wegen, dies auch langfristig zu bleiben. Wichtig hierfür ist, dass sich die Verantwortlichen regelmäßig mit der Situation ihres Unternehmens auseinandersetzen. Erst im vergangenen Jahr hat eine Studie des IfM Bonn nachgewiesen, dass dann kleine Unternehmen nicht nur Wachstumsschwellen problemlos überstehen, sondern auch mit hohen Steigerungsraten belohnt werden. Zu finden sind diese innovativen Unternehmen in verschiedenen Branchen − nicht nur im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich.

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