Forum:Freude an Forschung vermitteln

2012_Henkel_GB_0534.jpg

Dr. Simone Bagel-Trah, Vorsitzende des Aufsichtsrats und des Gesellschafterausschusses von Henkel und Schirmherrin Forscherwelt.

(Foto: Claudia Kempf)

Wenn Deutschland mit seiner Innovationskraft im globalen Wettbewerb mithalten will, muss es viel mehr tun als bisher - und möglichst früh bei Schülern den Entdeckergeist wecken.

Von Simone Bagel-Trah

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, also die sogenannten Mint-Fächer, gehören zu den wichtigen Disziplinen, die Deutschland innovativ und wettbewerbsfähig halten sollen. Umso entscheidender ist hier qualifizierter Nachwuchs. Doch immer noch interessieren sich nicht genügend junge Menschen für diese Bereiche. Politik, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Eltern müssen daher noch stärker als bisher an einem Strang ziehen, um naturwissenschaftliche Bildung in Deutschland zu fördern. Dazu gehört auch, das Interesse und den Entdeckergeist von Kindern möglichst früh zu wecken.

"Die Neugierde der Kinder ist der Wissensdurst nach Erkenntnis, darum sollte man diese in ihnen fördern und ermutigen": Davon war bereits vor rund 350 Jahren der englische Philosoph John Locke überzeugt, der geniale Universalgelehrte, der sich für Logik und Ethik genauso interessierte wie für Medizin und Naturwissenschaften. Frühzeitig den Drang der jungen Menschen nach Wissen zu fördern - diese Aufgabe ist immer noch hochaktuell und für mich eines der wichtigsten Bildungsziele, um qualifizierten Nachwuchs in Deutschland zu entwickeln. Leider finden aber immer noch zu wenige Talente, und besonders Frauen, den Weg in die Naturwissenschaften.

Um Kinder und Jugendliche nachhaltig für diese Fächer zu begeistern, müssen wir ihnen früh einen Zugang zur naturwissenschaftlichen Forschung ermöglichen, ihnen zeigen, was den Beruf eines Forschers wirklich ausmacht und ein authentisches Erlebnis der Naturwissenschaften vermitteln. Denn häufig sind Forscher in ihrer Vorstellung langweilige, eigenbrötlerische Einzelgänger - und das entspricht natürlich nicht der Realität. Dass die Arbeit eines Forschers spannend und abwechslungsreich ist, lernen Kinder zum Beispiel in der "Henkel-Forscherwelt" - einer internationalen Bildungsinitiative, die unser Unternehmen vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. Das didaktische Konzept wurde in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum entwickelt und umgesetzt. Unter dem Motto "Wie ein Forscher sein" lernen Grundschulkinder die Welt der Forschung kennen. Dabei ist Neugierde gefragt und Spaß erlaubt. In Düsseldorf etwa erfahren die Kinder in Unterrichtsreihen und Ferienkursen hautnah, was es heißt, ein Forscher zu sein. In eigens für sie entwickelten Versuchen experimentieren sie selbständig in Gruppen und entdecken die Geheimnisse der Naturwissenschaften. Zwischen den Experimenten bleibt Zeit für Austausch, Entspannung und Bewegung. In dem bunt gestalteten Erlebnisraum können die Kinder kreativ werden, selbst tüfteln und sich wohl fühlen. Was am Ende der aufregenden Forschertage bleibt, sind die glänzenden Augen der kleinen Entdecker, spätestens wenn sie ihr "Forscherdiplom" in den Händen halten. Und vor allem viele spannende Erfahrungen. Die Initiative ist mittlerweile auch in anderen Ländern aktiv, beispielsweise in Moskau mit einem Wissenschaftsmuseum für Kinder, oder in Argentinien, der Türkei und in Irland mit Schulprojekten.

Die Förderung junger Menschen in den Mint-Berufen ist für die Industrienation Deutschland und ihre Innovationskraft existenziell. "Invented in Germany" ist ein Qualitätsbegriff - und das soll auch so bleiben. Immer wieder warnen Wirtschaftsinstitute davor, dass der Fachkräftemangel in diesen Disziplinen das "Geschäftsmodell Deutschland" bedrohe. Das Interesse an den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtungen ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Doch insgesamt finden immer noch zu wenige junge Menschen den Weg in einen solchen Beruf.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen verlassen viele der internationalen Studierenden Deutschland schon auf dem Weg von der Hochschule in den Beruf. Und das, obwohl es hier viele Chancen auf einen guten, qualifizierten Arbeitsplatz gibt. Zum anderen sind die Abbruchquoten viel zu hoch. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beenden in den Disziplinen Mathematik und Naturwissenschaften nur etwa 70 Prozent der Studierenden an Fachhochschulen ihr Studium. Die Erfolgsquote an Universitäten liegt sogar nur bei 61 Prozent.

Auch der Frauenanteil ist viel zu gering. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge sind nur 15 Prozent der 7,5 Millionen Mint-Beschäftigten Frauen. Der Anteil steigt zwar langsam, ist aber immer noch sehr unterdurchschnittlich. Und das fängt schon in der Ausbildung an: Unter den Mint-Auszubildenden sind derzeit nur zwölf Prozent weiblich, und nur knapp ein Drittel der Studienanfängerinnen entscheidet sich für diese Disziplinen.

Diese Zahlen sind erschreckend. In Pisa-Tests im Bereich der Naturwissenschaften sind die Leistungen beider Geschlechter ähnlich. Manche Kritiker vermuten daher, dass das angeblich geringere Interesse von Mädchen für technische und naturwissenschaftliche Berufe durch Rollenbilder in der frühkindlichen Erziehung beeinflusst wird. Mint-Bildung ist daher eine Aufgabe, die viele angeht, und deshalb müssen wir schon in der Kindheit und Jugend ansetzen. Wirtschaft und Bildungseinrichtungen müssen noch enger zusammenarbeiten. Wir müssen uns dafür einsetzen, diese vorgefertigten Rollenbilder, die Mädchen und Jungen früh prägen, zu entkräften. Kinder sollten noch stärker darin unterstützt werden, ihre Talente und Interessen zu entdecken. Gerade bei jungen Schülerinnen muss es besser gelingen, ihre Freude am Ausprobieren und Erkennen zu wecken; das muss unser aller Ziel sein.

Forschung und Entwicklung brauchen nämlich Vielfalt. Denn Vielfalt ist für die Entfaltung von Innovation enorm wichtig. Wir erleben das bei Henkel täglich in der Praxis: Teams mit unterschiedlichen Erfahrungswelten und Kenntnissen sind besser in der Lage, intelligente und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Doch in der deutschen Wissenschaft ist die Zusammenstellung oft eher homogen: Dem Stifterverband zufolge sind 81 Prozent des wissenschaftlichen Forschungspersonals männlich, mehr als 95 Prozent haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Diversity sieht anders aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: