Formel-1-Chef Ecclestone in München vor Gericht:"Er wollte Geld"

+++ Zu Beginn des Bestechungsprozesses gegen Ecclestone bezichtigt der Formel-1-Boss den Kronzeugen Gribkowsky der Erpressung und Lüge +++ Staatsanwälte werfen Ecclestone Schmiergeldzahlung von 44 Millionen Dollar vor +++ Angeklagter will neue Dokumente präsentieren +++

Die Entwicklungen im Newsblog von Bastian Brinkmann und Christoph Giesen

  • Der Korruptionsprozess gegen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone in München hat begonnen
  • Staatsanwalt legt Ecclestone zur Last, den ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar bestochen zu haben
  • Der Angeklagte will Gribkowsky nur bezahlt haben, weil der ihm andernfalls habe schaden wollen
  • Ecclestone wirft dem Kronzeugen vor, gelogen zu haben

Die Erklärung des Angeklagten: Die Verteidigung liest für Ecclestone eine Erklärung in seinem Namen vor, in Ich-Form. "Ich bin dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit erhalte, mich zu äußern", beginnt die Erklärung, die als mehrstündiger Vortrag angekündigt ist. Ecclestone spricht von "Dokumenten, die der Kammer bisher nicht vorliegen", die beweisen sollen, dass "die Anklageschrift nicht zutreffend" ist. Wichtigster Punkt: Gerhard Gribkowsky, der BayernLB-Banker und Kronzeuge gegen Ecclestone, "hat in entscheidenden Punkten die Unwahrheit gesagt." Die Unterlagen, die das beweisen sollen, wird das Gericht wohl erst zu sehen bekommen, wenn Gribkowsky ausgesagt hat - immerhin sollen sie anschließend belegen, dass er lüge. Ecclestone liest die Erklärung mit, in englischer Übersetzung. Er sitzt gebeugt, hat die Brille abgesetzt. Sein Augenlicht ist schlecht. Fragen von Gericht und Staatsanwalt will er erst beantworten, wenn Gerhard Gribkowsky ausgesagt hat.

Die Strategie der Verteidigung: Wenn der Kronzeuge Gribkowsky schon wegen Bestechlichkeit verurteilt wurde - kann der mutmaßlich Bestechende dann noch straffrei davonkommen? Die Strategie der Verteidigung ist, Ecclestones Verhalten anders zu begründen als mit Korruption - und zwar mit Erpressung. Demnach habe Gribkowsky gedroht, Ecclestone bei den Steuerbehörden anzuschwärzen. Ecclestone hatte Vermögen in eine Stiftung namens Bambino eingebracht. Offiziell gehört die Stiftung seiner Ex-Frau. Tatsächlich könnte Ecclestone die Stiftung weiter kontrolliert haben, sie gehörte zum Formel-1-Imperium. Der Motorsport-Manager bestreitet das. Er gesteht aber ein, dass eine Steuernachzahlung von zwei Milliarden Pfund gedroht habe, wenn das Finanzamt von der Konstruktion erfahren hätte. Gribkowsky habe laufend entsprechende Anspielungen gemacht. "Er wollte Geld", sagte Ecclestone. Die Staatsanwaltschaft widerspricht dem: "Die Anspielungen stellten für den Angeschuldigten ein Ärgernis dar", steht in der Anklage. Dann kommen die Staatsanwälte aber zu dem Schluss: "Eine reale Bedrohung war dies allerdings nicht, da Dr. Gribkowsky und die BayernLB nichts Konkretes für eine Verbindung in der Hand hatten."

Der Fall: Im Jahr 2002 wurde aus der beschaulichen Landesbank der wichtigste Anteilseigener des globalen Rennzirkus Formel 1. Nach der Pleite des Kirch-Medienimperiums übernahm die BayernLB fast 50 Prozent der Formel-1-Anteile. Ecclestone wollte, dass der britische Finanzinvestor CVC Capital Partners diese Anteile kauft. Damit die Bank das möglich macht, soll er - so die Anklage - Schmiergeld gezahlt haben: 44 Millionen Dollar.

Der Kronzeuge: Gerhard Gribkowsky war der Risikovorstand der BayernLB. Als die Landesbank zum Anteilseigner der Formel 1 wurde, wurde Gribkowsky ein mächtiger Mann in der Boxengasse. Er wollte im Ecclestone-Imperium für Transparenz sorgen. Ende 2004, Anfang 2005 klagte die Bank vor dem Londoner High Court in zwei Verfahren gegen Ecclestones Familienstiftung, die einen Minderheitsanteil hielt, aber die Mehrheit der Aufsichtsräte stellte. Eine Bedrohung für Ecclestone, der womöglich als Geschäftsführer hätte abgesetzt werden können. Doch statt Transparenz durchzusetzen, verkaufte die Bank wenige Monate später für etwa 800 Millionen Dollar ihre Anteile an den Investor CVC.

Der Auftakt: Bernie Ecclestone sitzt zwischen seinem Anwalt und seiner Dolmetscherin, die simultan übersetzt. Richter Peter Noll fragt die Personalien des Angeklagten ab. Die Stimmung ist gelöst. "Wie ich Ihren Namen ausspreche, habe ich schon das letzte Mal gefragt", sagt er. Ecclestone war bereits als Zeuge im Gribkowsky-Prozess vor Gericht erschienen. "Ecclestone is fine", sagt der Formel-1-Boss, das passe schon. Der Richter darf den Namen mit "o" aussprechen, wie beim Wort "stone". Korrekt wäre eigentlich, das "o" zu verschlucken: "Ecclest'n". "In der Anklageschrift steht, Sie sind geschieden", sagt Noll. Ecclestone stimmt zu. "Ich dachte, Sie wären verheiratet", entgegnet der Richter. "Both is right", sagt Ecclestone: Beides stimme. Der Saal lacht. Richter Noll lächelt entspannt und weist darauf hin, dass der jetzige Familienstand rechtlich entscheidend sei. "I like to remember the divorce part", sagt Ecclestone. Er erinnere sich gerne an die Scheidung. Aber er sei jetzt verheiratet, ja. Als der formelle Teil mit den Personalien abgehakt ist, sagt Richter Noll: "Das waren noch die einfacheren Fragen in diesem Verfahren." Dann verliest der Staatsanwalt die Anklageschrift - 22 Seiten.

Der Angeklagte: Bernie Ecclestone ist 83 Jahre alt - und der große Mann der Formel 1. Er hat aus der Autorenn-Serie ein globales Unterhaltungsimperium gemacht. (Das SZ-Porträt erzählt, wie er zum mächtigsten Mann im Motorsport aufstieg.)

Der Richter: Peter Noll führt den Prozess. Er hat bereits Gribkowsky verurteilt - wegen Bestechlichkeit. Zur Korruption gehören immer zwei Seiten, der Bestochene und der Bestechende. Noll richtet beide. Er betont, es habe keine Absprachen im Sinne eines Deals zwischen den Parteien gegeben.

Das erste Urteil: Anfang 2011 kam heraus, dass Gribkowsky aus Ecclestones Umfeld 44 Millionen Dollar erhalten hatte. Das Geld war 2006 und 2007 über Briefkastenfirmen auf Mauritius und den Britischen Jungferninseln an Gribkowsky gezahlt worden. Dieser brachte das Vermögen in eine österreichische Stiftung ein. Gribkowsky wurde 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue und Tatmehrheit der Steuerhinterziehung. Mittlerweile ist er Freigänger.

Der Prozess: 26 Sitzungstage stehen bisher im Plan. Demnach läuft der Prozess mindestens bis Mitte September.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde Ecclestone das Zitat "Er wollte mein Leben zerstören" über Gribkowsky zugeschrieben. Das ist nicht korrekt. Sein Verteidiger zitierte an dieser Stelle aus der Vernehmung Ecclestones, bei der er gefragt wurde: "Wollte Gribkowsky Geld oder wollte er Ihr Leben zerstören?" Ecclestone antwortete: "Er wollte Geld."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: