Ford:Henrys Vermächtnis

Warnstreik IG Metall

Mitarbeiter von Ford bei Warnstreiks Anfang des Jahres in Köln.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Konzern will 5000 Stellen streichen. Das Problem beginnt vor der Haustür. Auch in Köln besitzen immer weniger Menschen ein Auto.

Von Benedikt Müller, Köln

Gunnar Herrmann sieht das Problem vor dem Werkstor. In einer Stadt wie Köln lebten mittlerweile 30 Prozent der Haushalte ohne eigenes Auto, sagte der Deutschland-Chef von Ford kürzlich beim Wirtschaftsempfang des Landes Nordrhein-Westfalen. Und es dürften noch mehr werden, bedenkt man die vielen Carsharing-Angebote oder gar Visionen selbstfahrender Stadttaxis. Seine Branche stecke, so Herrmann, im totalen Umbruch.

Und Umbrüche können wehtun. Ford will hierzulande 5000 Stellen abbauen. Das hat das Management per Rundschreiben den etwa 24 000 Beschäftigen mitgeteilt - nach einem halben Jahr voller Spekulationen. Der US-Autohersteller hat in Europa im vergangenen Jahr Verluste eingefahren, nach Gewinnen in 2017. Seine Kosten sind gestiegen, die Wechselkurse zwischen Dollar, Euro und britischem Pfund standen ungünstig. Und Ford hat auf dem Kontinent weniger Autos verkauft.

In seiner Europazentrale in Köln erinnert der Konzern an seine Geschichte. Das Café auf dem Werksgelände heißt "Henry's", benannt nach dem amerikanischen Gründer: Henry Ford legte damals höchstselbst den symbolischen Grundstein, als sein Konzern 1930 die Tochterfabrik in Köln baute. Bis heute ist Ford größter industrieller Arbeitgeber der Stadt. Alle 68 Sekunden rollt hier ein Kleinwagen, Modell Fiesta, vom Band. "Unsere Marke. Unser Stolz. Wir fahren Ford", prangt auf einem blauen Transparent auf dem Gelände.

Nun befürchtet die Stadt, dass sie am meisten unter dem Stellenabbau leiden dürfte. Knapp 18 000 Menschen beschäftigt der Konzern in Köln, hinzu kommen etwa 6000 Mitarbeiter in Saarlouis. "Mit einer großen Portion Unverständnis und auch Enttäuschung" hat die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Ankündigung zur Kenntnis genommen, ließ sie zum Wochenende hin verlauten. Reker hätte sich demnach "eine zukunftsgewandtere Entscheidung" von Ford gewünscht.

Immerhin wolle der Konzern "so sozial verträglich wie möglich" vorgehen. Jüngeren Beschäftigten will Ford zunächst Abfindungen anbieten, älteren Mitarbeitern Frühverrentungen. Insgesamt will das Unternehmen das jährliche Ergebnis um mehr als 400 Millionen Euro steigern. Ford wolle in Europa "schnellstmöglich" wieder Gewinne erwirtschaften, heißt es.

Stolz sind sie in Köln auf ihren vergleichsweise sparsamen Ecoboost-Motor, den sie gemeinsam mit Aachener Ingenieuren vor zehn Jahren entwickelt haben. "Wir produzieren von diesen Motoren heute eine Million", so Herrmann. Freilich kämen derzeit "mit einem Schlag" viele neue Techniken auf: Am autonomen und vernetzten Fahren forschen die Ford-Werke nun mit Partnern auf einem Testfeld in Düsseldorf. Batteriebetriebene Kleinlaster schrauben sie gemeinsam mit der Post-Tochter Streetscooter zusammen. Und für Fahrassistenzsysteme hat der Konzern kürzlich eine Kooperation mit Volkswagen geschlossen.

Freilich brauche die Autoindustrie stets Vorlaufzeiten für neue Technologien. "Um die sind wir ziemlich rasant beschnitten worden", klagte Herrmann an jenem Abend - und verwies etwa auf die neuen Abgas- und Verbrauchstests WLTP, die binnen Monaten in der Europäischen Union eingeführt wurden. Da hatten mehrere Hersteller Probleme, all ihre Autos rechtzeitig zertifizieren zu lassen. Und wie sagte Herrmann, als er über die Zukunft seiner Branche nach 2030 sprach? "Das wird nicht mehr die Autoindustrie sein, die sie heute ist."

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