Forcierte Entscheidung:Überraschung am Telefon

Ein Symbol der alten Deutschland AG hat seinen Hut genommen. Das geschah alles andere als freiwillig. Als Siemens in der jüngsten Affäre weitere Vorwürfe drohten, lehnte der Konzern offensichtlich noch mehr Bauernopfer ab.

Henning Hinze

Heinrich von Pierer ist das lebendige Symbol für die alte Deutschland AG: Konservativ und erfolgreich hat er den größten deutschen Industriekonzern geführt. Entsprechend fielen am Freitag die Reaktionen nach seinem Sturz aus.

Das Kapital eilte zu Hilfe: "Großes Bedauern und Respekt" brachte ihm Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann entgegen. "Seine persönliche Integrität steht außer Zweifel."

Für die Arbeiter jubelte hingegen Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer, der Rücktritt sei "überfällig". "Ich bin sehr froh, dass Herr von Pierer hier persönlich die Konsequenz gezogen hat."

Keine weiteren Bauernopfer

Freiwillig hat er das nicht getan. Am Donnerstag hatten mehrere Mitglieder des Siemens-Aufsichtsrates mit Pierer geredet, um vor der Vorstellung der dem Vernehmen nach guten Geschäftszahlen für das erste Halbjahr Klarheit zu bekommen.

Womöglich spielte dabei eine Rolle, dass im Konzern angesichts der drohenden Veröffentlichung von Vorwürfen gegen Pierer weitere Bauernopfer abgelehnt wurden.

Am Abend verließ der daraufhin vorzeitig die Volkswagen-Aufsichtsratssitzung und informierte den überraschten Siemens-Vorstand in einer Telefonkonferenz von seiner Entscheidung: "Rücktritt am 25.April"; der Tag vor der Vorstellung der Halbjahreszahlen.

Verteidigung per E-Mail

"Das ist schon ein Schock und für ihn auch tragisch", sagt ein Unternehmenskenner. Pierer selbst verteidigte sich am Freitag in einer E-Mail an die Mitarbeiter: "Betroffen machen mich (...) die pauschalen Vorverurteilungen in der Öffentlichkeit, die oftmals ohne Rücksicht auf die Faktenlage erfolgen."

Vor einigen Wochen hatte er noch kämpferischer geklungen. "Ich würde es als eine Art Fahnenflucht empfinden, wenn ich mich nicht an der Aufklärung beteiligen würde."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: