Foie gras:Alarm zum Festtagsmahl

Foie gras: Zugvögel verbreiten den Virentyp H5N8. Die Krankheit macht auch den Herstellern von Foie Gras zu schaffen.

Zugvögel verbreiten den Virentyp H5N8. Die Krankheit macht auch den Herstellern von Foie Gras zu schaffen.

(Foto: Philippe Huguen/AFP)

Just zum Weihnachtsgeschäft werden Frankreichs Stopfleber-Hersteller von der Vogelgrippe heimgesucht - wieder einmal: Die Geflügelpest hat ihnen 2016 schon schlimm zugesetzt.

Von Leo Klimm, Paris

Endlich erklingt wieder Schnattern und Gackern in Frankreichs Südwesten. "Es war brutal", sagt Marie-Pierre Pé. "Die Höfe waren völlig leer." Alles war still. Statt neun Millionen Enten und Gänse: null. Pé vertritt den Verband der Foie-gras-Produzenten Cifog, die Hersteller der französischen Stopfleber-Spezialität. Wegen ihrer Mastmethode, bei der den Vögeln fettes Kraftfutter mit einem Rohr eingezwungen wird, werden die Foie-gras-Hersteller von Tierschützern auch gern als "brutal" angeprangert. Aber Pé meint das anders.

Brutal war für ihre Branche die von den Behörden erzwungene, monatelange Räumung und Säuberung aller Geflügelbetriebe in 18 südwestfranzösischen Départements dieses Jahr. Alles mit dem einen Ziel, die Vogelgrippe auszurotten. Doch jetzt - gut drei Monate, nachdem die Produktion wieder anlief - ist die Geflügelpest wieder zurück. In sieben Betrieben wurde sie in den vergangenen Tagen nachgewiesen. Für die Hersteller bedeutet das den dramatischen Schlusspunkt eines ohnehin schon katastrophalen Jahres.

"Die Vogelgrippe setzt uns viel härter zu als die Tierschützer."

Zu Weihnachten wollen Gourmets in Frankreich und in aller Welt Gänsebraten genießen oder eben den zarten Schmelz von Foie gras, einem der teuersten und umstrittensten Lebensmittel überhaupt. Im Dezember setzt die Branche die Hälfte ihres Jahreserlöses von zwei Milliarden Euro um. Jetzt muss sie gegen die erneute Verunsicherung der Verbraucher ankämpfen, um das Weihnachtsgeschäft zu retten.

"Die Vogelgrippe setzt uns viel härter zu als die Tierschützer", sagt Pé. Was entrüsteten Tierfreunden mit Guerilla-Aktionen in Feinschmeckerrestaurants oder heimlich gedrehten Videos aus Geflügelställen nicht gelang, vollbringt nach Jahren des Foie-gras-Booms die Vogel-Influenza: Sie stürzt die Branche - die zu Frankreichs kulinarischem Erbe gehört und im Südwesten des Landes ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist - in eine tiefe Krise. 3000 Geflügelhöfe und 170 verarbeitende Betriebe leben in der Region um Toulouse von Foie gras. 100 000 Jobs hängen landesweit an diesem Geschäft.

Kaum ein Unternehmen der Stopfleber-Industrie werde 2016 mit Gewinn abschließen, heißt es. Die Preise haben im Zuge der Krise zwar um bis zu 20 Prozent zugelegt. Das entspricht, bei mittlerer Warenqualität, einer Steigerung um etwa 15 Euro je Kilo. Hier wirkt sich die Verknappung des Angebots aus. Die Hersteller versuchen aber auch, gesunkene Umsätze bei gleichzeitig gestiegenen Kosten auszugleichen. Die Krise verschiebt dabei die Gewichte in der Branche: Sie trifft vor allem kleine, finanzschwache Betriebe - und beschleunigt die Verlagerung der Produktion einer urfranzösischen Delikatesse nach Osteuropa.

Als vergangene Woche die Enten eines Geflügelhofs verendeten, wurde schnell der von Zugvögeln eingeschleppte neue Virentyp H5N8 nachgewiesen, der zuvor schon in Deutschland aufgetaucht war. Seitdem herrscht Alarm, herrscht wieder Angst vor Stille in den Ställen. Die neue Grippevariante ist hoch ansteckend und besonders gefährlich für Enten - aus denen Foie gras zumeist gemacht wird. Sofort wurden Tausende Tiere notgeschlachtet. Das Landwirtschaftsministerium rief eine "hohe" Risikostufe aus, erließ eine Stallpflicht, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Doch die industrielle Arbeitsteilung, bei der das Federvieh zwischen Brutbetrieben, Züchtern und Schlachthöfen umhergefahren wird, begünstigt die Übertragung. "Wir müssen diesmal schneller sein als das Virus", sagt Pé. Zugleich müssen die Anbieter die Verunsicherung der Kunden im Keim ersticken. Erklären, dass die Vogel-Influenza nicht durch Verzehr übertragbar ist und H5N8 generell nicht als Gefahr für Menschen gilt. Und dass die Stopfleber, die nun verkauft wird, vor der erneuten Epidemie produziert worden ist.

Allen Bemühungen zum Trotz werden wichtige Absatzmärkte verschlossen bleiben. Das seit der vorangegangenen Grippe währende Importverbot in Nicht-EU-Länder, das eigentlich dieser Tage enden sollte, wurde prompt verlängert. Frühere Foie-gras-Boom-Märkte in Asien und Amerika drohen dauerhaft wegzufallen. Etwa Japan, das bis zum Vogelgrippe-Alarm allein fünf Prozent der französischen Produktion abnahm. Insgesamt ist die Herstellungsmenge 2016 wegen der Zwangsleerung der Betriebe um ein Viertel eingebrochen, das entspricht fast 5000 Tonnen. Für 2017 ging der Verband Cifog schon vor den neuen Grippefällen davon aus, dass das frühere Niveau nicht wieder erreicht werde.

"Die Osteuropäer haben ihre Produktion bestimmt um 15 Prozent gesteigert."

Hauptgrund dafür sind neue, strengere Auflagen. Um die Virenausbreitung zu verhindern, dürfen nur noch Tiere gleichen Alters in einem Gebäude gehalten werden. Das verlangt von den Bauern Investitionen, die zwar teils subventioniert werden. Die Auflagen bedeuten aber auch, dass die Züchter insgesamt weniger Tiere durch ihre Ställe schleusen können. Viele kleinere Bauern mussten ihre Betriebe 2016 deswegen aufgeben, etwa fünf Prozent aller Züchter, schätzt Pé. "C'est la vie", sagt die Verbandsfrau. "Man muss die Veränderungen in unserem Geschäft akzeptieren."

Die Großen der Branche kommen besser durch die Krise, bleiben aber nicht verschont. Die Firma Delpeyrat etwa schickte 250 Leute in Kurzarbeit und bezifferte den Jahresverlust schon vor den neuen Grippefällen auf mehrere Millionen Euro. Gleichzeitig reagieren Hersteller wie die Groß-Genossenschaft Euralis, indem sie die Erzeugung aus Frankreich wegverlagern, besonders nach Bulgarien. Von dort wird ein Teil der Ware in alle Welt exportiert - ein anderer Teil landet auf französischen Tellern. "Die Osteuropäer haben ihre Produktion bestimmt um 15 Prozent gesteigert", so Pé.

Darüber regt sie sich nicht auf. In jeder Krise liegt eine Chance, wollen viele im Foie-gras-Business glauben. Die Erfahrung mit der vorangegangenen Epidemie habe immerhin bessere Standards ermöglicht. Nein, was Marie-Pierre Pé richtig aufregt, das sind radikale Tierschützer. Die seien mit ihren Versuchen, anderen das Foie gras zu verbieten, fürs Geschäft zwar nicht so gefährlich wie die Vogelseuche. Aber "geistige Terroristen" seien sie schon.

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