Förderung von Managerinnen:EZB führt Frauenquote ein

Geldpolitik war bisher Männersache - das will die Europäische Zentralbank nun ändern und führt eine Quote ein: Innerhalb der kommenden sechs Jahre soll sich die Zahl weiblicher Führungskräfte verdoppeln. Die höchsten Etagen betrifft die Regelung allerdings nicht.

Von Andrea Rexer und Markus Zydra, Frankfurt

Die Welt der Frankfurter Notenbanker - das war bisher eine Welt der Männer. Bei der Bundesbank hat es in fünfeinhalb Jahrzehnten nur eine einzige Frau in den Vorstand geschafft, und auch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) saßen seit ihrer Gründung nur zwei Frauen. Heute gehören dem Gremium, das über den Euro und dessen Schicksal bestimmt, 23 Männer an - und keine einzige Frau. Nicht sehr viel besser sieht es bei der EZB auf der Ebene darunter aus: Unter den Generaldirektoren im Frankfurter Euro-Turm gibt es nur zwei Frauen - bei insgesamt 14 Direktorenposten.

Doch das soll sich nun ändern: Die EZB will weiblicher werden und unterhalb des Direktoriums mehr Führungspositionen mit Frauen besetzen. Deshalb führt die Notenbank nun eine Frauenquote ein: "Wir wollen bis Ende 2019 im mittleren Management 35 Prozent und im oberen Management 28 Prozent qualifizierte Frauen haben", sagte der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen der Süddeutschen Zeitung. Damit würde der Frauenanteil verdoppelt; derzeit liegt er auf diesen Führungsebenen bei 17 Prozent beziehungsweise 14 Prozent. Das Direktorium der Notenbank hat bereits vor einiger Zeit einen entsprechenden Beschluss gefasst - publik macht die EZB diesen allerdings erst jetzt.

An Bewerberinnen mangelt es nicht

Mit der Frauenquote für Führungskräfte versucht die Europäische Zentralbank innerhalb von wenigen Wochen zum zweiten Mal, ihr Image zu verbessern und sich für eine Modernisierung zu öffnen: Erst Ende Juli hatten die EZB bekannt gegeben, dass sie künftig die Protokolle ihrer Ratssitzungen veröffentlichen will, damit die Öffentlichkeit ihre Entscheidungen besser verstehen kann. Nun machen die traditionell eher konservativen Notenbanker einen weiteren Schritt, um aus ihrer traditionellen Welt auszubrechen.

Denn während sich in der EZB die Anzahl der Männer und Frauen insgesamt in etwa die Waage hält, sind die Geschlechterrollen im Management der Notenbank klar verteilt: Hier haben fast ausschließlich Männer das Sagen. Asmussen glaubt deshalb, dass sich innerhalb der Notenbank einiges verändern muss: "Entscheidend für den Erfolg ist ein Mentalitätswandel der heutigen Führungspersonen in der EZB", sagt der EZB-Direktor.

An den Bewerberinnen jedenfalls mangelt es nicht. Es gibt in der EZB einige Frauen mit Karriereambitionen, die sich in der Vergangenheit untergebuttert gefühlt hatten. Asmussen ist daher optimistisch, dass die EZB ihre selbst gesetzten Ziele in den nächsten sechs Jahre erreichen kann: Es gebe "ausreichend sehr gut qualifizierte Frauen" in der Institution. Den Aufbau der europäischen Bankenaufsicht mit vielen neuen Top-Jobs sieht er hierbei als große Chance.

Die oberste Etage berührt die Frauenquote nicht

Ähnlich beurteilt das Gertrude Tumpel-Gugerell. Die Österreicherin ist eine der wenigen Frauen, die es in Notenbanken ganz nach oben geschafft haben. Sie gehörte von 2003 bis 2011 dem EZB-Direktorium an - als einzige Frau in der Geschichte der EZB neben der Finnin Sirkka Hämäläinen. Auch Tumpel-Gugerell sieht beim Thema Frauen die Chefs in der Verantwortung: "Entscheidend ist, dass man Frauen früh genug fördert und dass die oberste Chefetage klar und offen für Frauenförderung eintritt." Sie weist aber auch darauf hin, dass die Fluktuation in Notenbanken gering ist und Erfolge in der Frauenförderung daher Zeit brauchen.

Bislang herrschte in der EZB vielerorts die Meinung, dass Frauen an der Misere in der Vergangenheit zum Teil selbst schuld sind. Auch der Personalchef der Notenbank verweist darauf: "Die Erfahrung zeigt, dass weibliche Kandidaten in Bewerbungsgesprächen und Präsentationen eher zurückhaltend und bescheiden auftreten", sagt Stephen Keuning, EZB-Generaldirektor Personal, Budget und Organisation. Aus diesem Grund habe die EZB ein Mentoring-Programm für Frauen eingeführt, das diesen auf dem Weg nach oben helfen soll. Das Programm sieht vor, dass der Mentor auf freiwilliger Basis einer Kollegin bei der Weiterentwicklung hilft.

Keuning ist für den Diversity-Prozess in der EZB verantwortlich. Diversity bedeutet Vielfalt - moderne Unternehmen besetzen ihre Posten heutzutage mit Menschen aus verschiedenen Ländern, um so die Wissensvielfalt zu fördern. Die EZB ist sehr international, daran hapert es nicht. Doch vernimmt man in der EZB auch, dass die Scheu vieler Bewerberinnen eine Konsequenz der männerdominierten Entscheidungsebenen ist. In den Besetzungsgremien sitzen vor allem Männer.

Es muss um die besten Köpfe gehen - "dazu gehören auch Frauen"

Personalchef Keuning glaubt hingegen nicht, dass hier das eigentliche Problem liegt: "Es wird sichergestellt, dass in den Auswahl-Panels der EZB in der Regel mindestens zwei, im Ausnahmefall jedoch mindestens ein weibliches Mitglied vertreten ist", sagt er.

Woran das EZB- Direktorium mit seiner Frauenquote nichts ändern kann, ist die Zusammensetzung der allerobersten Etage: Denn für der Ernennung der EZB-Direktoren und der nationalen Notenbankchefs im EZB-Rat ist die Politik zuständig. Die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone schlagen Kandidaten für das Direktorium vor, das EU-Parlament muss zustimmen. "Bei der Besetzung von Top-Positionen in der EZB wird Nationalität vor Geschlecht gesetzt", kritisiert Tumpel-Gugerell. "Im Statut steht aber, dass es um die besten Köpfe gehen muss. Dazu gehören auch Frauen."

Die Tatsache, dass bei der jüngsten Ernennung eines EZB-Direktors wieder keine Frau zum Zug kam, hat im Europäischen Parlament große Verstimmung ausgelöst. Die Abgeordneten verzögerten die Ernennung des Luxemburgers Yves Mersch. Verhindern konnten sie die Berufung aber nicht.

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