Flugzeughersteller:Airbus und Boeing produzieren um die Wette

Möglichst viele Aufträge wollen Airbus und Boeing bei Flugmessen einheimsen. Um am Ende zu zeigen, wer im Fluggeschäft die Nase vorn hat. Dabei produzieren sie schon heute so viel wie nie - und sind auf Jahre ausgebucht.

Jens Flottau, Farnborough

Fabrice Brégier und Ray Conner haben einiges gemeinsam. So haben sie beispielsweise vor wenigen Tagen einen neuen Job angetreten. Sie arbeiten seither an der Spitze eines großen Flugzeugherstellers - Brégier bei dem europäischen Konzern Airbus und Conner bei dem nordamerikanischen Rivalen Boeing. In dieser Woche repräsentierten sie die beiden Unternehmen in ihrer neuen Funktion zum ersten Mal bei einer großen Luftfahrtmesse, der Farnborough Air Show in der Nähe von London. Begegnet sind sich die beiden Manager bei dieser Gelegenheit allerdings nicht, sagt Brégier.

Airbus Boeing Farnborough

Die beiden Hersteller wechseln die Führungsrolle alle paar Jahre ab, je nachdem, wer gerade mit welchem Flugzeugprogramm mehr produziert.

(Foto: REUTERS)

Wenn man einmal annimmt, dass sie sich begegnet wären, dann hätte der Airbus-Chef seinem Boeing-Kollegen gratulieren müssen. Airbus hat während der Messe gerade einmal 54 feste Aufträge eingeheimst, hinzu kommen noch Absichtserklärungen für 61 weitere. Conner verkündete hingegen einen Auftrag über insgesamt 150 Flugzeuge von United Airlines. Hinzu kommen noch große Abschlüsse mit mehreren Leasingunternehmen.

Überaus besorgt wirkte Brégier deswegen aber nicht. Denn Airbus kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beschweren. Die Produktion ist - wie bei Boeing - über viele Jahre ausverkauft. Von Herbst an wird Airbus jeden Monat 42 Maschinen der A320- Baureihe ausliefern und bald womöglich auch monatlich elf Langstreckenjets des Typs A330.

Airbus-Verkaufschef John Leahy empfiehlt, den Blick auf die vergangenen zwei Jahre zu werfen. Aufträge für mehr als 2000 Flugzeuge wird Airbus in den Jahren 2011 und 2012 eingesammelt haben, mehr als doppelt so viele, wie in der gleichen Zeit gebaut werden. Der Auftragsbestand wächst also. Was die Auslieferungen angeht, dürfte Boeing innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre wieder einmal an Airbus vorbeiziehen.

Die beiden Hersteller wechseln die Führungsrolle alle paar Jahre ab, je nachdem, wer gerade mit welchem Flugzeugprogramm mehr produziert. So lange die Verteilung im Rahmen eines Korridors von 40 bis 60 Prozent Marktanteil bleibt, wird keiner übermäßig nervös.

Die Boeing-Auslieferungen werden im kommenden Jahr vor allem deswegen steigen, weil die Produktion des Langstreckenflugzeuges 787 endlich hochläuft. Das Konkurrenzmodell Airbus A350 wird, wenn es nicht doch noch eine Verspätung gibt, Mitte kommenden Jahres seinen ersten Testflug absolvieren und etwa ein Jahr später erstmals ausgeliefert. Derzeit laufen die letzten Vorbereitungen, bis die Endmontage des ersten A350-Testflugzeuges beginnen kann.

Airbus will Dreamliner-Chaos nicht wiederholen

"Ich habe nicht die Absicht, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen", betont Brégier. Deswegen weigert er sich, Flugzeugkomponenten weiterzuverarbeiten, bevor sie wirklich fertig sind. Auf diese Weise will er teure und zeitaufwendige Nacharbeiten vermeiden, die das 787-Programm bei Boeing zeitweise ins Chaos gestürzt haben. Im Moment bereitet der Flügel einige Sorgen.

Normalerweise werden die Einzelteile automatisch montiert, doch bei den ersten beiden Tragflächen will Airbus auf Nummer sicher gehen und lässt dies deswegen händisch machen. Das dauert länger als gedacht, die Arbeiten liegen derzeit etwa vier Wochen hinter dem Zeitplan. Deswegen werden die Flügel für den Prototypen erst im Oktober zur Endmontage nach Toulouse angeliefert. Brégier zufolge ist es aber zu früh, um zu sagen, ob die Verzögerung nicht doch noch aufgeholt werden kann.

Etwa ein Jahr lang hat Airbus keine neuen Aufträge für das größte Modell der Serie, die A350-1000, bekommen. Das lag auch daran, dass der Hersteller sich gezwungen sah, die Maschine so stark zu verändern, dass sie deutlich weiter fliegen und mehr Nutzlast transportieren kann. Wichtige Kunden wie Emirates oder Qatar Airways hatten sich beschwert. Zwei Jahre später wird der Jet nun ausgeliefert. Die Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific erlöste Brégier und Leahy dann aber doch und bestellte 26 Maschinen des Typs.

Auch über Verspätungen hätte sich Brégier sehr gut mit Conner bei einem Treffen austauschen können, schließlich war zuletzt der Dreamliner 787 mehr als drei Jahre zu spät. Doch das muss der Franzose wohl bis zur nächsten Messe verschieben. Conner war am Donnerstag bereits aus einem für ihn sehr erfreulichen Anlass nach Chicago gedüst. Dort verkündete er gemeinsam mit dem United-Airlines-Chef Jeff Smisek den Milliarden-Auftrag für die 737-Baureihe.

Das Geschäft ist für Airbus in mehrerlei Hinsicht bitter: Erstens geht den Europäern ein riesiger Auftrag durch die Lappen. Und mit United schwenkt damit die größte Fluggesellschaft der Welt offenbar langsam aber sicher in Richtung Boeing, zumindest bei den Kurzstreckenflugzeugen.

Der vielleicht wichtigste Aspekt des Deals ist indes, dass die neueste Version der 737, die 737 MAX mit neuen Triebwerken, langsam aber sicher Akzeptanz findet. Airbus hatte das Konkurrenzprojekt A320NEO (new engine option) etwa ein Jahr früher gestartet. Als Airbus damit Auftrag um Auftrag absahnte, unter anderem von American Airlines, zog Boeing vor lauter Schreck die Reissleine: Pläne für ein komplett neues Flugzeug, dessen Entwicklung viel langwieriger und teurer gewesen wären, verschwanden ganz schnell in der Schublade.

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