Flugzeuge:Vor der Tür des Rivalen

Fabrice Bregier, Robert Bentley

Im Sommer 2012 unterzeichneten Airbus und Regierungsvertreter von Alabama den Vertrag für die Fertigung in Mobile.

(Foto: Dave Martin/AP)

Airbus fertigt nun auch in den USA, im Heimatland des Konkurrenten Boeing, am Montag wurde der erste Jet übergeben. Die Europäer haben ehrgeizige Ziele, aber auch ein paar Probleme.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Nach menschlichem Ermessen müsste Airbus-Verkaufschef John Leahy die ständige Fliegerei eigentlich satt haben. Seit Jahrzehnten jettet der Mann unermüdlich um die Welt, um Flugzeuge aus Toulouse und Hamburg zu verkaufen. Kollegen, die Leahy ab und zu begleiten, wundern sich, wenn dieser keine Hotels buchen lässt. Aber am Abend sitzt er meistens bereits in der nächsten Maschine.

Für diese Dienstreise aber hat sich Leahy ein wenig Zeit genommen. Nicht nur, weil sie ihn, den gebürtigen New Yorker, tief in die amerikanische Provinz, nach Mobile im Bundesstaat Alabama, führte. Dort wurde am Montag der erste dort gebaute Airbus, ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug des Typs A321, an den Kunden, die US-Fluggesellschaft Jet Blue, übergeben. Für Airbus, und für den Amerikaner Leahy, ein besonderer Moment: Der europäische Flugzeugbauer fertigt nun erstmals auch in den USA, im Heimatmarkt des Rivalen Boeing. Neben Toulouse, Hamburg und Tianjin in China ist Mobile das vierte Werk von Airbus.

Die Europäer erhoffen sich viel davon. Zwar sind die US-Fluggesellschaften anders als die chinesischen Privatunternehmen. Dennoch erwartet man bei Airbus, dass einige Airlines von ihrer traditionellen Vorliebe für Boeing-Maschinen abrücken und bei Airbus bestellen werden. Damit könnten sich die Investitionen langfristig auch in höheren Marktanteilen niederschlagen. In China ist der Marktanteil von 25 Prozent vor der Eröffnung des Werkes in Tianjin auf inzwischen 50 Prozent hochgeschnellt. Ein ähnliches Ziel hat Airbus-Chef Fabrice Brégier für die USA vorgegeben, und die Verkaufserfolge der jüngsten Zeit scheinen ihn zu bestätigen.

Aber auch wenn sich die US-Airlines von der Standortfrage nicht beeinflussen lassen, dürfte das Werk in Mobile eine politische Wirkung haben und die Chancen von Airbus, im amerikanischen Verteidigungsgeschäft besser Fuß zu fassen, erhöhen. Denn das ist bislang immer noch nicht gelungen.

Und nicht zuletzt spielt Mobile eine wichtige Rolle bei den Plänen, die Produktion der Kurz- und Mittelstreckenjets weiter auszubauen. Airbus will die Fertigung der A320-Familie massiv erhöhen, von derzeit 43 auf dann 60 Maschinen pro Monat. Um überhaupt genug Kapazitäten dafür zu haben, wurde Mobile bereits fest in die Planungen eingebunden. Das amerikanische Werk soll Ende 2017 vier Flugzeuge pro Monat ausliefern, böte aber auch genügend Platz, um die Rate auf acht Maschinen pro Monat zu erhöhen. Und sollte es demnächst sogar noch neue Aufträge im Verteidigungsbereich geben, könnten neben der A320-Halle weitere Fertigungsanlagen errichtet werden. Nur der Zaun ringsherum müsste hoch genug und lückenlos sein, damit nicht wieder einmal ein Alligator aus dem benachbarten Sumpf einen Spaziergang über das Vorfeld macht, wie in der Bauphase geschehen.

Die Triebwerke für den neuen "A320neo" laufen nicht fehlerfrei

Vielleicht ist John Leahy auch ganz froh, dass die Feiern in Mobile ihn von anderen Sorgen ablenken. In Toulouse und Hamburg liegen die Probleme nicht außerhalb, sondern innerhalb des Flughafenzauns. Dort stehen derzeit geschätzt 20 bis 30 Maschinen des Typs A320neo und warten auf Triebwerke. Die neueste A320-Version, die pro Sitz bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff verbraucht als ihr Vorgänger, wird mit neu entwickelten Motoren von Pratt & Whitney und CFM International angeboten. Doch die Motoren arbeiten nach wie vor nicht einwandfrei.

Die Triebwerke müssen nach dem Anlassen unter bestimmten Bedingungen länger als üblich im Leerlauf gehalten werden, damit sich der Schaft nicht verbiegt. Außerdem liefert die Software im Cockpit oft falsche Fehlermeldungen, die von den Piloten aus Sicherheitsgründen aber trotzdem abgearbeitet werden müssen. Das kostet Zeit. Qatar Airways, eigentlich als Erstkunde vorgesehen, weigert sich, die Maschine abzunehmen, und besteht darauf, dass Pratt & Whitney sowohl die Hardware- als auch die Software-Probleme erst in den Griff bekommt. Lufthansa ist als Erstabnehmer zunächst eingesprungen, hat aber weitere Auslieferungen nach der zweiten Maschine vorläufig gestoppt. Die Einschränkungen im Alltag sollen weiterhin zu groß sein, heißt es.

Pratt & Whitney hat mittlerweile die Führungsspitze ausgetauscht, der neue Unternehmenschef Bob Leduc gelobt Besserung. Die Zahl der Fehlermeldungen soll schon bald deutlich reduziert werden und bis Mitte des Jahres soll eine neue Version des PW1100G-Motors entwickelt sein, heißt es. Die ersten Triebwerke werden dann ausgetauscht.

Airbus muss nun das Kunststück vollbringen, den Hochlauf zu bewerkstelligen, ohne aber zu viele Maschinen zu produzieren, die auf Triebwerke warten. Das Unternehmen äußert sich nicht dazu, ob es die Produktion der A320neo-Serie zeitweise reduziert und statt dessen auf die ältere A320-Reihe setzt, für die es immer noch viele Aufträge gibt. Ein Sprecher betont lediglich, dass die Probleme bis zur Jahresmitte gelöst sein werden. Es sei zudem immer geplant gewesen, die A320neo erst ab der zweiten Jahreshälfte verstärkt auszuliefern.

John Leahys oberster Chef Tom Enders wird sich spätestens am Donnerstag dieser Woche etwas ausführlicher zu dem Thema äußern müssen: Dann findet die Hauptversammlung der Airbus Group statt. Die Investoren werden wissen wollen, wie es um eines der wichtigsten Flugzeugprogramme des Konzerns wirklich steht.

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