Flugreisen:Technik versagt? Zahlen, bitte

Lesezeit: 2 min

Der Europäische Gerichtshof hat jetzt die Rechte von Verbrauchern bei Verspätungen gestärkt. Auch bei Pannen müssen die Unternehmen Fluggäste entschädigen.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Flugpassagiere haben auch dann einen Anspruch auf Entschädigung wegen eines verspäteten Flugs, wenn die Verzögerung durch eine unerwartete technische Panne verursacht worden ist. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg kann die Fluggesellschaft sich nicht damit entlasten, dass sie die vorgesehenen Checks vorgenommen und die Maschine ordnungsgemäß gewartet habe. Auch der Umstand, dass die durchschnittliche Lebensdauer der defekten Teile noch nicht überschritten war, ändert nichts an ihrer Haftung.

Damit gab der EuGH einer Frau recht, deren für den 13. August 2009 geplanter Flug von Quito nach Amsterdam erst am Tag darauf startete - mit 29 Stunden Verspätung. Die Fluggesellschaft KLM hatte sich darauf berufen, dass zwei Teile, nämlich die Kraftstoffpumpe und die hydromechanische Einheit, defekt gewesen seien und zunächst per Flugzeug aus Amsterdam hätten geliefert werden müssen. Aus Sicht des Gerichts ist dies indes kein "außergewöhnlicher Umstand", der zu einer Befreiung von Entschädigungsansprüchen führt. Vielmehr gehörten zum Flugbetrieb unausweichlich technische Probleme, und diese seien letztlich nur von der Fluggesellschaft zu beherrschen. Von "außergewöhnliche Umständen" kann man laut Gericht nur dann sprechen, wenn die Ursache nicht in der Sphäre des Unternehmens liegt, etwa, wenn die Maschinen mit einem verdeckten Fabrikationsfehler ausgeliefert worden sind. Auch bei Schäden, die auf Sabotage oder Terrorakte zurückgehen, kann die Fluggesellschaft nicht haftbar gemacht werden. (Az: C-257/14)

Der EuGH hat damit seine verbraucherfreundliche Rechtsprechung zu den Ansprüchen der Flugpassagiere bekräftigt. Nach einer Verordnung von 2004 steht Fluggästen bei einer Verspätung von mindestens drei Stunden ein finanzieller Ausgleich zu: 250 Euro bei Entfernungen bis zu 1500 Kilometern, 400 Euro entweder bei EU-internen Flügen oder bei Entfernungen von maximal 3500 Kilometern, 600 Euro, wenn die Distanz mehr als 3500 Kilometer beträgt. Der EuGH hat immer wieder bestätigt, dass Passagiere grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch haben; Ausnahmen von diesem Grundsatz seien eng auszulegen. So hat das Gericht beispielsweise entschieden, dass bei Umsteigeflügen für die Berechnung der Verspätung die Ankunft am Zielflughafen maßgeblich ist.

Airlines versuchen immer wieder, sich aus der Haftung herauszuwinden, wegen der hohen Kosten: Pro Flug werden schnell sechsstellige Beträge erreicht. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) warf den Airlines laut Spiegel "vorsätzlichen Rechtsbruch" vor und plant eine Bundesratsinitiative, um die Verbraucherrechte zu stärken.

Derweil treibt die EU-Kommission Pläne voran, nach denen die Ansprüche der Passagiere stark eingeschränkt würden. Statt der dreistündigen Verspätung sollen - je nach Entfernung - erst Verzögerungen von fünf, neun oder zwölf Stunden einen Ausgleichsanspruch auslösen. Das EU-Parlament war diesen Plänen allerdings im vergangenen Jahr entgegen getreten. Nach Auskunft von Otmar Lell, Luftverkehrsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, will die Kommission zudem den Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" neu definieren. "Sollte das umgesetzt werden, dann wären so gut wie alle technischen Defekte außergewöhnliche Umstände." Nach seiner Einschätzung ist aber noch nicht abzusehen, ob und wann die Pläne umgesetzt werden; die Verhandlungen seien vorerst unterbrochen worden.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: