Fluglinien und Emissionsrechte:Lukrative Luftbuchung

Seit kurzem müssen sich Fluggesellschaften am europäischen Emissionshandel beteiligen. Die Kosten allerdings halten sich für die Unternehmen in Grenzen. Sie können am Klimaschutz sogar reich werden - wenn sie Passagiere dafür zahlen lassen. Die ersten Anbieter versuchen es schon.

Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin

Brussels Airlines hat schon zugeschlagen. Der Hinweis ist versteckt auf dem Ticket, im Kerosinzuschlag. Wer von Brüssel nach Berlin fliegt, der zahlt dafür neuerdings schon mal 72 Euro Sprit-Aufpreis - knapp doppelt so viel wie im alten Jahr. Der Grund: Seit dem 1. Januar müssen sich Fluggesellschaften am europäischen Emissionshandel beteiligen. Jeder Liter Kerosin wird ab sofort genau bilanziert, des Klimaschutzes wegen.

EuGH urteilt zu Emissionshandel im Luftverkehr

Seit dem 1. Januar 2012 müssen sich Fluggesellschaften am europäischen Emissionshandel beteiligen - und könnten damit Extragewinne einstreichen.

(Foto: dapd)

"Wir haben die Preise ab 4. Januar erhöht", räumt eine Sprecherin der belgischen Fluggesellschaft ein. Schließlich koste der Emissionshandel alleine Brussels Airlines jährlich sieben bis 20 Millionen Euro extra. "Deshalb haben wir den Kerosinzuschlag für europäische Flüge um drei Euro und den für Langstrecken um zehn Euro erhöht." Und im Einzelfall, je nach Buchungsklasse, manchmal noch deutlich mehr.

Was Brussels Airlines nicht sagt: Die Kosten für den Emissionshandel halten sich in engen Grenzen, und sie fallen auch erst im nächsten Jahr an. Denn den größten Teil der Emissionsrechte erhielten die Unternehmen geschenkt. 82 Prozent des Kerosinverbrauchs, den sie im Schnitt zwischen 2004 und 2006 hatten, sind so schon abgedeckt. Nur wenn sie mehr Kerosin verbrauchen, müssen sie Emissionsrechte zukaufen. Abgerechnet wird erst im Frühjahr 2013.

Das allerdings muss sie nicht davon abhalten, sich von ihren Kunden auch die geschenkten Emissionsrechte noch einmal bezahlen zu lassen, und das jetzt schon. So könnten alleine die amerikanischen Airlines, so rechnen Wissenschaftler von Massachusetts Institute of Technology und Uni Münster vor, 2,6 Milliarden Dollar an Extragewinnen einstreichen. Voraussetzung: Die Kosten lassen sich eins zu eins durchreichen.

Ein altes Schema

Das Schema ist aus den Frühzeiten des Emissionshandels bekannt. Bei dessen Einführung 2005 erhielten auch die europäischen Stromkonzerne ihre Emissionsrechte kostenlos zugeteilt. Dennoch wurde ihr Preis in die Kalkulation einbezogen. Schließlich standen die Betreiber nun vor der Wahl, Kraftwerke erst gar nicht laufen zu lassen - und stattdessen die Emissionsrechte zu verkaufen. Dadurch stiegen die Strompreise, die Industrie verdiente Milliarden zusätzlich. Auch im Luftverkehr seien "solche Zusatzgewinne vollkommen realistisch", sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenschätzung. "Wann immer Zertifikate nicht auktioniert, sondern verschenkt werden, entsteht den Unternehmen ein Vermögenswert." Weshalb Stromkonzerne ab 2013 alle Zertifikate ersteigern müssen.

Auch die EU-Kommission rechnet mit Aufschlägen. Dies habe neben Brussels Airlines auch die US-Fluggesellschaft Delta schon angekündigt. Deutschlands Lufthansa allerdings will von Extraerlösen nichts wissen. Der Emissionshandel sorge vor allem dafür, dass Europas Airlines benachteiligt würden, sagt ein Sprecher. Durch den starken Wettbewerb sei es schwierig, die Mehrbelastung an die Kunden durchzureichen. "Wir sind schon froh, wenn wir unsere eigenen Kosten wieder reinbekommen." Womöglich gilt das aber nicht für den ganzen Konzern. Brussels Airlines ist eine Tochter.

Am Dienstagabend meldet sich übrigens Brussels Airlines noch mal. Dass 72 Euro Sprit-Zuschlag kassiert wurden, sei wohl "ein Fehler" gewesen, das sei zu viel. Man werde dies umgehend auf den wirklichen Klimazuschlag korrigieren und prüfen, ob weitere Kunden betroffen sind. "Wir danken für Ihren Hinweis."

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