Fluglinie beantragt Insolvenz:Sanierung durch Bankrott

Die Fluggesellschaft American Airlines ist Pleite. Nun soll das US-Konkursrecht der Traditionsgesellschaft einen Neuanfang ermöglichen. Darum werden womöglich die Reisende von der Pleite nicht viel spüren.

Nikolaus Piper, New York

In Deutschland wird der Vorgang meist als "Pleite" bezeichnet, aber das ist irreführend. Wenn ein amerikanisches Unternehmen Gläubigerschutz nach Kapitel elf des Konkursrechts beantragt, ist das meist nicht das Ende, sondern der Versuch eines Neuanfangs. Prominentestes Beispiel aus jüngerer Zeit war General Motors. Der einst größte Autobauer der Welt wurde, mit massiver Hilfe der Regierung Obama, durch einen sorgfältig orchestrierten Konkurs gerettet.

American Airlines

American Airlines beantragt Insolvenz - womöglich ein Neuanfang.

(Foto: AP)

Nirgendwo zeigt sich die Wirkung des US-Konkursrechts besser als in der Luftfahrt. Seit der Liberalisierung Ende der siebziger Jahre wird die Industrie regelmäßig von schweren Krisen heimgesucht. Dabei hat sich der Gläubigerschutz zu einem Standardinstrument für die Firmen entwickelt, um Schulden loszuwerden und Kosten zu senken. Fast alle größeren und Dutzende kleinere Gesellschaften sind den Schritt schon gegangen. Einige verschwanden ganz, wie die legendäre Pan Am, oder wurden von anderen übernommen, wie etwa TWA. Für andere, namentlich Delta und United, war der Konkurs die Voraussetzung für ihre heutige Stellung am Markt.

Als kleiner Regionalflieger begonnen

Jetzt beantragte auch der drittgrößte Wettbewerber American Airlines, genauer: dessen Muttergesellschaft AMR, Gläubigerschutz. Es ist die letzte der Großen der Branche, die das noch nicht versucht hat. American ist eine Traditionsgesellschaft. Ihre Geschichte begann mit einem kleinen Regionalflieger aus Missouri, der einen Piloten namens Charles Lindbergh beschäftigte. In diesem Jahr wird American zum dritten Mal hintereinander hohe Verluste anhäufen, als Einzige der Branche.

Das Unternehmen ist in vielerlei Hinsicht ein Nachzügler: American konnte die Kosten nicht senken, wie dies die Konkurrenten United und US Airways in der Krise nach den Terroranschlägen im September 2011 unter dem Schutz des Konkursrechts vormachten. Das Unternehmen blieb auch von der jüngsten Fusionswelle ausgeschlossen, bei der Delta (Konkurs 2005) mit Northwest Airlines (Konkurs ebenso 2005) zusammenging, und United, der Traditionspartner der Lufthansa, Continental erwarb.

American muss nachholen: Das neue Management wird Tarifverträge neu verhandeln und von den Gläubigern Zugeständnisse verlangen. Schon im Sommer hatte American bei Boeing und Airbus 460 neue Flugzeuge bestellt, um ihre überalterte Flotte zu ersetzen. Das Unternehmen will die Verträge wie geplant abwickeln und bezahlen. Die Passagiere werden von der Insolvenz kurzfristig wohl zunächst überhaupt nichts spüren. Die Flugpläne sollen unverändert eingehalten werden, American bleibt in der globalen Allianz One World mit British Airways verbunden. Dem Bündnis wird sich im nächsten Jahr auch die deutsche Air Berlin anschließen.

Eine ganz andere Frage ist, ob das Instrument des Kapitels 11 auch langfristig den Interessen der Verbraucher dient. Auf der einen Seite erlaubt es, relativ einfach Kosten zu senken und die Produktivität zu erhöhen, was letztlich auf Preise und Service zurückwirken kann.

Auf der anderen Seite führt das großzügige Konkursrecht auch dazu, dass alte Unternehmen länger im Markt bleiben und Neulingen der Start erschwert wird. Über das Für und Wider wird bis heute diskutiert. Tatsache bleibt, dass der Service im amerikanischen Luftverkehr aus Sicht der Reisenden immer noch auf fast komische Weise schlecht ist.

Zum Teil kommt das daher, dass seit Jahrzehnten in öffentliche Flugsicherung und viele Flughäfen viel zu wenig investiert wurde, zum Teil hat es aber auch mit der fehlenden Leistungsfähigkeit vieler Gesellschaften zu tun. American wird jetzt die Probe aufs Exempel sein: Wie viel Erneuerung ist unter dem Schutz des Konkursrechts möglich?

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